Samstag, 28. November 2009

Risiko und Rock N´Roll: Clutch im Substage

Kamchatka kannte ich bisher nur aus dem Strategiespiel Risiko, bei dem es gilt die Weltherrschaft zu erringen - beim Risiko spielen ist es ziemlich gut, wenn man das Land Kamchatka hat, denn dann man von Ostasien, quasi „hintenrum“, Nordamerika angreifen. Am Donnerstag konnte man lernen, dass es auch eine Band mit diesem Namen gibt. Warum die allerdings so heißt, ist schleierhaft, aber es gibt eine Theorie: Mit ihrer wilden Mischung aus Blues, Jazzrock und Psychodelic klingen Kamchatka so amerikanisch wie nur was. Um so überraschender, dass diese drei Hippies aus dem schwedischen Kaff Varberg kommen. Nun kann man beim Risiko Nordamerika auch von Skandinavien her angreifen, aber vielleicht wollten die Musiker ihrer US-Affinität bei der Namensgebung auf möglichst subtile Art Ausdruck verleihen. Leute die viel kiffen haben ja des öfteren assoziativ äußerst verschlungene Gedankengänge und wie sagte mein Stehnachbar: „Wenn die mehr Erfolg hätten, wären sie bestimmt alle auf Heroin.“ Das kann noch werden, denn Kamchatka sind eine wirklich großartige Band und wer 2009 „Whipping Post“ von der Allman Brothers Band covert, hat sich die Weltherrschaft redlich verdient – da musste auch Clutch-Drummer Jean-Paul Gaster zustimmen und stieg am zweiten Schlagzeug ein, fett!
Zwei Schießbuden fuhren auch Kylesa auf, verliehen ihrem hypnotischen irgendwo zwischen Pentagram, Fu Manchu und Baroness angesiedelten Sludge-Sound, dadurch aber eine arg metallische Note. Ansonsten machten sich Gitarristin Laura Pleasants und ihr männliches Pendant Phillip Cope, die sich den Gesang teilten, insbesondere um die Pflege des Halleffekts verdient. Nach den Filigrangroovern Kamchatka keine Steigerung.
Nach ewig langer Umbaupause - die ganzen Schlagzeuge mussten schließlich verräumt werden –, endlich: Clutch. Mit dem Titel des aktuellen Langspielers, Strange Cousins From The West, ist über diese Band eigentlich schon alles gesagt. Ohne Instrumente würde diese „Jungs“ aus Germantown im beschaulichen US Bundesstaat Maryland kein Mensch ernst nehmen: Gitarrist Tim Sult ist ein introvertierter Moppel, den sie in der schule bestimmt schon immer gehänselt haben, Gaster sieht wirklich aus wie der Seltsame Cousin vom buckligen Teil der Verwandtschaft und an Basser Dan Maines kann man sich schon kurz nach dem Konzert nicht mehr erinnern. Sänger Neil Fallon schaut zwar auch nicht besser aus, kommt aber mit seinem Rauschebart und tiefliegenden Kohleaugen rüber wie ein fanatisierter Wildwestprediger aus dem vorletzten Jahrhundert. Doch was kann der Mann singen und was haben diese Kerle den Blues! Clutch waren eigentlich schon immer die Band für die Biertrinker unter den Stoner-Rock-Fans, weil viel stärker im Bluesrock verwurzelt als viele ihrer Genre-Kollegen. So muss man bei Neil Fallons Riffs eigentlich öfter an Deep Purple zu Stormbringer-Zeiten, als an Black Sabbath denken. Unentwegt schimmern auch die alten Meister aus Chicago durch. Und ist die Kupplung erst mal durchgetreten, lassen sich Clutch so schnell nicht mehr stoppen: Wie ein riesiger Truck auf einem Nachtschwarzen Highway wälzt sich dieses Ungetüm von einer Bandmaschinerie über einen Hinweg, dass eigentlich nur die Flucht bleibt. Doch man bleibt erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen und erwartet voller Faszination den tödlichen Biss.

Donnerstag, 26. November 2009

Frick goes Fantasy: Sardev, der Schatten des Friedens

Bloggerkollege Klaus N. Frick dürfte den meisten als Verfasser der Geschichten um den Kleinstadtpunker Peter Pank, die regelmäßig im Ox-Magazin erscheinen und inzwischen zwei Bücher (Vielen Dank, Peter Pank und Chaos en France – Peter Pank in Avignon) füllen, bekannt sein. Jetzt aber fliegen statt Bierdosen die Fetzen, und zwar menschliche, denn mit „Sardev, der Schatten des Friedens“ (Basilisk), hat sich Sciencefiction-Fan Frick, der bei einem Rastatter Verlag die berühmte Weltraumabenteuerserie Perry Rhodan als Chefredakteur betreut, nun erstmals ins Fantasy-Genre vorgewagt. Der in Karlsruhe lebende Frick hält sich dabei nicht mit der Entwicklung etwa von Multiversen oder komplizierten Magie-Konzepten auf, sondern geht einen Weg, den schon die Erfinder des Spaghetti-Westerns, Sergio Leone mit „Für eine Hand voll Dollar“ und Sergio Corbucci mit „Django“, oder später Ridley Scott mit „Alien“ oder „Bladerunner“ erfolgreich beschritten: Er holt ein mit Kitsch und allerlei Tand überfrachtetes Sujet zurück auf die (schmutzige) Arbeitsebene. Seine Hauptfigur ist kein Held, sondern ein einsamer Verlierer, ein Ausgestoßener, der einen blutigen Job zu erledigen hat – hier ist es Sardevs Rache an dem Landesverräter Schorrn -, dessen Erfüllung ihm aber keinen Frieden bringen wird. Denn für einen professionellen Partisan, einen Freischärler wie diesen Sardev, bedeutet das Ende des Kampfes eben nicht verdiente Ruhe, sondern Abstieg in die Beschäftigungs-, ja Bedeutungslosigkeit – so erklärt sich auch der widersprüchlich anmutende Titel. Ein kleines, gradlinig geschriebenes, spannendes, manchmal brutales Buch. Eher geeignet für Freunde des ehrwürdigen Robert E. Howard (Conan), als für Freundinnen von Stephenie Meyer (Twilight).

Dienstag, 24. November 2009

New.Bands.Festival Karlsruhe: Das Finale

Nach einem langen Wettkampfjahr mit drei spannenden Vorrunden und einer aufregenden Zwischenrunde, ging das Karlsruher New-Bands-Festival vergangenen Samstag im Jubez endlich ins Finale – das vierte in Folge mit Pfälzer Beteiligung. Sechs Bands hatten sich bis hierher vorgekämpft, drei die Chance auf begehrenswerte Preise wie Auftritte bei „Das Fest“ eine CD- und eine Video-Produktion. Nach den bisher eher mittelmäßig besuchten Veranstaltungen konnten sich die Organisatoren diesmal auch über ein mit 400 Besuchern gut gefülltes Haus freuen. Beste Voraussetzungen also für einen stimmungsvollen Spieltag.
Mit From All This Dreaming begann die zwar musikalisch schwächste Band des Abends, aber Sängerin Megan und ihre Jungs lieferten wie immer eine sehr engagierte Live Show – und wurden im Endeffekt mit dem Videopreis für die beste Performance belohnt. Full Spin dagegen können wirklich spielen und Frontfrau Steffi Spingies singen, klingen aber exakt wie Melissa Etheridge, was der Zielgruppe der unter 20-Jährigen allerdings schnuppe zu sein schien, da sie mit Spätachziger-Mädelsrock schon aus biologischen Gründen nix am Hut haben. Auch sind die Songs des Trios auf Dauer etwas einförmig, dennoch verfügen Full Spin mit “Go Away” über einen echten Ohrwurm – und das ist mehr, als die meisten Bands heute im Repertoire haben. Die Folge: Ein respektabler dritter Platz und der Publikumssieg.
Gegen die professionelle Spielfreude von Full Spin hatten es die beiden blutjungen Punkmädels Biestig natürlich etwas schwer. Für die Zwillinge Anne und Jule reichte es am Ende daher nur für den undankbaren, weil undotierten, vierten Platz. Trotzdem, kein Grund zur Trauer: Biestig hatten mit ihrer Charmanten Art, guten deutschen Texten und effektiven Punk Kurzattacken den mit Abstand größten Unterhaltungswert und haben mit etwas mehr instrumenteller Routine - oder Verstärkung – von allen angetretenen Bands mittelfristig sicher die größten Perspektiven erfolgreich zu sein. Auch Moneo legten sich mächtig ins Zeug, hatten aber nicht ausreichend originelles Songmaterial zu bieten. Ansonsten fielen die Bad Bergzaberner vor allem durch das Auftragen der Strickjacken ihrer Großväter auf und somit durchs Raster.
Anders die Indie-Rocker Sonic Avalanche: Nicht nur wegen ständig verstimmter Gitarren - und trotz ihres teilweise stark an Dredg erinnernden Sound - konnten die Karlsruher mit einigen überraschenden musikalischen Wendungen aufwarten, die ihnen Dank des teilweise arg uninspirierten Songwritings der Konkurrenz am Ende den Sieg bescherten. Stark begannen auch The PuddnHeads und begeisterten mit an die frühen Rolling Stones erinnerndem Beat-Sound - erstaunlich für so junge Hunde – und Sänger Tobses sympathisch- lausbübischer Bühnenpräsenz. Leider schafften es die „Querköpfe“ noch nicht, dieses Konzept in letzter Konsequenz durchzuziehen und verloren sich nach hinten raus ein wenig im stilistischen Bermuda Dreieck zwischen Heavy-Metal, Punk und Poprock. Schade, denn bei etwas stärkerer Fokussierung aufs Wesentliche wäre sicher mehr als die zweite Stufe auf dem Siegertreppchen drin gewesen. Zum Ausklang gab es noch einen Kurzauftritt der Sieger von 2008, der Folk-Rock-Barden Perry O’Parson. Insgesamt ein musikalisch gutklassiges Finale, wenn auch im Vergleich zu den letzten paar Jahren weniger mitreißend.

Freitag, 6. November 2009

Dem Grab entrinnt man nicht: Amorphis im Substage

„Stillstand ist Rückschritt und der erste Schritt zum Grab“, sagte einst der Unternehmer Reinhold Würth. Nun ist es sicherlich etwas unorthodox Konzertbesprechungen mit Industiellensprüchen einzuleiten, doch sofern der Künzelsauer „Schraubenkönig“ Recht hat, ist Esa Holopainen, Gitarrist und Annführer von Amorphis, das ewige Leben vergönnt. Denn Amorphis sind eine eigenartige Band. Im wahrsten Sinne des Wortes in gewisser Hinsicht amorph, ja unfassbar. Mit ihrem eigentümlichen, epischen, irgendwie progressiven Gothik-Folk sind die Finnen, ähnlich wie Paradise Lost oder den aufgelösten Sentenced, ihren Death Metal Ursprüngen zwar seit langem entwachsen, so richtig Wurzeln geschlagen haben sie aber seither nicht mehr: Mittels dieser Musik könnten sich auch Nichtvulkanier - und das ohne zu Hilfenahme eines Cannabis-Vaporizers - in andere Dimensionen beamen. Mit ihrem neuesten Burner, Skyforger, haben Amorphis diese Transporttechnik, die sie auf den beiden Vorgängern Eclipse und Silent Waters erprobten, noch perfektioniert.
Folgerichtig bestand am Mittwoch im Substage die Setlist, inklusive fünf ganz neuer Songs, zu zwei Dritteln aus Material von den letzten drei Alben, von denen bisher zwei Goldstatus erreichten. Doch zeigt sich der goldene Erfolgspfad für Amorphis nicht ohne Brüche: Zwar gehörte der Eröffnungsdoppelschlag „Silver Bride“ und „Sampo“ vom aktuellen Werk neben der Hymne „Silent Waters“ zu den herausragenden Momenten, doch kam beim durchweg wohlmeinenden Publikum die ganz große Stimmung erst bei "Black Winter Day“ und “Sign From The North Side” von den seitens der damaligen Kritik als nicht sonderlich inspirierte Todesblei-Scheibletten geschmähten Frühwerken Tales Of The Thousand Lakes und The Karelian Isthmus auf. Nicht ohne Ironie auch, dass Pasi Koskinnen, dessen melodischer Gesang mit der Abkehr vom anfänglichen Sound immer mehr in den Fordergrund gerückt war, seine Stellung 2004 kündigte, um sich einem Death Metal Projekt zu widmen. Jetzt bekam der ehemalige Sinisthra-Fronter Tomi Joutsen das Mikro in die Hand, der wieder verstärkt growlt. Die eigene Herkunft lässt sich eben nicht verleugnen. Bei einer Death Metal Band ist das nun einmal das Grab.

Mittwoch, 4. November 2009

Müslim-Metal: Der neue harte Trend aus dem Morgenland

Fundamentalismus, Lustfeindlichkeit, Bigotterie? Das war gestern! Auch in der islamischen Welt werden die Pommesgabeln zum Himmel gereckt, Bandaufnäher auf den Kaftan gepappt und im Mosheepit die Köpfe gebängt bis der Turban wackelt. Hier die Top-16 der NWOMHM-Bands:













































Ja, der Tag im Proberaum ist lang, wenn´s beim Songwriting mal nicht so läuft: Ausgedacht und verwirklicht wurden diese grandiosen Charts im wesentlichen von den Def-7-Kollegen Tank, King und Bruckner.

Let There Be Rock: Fabrik Bruchsal

Obwohl der sogenannte Classic Rock, mit alten Helden wie Black Sabbath oder Whitesnake und neuen Hoffnungen wie Wolfmother oder Jack Whites The Dead Weather, gerade seine soundsovielte Auferstehung seit dem Mitteljura erlebt, wird der Rockfan im Nachtleben richtiggehend diskriminiert. Und als sei die allgemeine Nichtbeachtung nicht schon Strafe genug, wird der Freund wuchtiger Drums und pfeiffender Gitarrenfeedbacks auf Schritt und Tritt noch mit musikalischen Missgeburten wie Atzen-Musik oder Modern-Soul drangsaliert. Dabei wusste schon das an sich nicht übermäßig rockende Electric Light Orchestra: „Rock N´ Roll Is King“.
Inzwischen muss sich der König bei der Verteidigung seines Reiches allerdings auf recht wenige Bollwerke verlassen. Die Fabrik in Bruchsal ist eines davon. Hier kann der Altrocker genauso die speckigen Lederhosen - nicht zu vergessen: Bandanas - auftragen und sein Bierchen schlürfen ohne Ohrenkrebs zu riskieren, wie der gepiercte Stoffschuhträger seine Rempeltänze zelebrieren kann.
Die Werkstore öffneten sich bereits 1980. Damals spielten die DJs – Gott segne sie! - Bands wie Uriah Heep, Nazareth oder Golden Earing - um nur einige zu nennen – später gab es einen „Hard & Heavy“-Tag und dienstagabends (!) New Wave. Immer wieder spielten auch Livebands wie Schwoißfuß, Wishbone Ash, Ten Years Later (mit Alvin Lee), Worlock oder Chicken Shack. Seit einem anwohnerbeschwerdenbedingten Umzug 1992, rauchen die Schlote nun im Industriegebiet Stegwiesen. Zunächst hielten Nachfragebedingt allerdings auch Blasphemien wie Techno oder Schlager und NDW Einzug, in die doch dem Rock geweihten (Fabrik)Hallen. Rechtzeitig zur Jahrtausendwende - immerhin drohten der baldige Weltuntergang sowie weitere göttliche Unmutsäußerungen - besannen sich die Werksleiter Jürgen Debatin und Peter Wachter auf ihre Ursprüngliche Mission: zu Rocken. Es gibt wieder Konzerte, unter anderem holte man Him, Ten Years After (ohne Alvin Lee) oder zuletzt Poppa Chubby und Y&T, das Donnerstagsmotto „Best Of Rock” ist selbsterklärend und an den Freitagen gibt es vom unvergleichlichen DJ Mütze - bekannt und beliebt aus der Katakombe in Karlsruhe - mit Alternative eins auf dieselbe. Samstags wechselt das Programm. Nächster Rocktermin: „Hardrock und Poser Night“, Sa, 21.11., 21Uhr.