Mittwoch, 28. Oktober 2009

Bandanas und Hosenträger: Hardcore Superstar im Substage

Sofern Hardcore Superstar für ihre aktuelle Deutschlandtour eine Vorband gesucht haben, die ihnen auf keinen Fall gefährlich werden kann, haben sie in ihren schwedischen Landsleuten Avatar die perfekten Kandidaten gefunden: Kinder, die für andere Kinder Kinder-Metal spielen, der sogar den anwesenden Kindern – zumindest am Dienstag im Substage – zu infantil war. Und noch eins: Ibanez-Gitarren und 5-Saiter-Bässe sind NICHT Rock N´ Roll. Merkt euch das, ihr Grünschnäbel!
Dabei hätten Hardcore Superstar derartige Hilfstruppen überhaupt nicht nötig. Trotz maßlos übertrieben langer Wartezeit zwischen Umbau und Auftritt werden die Göteborger mit offenen Armen und Dekolletés empfangen. Mit Sleaze Hymnen wie „My Good Reputation“ oder „Shades Of Grey“ und härterem Stoff wie “Into Debauchery” nehmen die Superstars das Substage im Sturm. Das sehr gemischte Publikum, alte Posies im abgetragenen Hanoi Rocks T-Shirt und junge Emo-Kids mit Scheitelfrisur, vereint im Freudentaumel.
Exkurs: Die Bandana, eine Kulturkritik. Augenscheinlich erfreut sich die Bandana, also das als Stirnband getragene quadratische Tuch, einer aufkeimenden Renaissance. Ein gutes halbes Dutzend Kopfgebindeträger sticht unter den knapp vierhundert Besuchern hervor. Das gibt Anlass zur Sorge, denn klein ist der Kreis jener Menschen, welche diese Insignie der Nonchalance zur Schau stellen können, ohne sich der Lächerlichkeit Preis zu geben. Eine kurze Inventur der verschiedenen Kategorien kopftuchtragenden Personals verdeutlicht das: Grundvoraussetzung ist entweder eine gewisse Art männlicher Attraktivität gepaart mit unaufdringlichem Machismo (Johnny Depp), übergroßes Selbstbewusstsein (Axel Rose), eine gehörige Portion Schratigkeit (Saint Vitus´ Dave Chandler, der späte Keith Richards) oder eine Aura der Gewaltbereitschaft (Crips, Bloods, Mike Muir und Ice T). Die Finger vom Binder lassen sollten eigentlich fast alle anderen, insbesondere Tartüffs wie Brett Michaels, oder alternde Harley-Fahrer. Denn: Genauso wenig wie jemand, der sich eine McDonalds-Krone aufsetzt automatisch zum König wird, ist das Stirnband eine hinreichende Bedingung für Coolness. Es ist vielmehr umgekehrt.
Joakim „Jocke“ Berg kommt heute jedenfalls ohne Lappen um die Ohren aus – dafür trägt er Gürtel UND Hosenträger. Der hyperaktive Hardcore Superstar Frontmann gebärdet sich wie eine Promenadenmischung aus Steven Tyler und Iggy Pop, hat also durchaus den Hang zur großen Geste. Trotzdem hat man - anders als zuletzt bei den Backyard Babies - nie das Gefühl, die Superstars fühlten sich für Clubs im Grunde überqualifiziert und spielten eigentlich lieber im Stadion. Die einzelnen Teile des Bandgefüges greifen ineinander wie bei einer gut geölten Maschine. Kritisieren ließe sich vielleicht allenfalls die relative Gleichförmigkeit des Songmaterials, dass fast durchweg im oberen Midtempo-Bereich dahinrollt. Aber gut, mit diesem Vorwurf haben schon ganz andere Bands leben gelernt.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Y&T, Fabrik, Bruchsal



Ein Zwillingsgeschütz stößt Dauerfeuer aus zwei gleichzeitig schießenden Rohren und dient meist zur Flugabwehr, in der Ausführung mit zwei miteinander gekoppelten Gitarren kann es allerdings auch äußerst effektiv gegen Weichziele eingesetzt werden. Das wissen auch Y&T. Auf zwei kurze Twin-Guitar-Salven folgen sogleich schwere Einschläge. „Open Fire“, „Don´t Wanna Lose” und “Hang Em High” bilden die erste Angriffswelle und spätestens jetzt ist die Gefechtslage klar: Hier werden keine Gefangenen gemacht. Denn dem lappalienfreien Heavy-Bluesrock von Seargant Major Dave Meniketti und seiner Infanterie hat der Gegner rein gar nichts entgegenzusetzen.
Der allgemeinen Hochstimmung in der Fabrik in Bruchsal tut das an diesem Dienstag freilich keinen Abbruch, im Gegenteil: Spätestens bei der alten Schlachthymne „Meanstreak“ liegen sich - seit sehr langer Zeit – erwachsene Männer in den Armen, recken die geballten Fäuste zum Himmel als habe es Grunge nie stattgefunden und scheinen zum Äußersten bereit. Doch zum Glück scheinen Y&T recht friedliebende Charaktere zu sein. Das bösartigste, was die vier gesetzteren Herren an den Tag legen, ist eine Vorliebe für Jägermeister. Basser Phil Kennemore feiert heute nämlich seinen „zweiundvierzigsten“ Geburtstag, da wird angestoßen. Doch selbst hier heißt es Maß halten, zumindest für Meniketti, denn der muss ja noch singen und bekommt von dem „schrecklichen Zeug immer Sodbrennen.“ Kennemore dagegen möchte die Kerze heute am liebsten von beiden Seiten anzünden und genehmigt sich, ganz böse, sogar das eine oder andere Kippchen auf der Bühne. In Feierlaune werden auch spontane Songwünsche von Fans angenommen. Meniketti tut seinem alten Kumpel, mit dem er seit nunmehr 35 Jahren Rücken an Rücken steht, den gefallen (Was willst Du denn gerne spielen, Phil?) und gibt sich alle Mühe, sich der Texte und Akkordfolgen längst vergessener Schätze wie „Lipstick and Leather“, „Masters and Slaves“ und „Surrender“ zu entsinnen. Demgegenüber vertreibt sich Phil die Zeit mit einem Tänzchen und überlässt dem Gitarrenroadie das Bassspiel. Oder er reist die Saiten gleich ganz von seinem Instrument und lässt sie simultan zum Spiel wieder aufziehen, da er das mitführen von Ersatzinstrumenten offenbar für ein Zeichen von Schwäche hält. Bei der herzzerreißenden Powerballade „I Believe In You“ sind dann aber alle wieder mit vollem ernst dabei.
Nun lässt sich der Satz, „diese Band hat nie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient hat“, auch nicht mehr länger umschiffen (Kling klong, zwei Euro ins Journalisten-Phrasenschwein). Kein Wunder: Y&T waren schon immer so was wie eine Kreuzung aus Mötley Crüe ohne Drogen und Whitesnake ohne Homoerotik. Hair-Metal ohne Haare eben, oder auch Bangen mit Köpfchen. Songs wie die Rauschmeisser, das von Phil geschriene „Squeeze“ und das mächtige „Forever“ legen noch einmal Zeugnis davon ab, dass die Band ihren Namen zu recht trägt: Y&T steht für Yesterday and Today; für diese zeitlose Musik wird es immer ein Morgen geben.

Shy Guy At The Show, Das Haus, Landau

Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Auftritt von Shy Guy At Th Show (SGATS) im Club „Das Haus“ in Landau. Sänger Sebastian Emling schenkt sich ein Glas schweren Rotweins ein. Das gehört vor jeder Show zum Ritual. Fast ölig schwappt der alte Barolo in dem dickbäuchigen Gefäß hin und her, die Hände des sonst so souveränen großen Mannes zittern. Bühnenangst? Kalter Drogenentzug? Kalt, ja, kalt ist das Stichwort: Bei annähernden Minusgraden im „Backstageraum“ des Spielorts, bestehend aus einem offenen Party-Pavillion im Hof, kann man schon mal ins Bibbern kommen, ohne gleich in den Verdacht zu geraten, alle landläufig bekannten Rock n´ Roll-Klischees über zu erfüllen.
Öffnet man die mit einer Matratze verbarrikadierte Tür zum Konzertsaal, wogt einem tropische Hitze entgegen. The Serpentines, extra aus dem fernen Stuttgart angereist, sorgen mit ihrem leicht fisseligen aber dennoch famosen Post-Punk für rote Gesichter beim von Bewegungsdrang erfüllten Publikum. Man wünschte nur, Frontmann Tobias Adam entlockte seinem enormen Gitarren-Effekt-Board mitunter auch mal ein paar knackig verzerrte Akkorde. Rocken statt apart sein, ist das Gebot der Stunde!
Nach kurzer Verschnauf- und Umbaupause schließlich, ist es Zeit für SGATS: „Ghosts“ heißt der donnernde Opener, „I am haunted (ich bin verdammt)“ singt Emling mit Grabesstimme und mit von Wein und feuchter Schwüle glühenden Wangen. Man glaubt es ihm aufs Wort. Er zuckt, krümmt und windet sich, fast wie die von Dämonen besessene Regan McNeil in William Friedkins Film The Exorcist. Dann wieder gibt er den glücklichen Prinzen Oscar Wildes, der traurig und suchend in die Ferne blickt, auch wenn die nur bis zu den brütenden Scheinwerfern, die in zwei Metern Entfernung an der niedrigen Decke hängen, reicht. Das ist über weite Strecken faszinierend, aber nur selten mitreißend und so sind die Besucher meist eher mit Schauen als Schwofen beschäftigt, obwohl der elektronisch aufgeladene Goth-Rock der scheuen Jungs eigentlich absolut tanzbar ist. Unnahbarkeit beim Künstler kann eben auch zu Reserviertheit beim Zuschauer führen. Selbst der verschlossenste Popexistenziallist sehnt sich doch still und heimlich nach etwas Nestwärme, oder?
Solche boten Mr. Winterbottom, mit ihrem drangvollen bonbonbunten Indie-Poprock, dafür fast schon im Überfluss. Die komödiantisch überladene Darbietung der Landauer stand im denkbar krassesten Gegensatz zur teilweise fast schon ätherischen Performance ihrer Vorgänger. Vielleicht mit ein Grund, warum sich das Publikum aus seiner Schockstarre nicht mehr ganz befreien konnte.(PB)

Dienstag, 13. Oktober 2009

Rock N´ Roll vs. Neoexpressionismus. Ein Kunsterlebnis der 3. Art

Am Wochenende war mal wieder echte Freak-Action angesagt: Sonntagmorgen, so gegen halb fünf, standen nach einem ausgedehnten Zechbummel durch die coolsten Karlsruher Clubs – also all jene, in die man auch mit Cowboystiefeln und Schlagseite reinkommt - die Zeichen auf Dönerbude. Hier ist die Amalienstraße, im Volksmund auch Dönerallee genannt, in der Fächerstadt erste Wahl. Da Sonderanfertigungen wie ein in Lahmacun gerollter Dürüm Döner etwas länger dauern, waren die Begleitung und ich gezwungen zu warten. Die Wartezeit verkürzte ich mir gerade aufs schönste mit einem als Proviant mitgebrachten Tannenzäpfle, als die kontemplative Idylle von einer clownartigen Gestalt, angetan mit gelb-grün-oder-so-ähnlich gestreifter Hose, violettem Blazer, Hornbrille und wirrem Haar, unterbrochen wurde. Ob sie sich zu uns setzen dürfe, lallfragte die Person. Dem Ansinnen wurde ungern aber höflich stattgegeben, worauf alle Befürchtungen unumwunden wahr wurden: Das Unglück nahm seinen Ausgang mit der Frage, wie wir seine Schuhe fänden, die ich ausweichend mit der Feststellung beantwortete, dass es Slipper seien. Von Gegenteiligem konnte mich auch das Aargument, sie hätten aber tausend Euro gekostet, nicht überzeugen. Um weitere Irritationen zu vermeiden - Verrückten, alten Damen und Betrunkenen gegenüber soll man ja immer nachsichtig sein -, gaben wir weiterhin geduldig Auskunft über Herkunft und Profession. Damit hätte man es bewenden lassen können, doch war die Reaktionsfähigkeit schon etwas eingeschränkt und der Teufel gab mir die Frage ein – ich bereute schon im Augenblick da mir die Worte über die Lippen kamen, sie gestellt zu haben: „Und, was machst Du denn so?“
Ein großer Maler sei er, jaja, und Professor an der Kunstakademie zu Düsseldorf, behauptete die Clownsfigur. „Ah, da war doch der Lüpertz Direktor“, meinte ich. Oh, ich kennte mich ja aus, war die große Malerperson dithyrambisch, aber jetzt sei ja Anthony Cragg am Ruder. Ich als Ästhet fände das eh schon immer scheiße was der Lüpertz so mache, meinte ich tröstend. Der sei doch ein Backenbläser und nach 20-jähriger Amtszeit ja auch längst nicht mehr unumstritten gewesen. Woraufhin der Maler schlagartig vom Genie zum Wahnsinn wechselte und unter der Androhung von Schlägen die Rücknahme meiner Aussage forderte. Das sei hier ein freies Land und ich könne über Kunst sagen, was ich wolle, klärte ich den sich immer rumpelstilzchenhafter gebärdenden Künstlerfurius auf. „Oh, nimm´s halt zurück“, meinte die Begleitung nur und verdrehte demonstrativ die Augen.
Nun sind aber weder Augen rollende Begleitungen noch Personen, die wesentlich schmächtiger sind als ich, dazu geeignet, mich im Zustand eines gewissen Trunkenheitsstarrsinns zur Revision einmal gemachter Äußerungen zu bewegen, weshalb ich Rumpelstilzchen auf die durch hoffnungslose körperliche Unterlegenheit bedingte Sinnlosigkeit seines Unterfangens hinwies. Mit dem Stock auf einen Bienenstock einzuschlagen, um die Bewohner zum einstellen des lauten und störenden Summens zu bewegen, hätte vermutlich eine sachlichere Reaktion nach sich gezogen – OK, vielleicht hätte ich die Worte „alter Furz“ nicht verwenden sollen -, denn nun fuchtelte mir der ergrimmte Künstler statt eines Pinsels mit einer Bierflasche, meiner eigenen, vor meiner Nase herum!
Nun wurde es mir zu bunt und ich beförderte das Männlein mit Schwung durch die offene Tür der Dönerbude, wo es, perdauz, auf seinem Hintern landete. In diesem Augenblick bemerkte ich die beiden Polizisten, zielstrebig steuerten sie auf mich zu. „Grandios“, dachte ich, „Volltreffer!“. Die Gesetzeshüter blieben aber äußerst cool - wohl auch weil sie mittlerweile Verstärkung von mindestens acht (!) Einsatzfahrzeugen, Streifen- und Mannschaftswagen erhalten hatten -, fragten mich äußerst freundlich nach Art und Ursache der Turbulenzen und ob Rumpelstilzchen in Körper verletzender Absicht auf mich losgegangen sei. Ich verneinte dies und erläuterte, dass es wohl eher in volltrunken-unüberlegter Absicht geschehen sei und zu keiner Zeit eine ernsthafte Gefährdung meiner Person bestanden hätte. Froh darüber, lästigen Papierkram vermeiden zu können, erteilten die Polizisten dem enthemmten Künstler einen Platzverweis und fuhren in Kolonne davon.
Nach schlussendlichem Verzehr des Döners, machten wir noch einen kleinen Abstecher in einen benachbarten Nachtclub. Was denn das nebenan für ein Polizeigroßeinsatz gewesen sei, wollte der mir bekannte großkalibrige Türsteher wissen. „Ach, ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung“ meinte ich. Mein gegenüber war sichtlich beeindruckt. Nach einem kleinen Absacker trat ich selbstzufrieden den Heimweg an.
Am nächsten Tag hatte ich meine Begleitung an der Strippe, zwecks Manöverkritik der nächtlichen Kampfhandlungen: „Da hast Du ja in ein schönes Wespennest gestochen“, meinte sie lachend. „Wieso das denn?“, fragte ich. „Der Typ war Meisterschüler vom Lüpertz und nach allem was man so hört, hat er ihm offenbar auch seinen Lehrauftrag in Düsseldorf zu verdanken“. Da habe ich ja wirklich Glück gehabt, dass die Bullen so schnell und zahlreich zur Stelle waren.

PS: Professor ist Rumpel übrigens gar nicht. Professoren haben in Düsseldorf nämlich alle eine eigene Telefonnummer.

Montag, 12. Oktober 2009

Dickie Peterson ist tot

Laut der Blue Cheer Myspace Seite ist Bassist/Sänger Dickie Peterson heute verstorben. 1968 hatte das in Boston gegründete Powertrio mit einer räudigen Version des Eddie Cochran-Hits Summertime Blues einen Top-20 Hit in den USA und schrieb mit den mit Acid-getränktem Lärm angefüllten Alben Vincebus Eruptum (1968) und Outsideinside (1968) Musikgeschichte. Blue Cheer gelten als Wegbereiter des Heavy Metal und wurden im Guiness-Buch der Rekorde lange vor Manowar als lauteste Band geführt. Letztes Lebenszeichen von Dickie und Co war ein gefeiertes Stoner-Statement von CD, mit dem nun tragisch anmutenden Titel What doesn´t kill you (2007). Dickie Peterson lebte zuletzt in Köln, er wurde 61 Jahre alt.

Sonntag, 11. Oktober 2009

New.Bands.Festival: Das Halbfinale

Haben die Jungen Bands heutzutage eigentlich keine Freunde mehr? Sitzen sie nur noch weltabgewandt in feuchten lichtlosen Probekellern und haben vor lauter eigenbrödlerischem Feilen an neuen Spieltechniken den Kontakt zur Außenwelt (Publikum) vergessen? Oder hat sich gar die komplette Interaktion zwischen Bands und Fans in Internetzwerke wie Myspace und Facebook verlagert? Zu solchen Fragen nötigt eine durchaus jämmerliche Kulisse von 250 Besuchern beim - immerhin - Semi-Finale des New.Bands.Festivals. Bei sechs antretenden Gruppen mit durchschnittlich vier Musikern, sind das gerade zehn Leutchen pro Nase. Die Zeiten in denen man auch zwanzig Kilometer in den Nachbarort pilgerte, um die bewunderten Musikerkumpels zu unterstützen, sind also offensichtlich vorbei.
Das ist schade, denn zu Zeiten in denen Konzertbesuche aus Kostengründen zu Quartalsereignissen zu werden drohen, kann man bei solcherlei Ereignissen für kleines Geld durchaus mitreißende Musik entdecken. Bestes Beispiel: Full Spin. Frontfrau, oder besser Frontsau, Steffi röhrt ins Mikro, reißt die Gitarre hoch, schüttelt das Haar und befehligt nebenher ihre beiden Mitmusiker. Die personelle Zwangsreduktion durch krankheitsbedingten Ausfall des Leadgitarristen macht das blonde eins-sechzig Energiebündel locker durch Nette-Schlampe-Von-Nebenan-Charme wett. Das fehlende Gitarrengegniedel tut dem wuchtigen US-Rock der „Spinner“ ohnehin keinen Abbruch. Nein, es begünstigt sogar die musikalische Entfaltung.
Da hat selbst das weibliche Doppelpack Biestig mit seinem reduzierten Protopunk wenig entgegenzusetzen. Dennoch retten sich Anne und Jule mit geballter Herzlichkeit und Zwillingspower, über alle schief gesungenen Töne und spieltechnischen Rumpeleien hinweg, an zweiter Stelle in die Endausscheidung. Wohl dem, der sich ein Genre wählt, in dem derartige Feinheiten nur die zweite Geige spielen. Daran hätten die schwer progressiv angehauchten Postrocker von Brainsheep vielleicht auch einige Gedanken verschwenden sollen. Denn Schiefer Gesang bringt nun mal, gleich den Posaunen von Jericho, selbst die gewaltigsten Gitarrenwände zum Einsturz. So einfach ist das. Genau anders herum war´s bei den musikalisch ebenfalls beeindruckenden Aerial Image: Wenn es gegen besagte Gitarrenwände geht, brauchst du zwingend eine Posaune, denn mit ´ner Panflöte kommst du nicht weit. Jedenfalls nicht ins Finale am Samstag, 21.11., 20Uhr, im Jubez.