Montag, 17. November 2014

Bleibt fröhlich! - Bohren und der Club of Gore als Opfer des Fan-Authismus

Nichts macht aggressiver als ein Konzert von Bohren und der Club of Gore (CoG)! Da kann keine Metzel Metal-Band der Welt mithalten. Indes liegt das nicht etwa an der Musik des Duster Jazz-Quartetts aus Mühlheim an der Ruhr, denn die zeichnet sich eher durch beschränkende Langsamkeit und kontemplativ-sphärische Atmosphäre als kriegerisch-aufpeitschende Stimmung  aus. Es liegt vielmehr am Publikum. Das ergaben Feldbeobachtungen beim CoG-Gastspiel am Donnerstag, 6. November, im Karlsruher Musikclub Stadtmitte.
Der mittelbadische CoG-Enthusiast fällt durch zudringliches am Boden Sitzen im Vorbühnenbereich auf. Unter den hingestreckten Edel-Fans scheint es obendrein als besonderer Ausdruck der Begeisterung zu gelten, penetrant meditativ ins Leere starren und den erzeugten Tönen hinterher zu horchen. Die ostentative Versunkenheit in den Musikgenuss und die damit einhergehende Weltabgewandtheit vermindert freilich die Fähigkeit, auf die Umwelt zu reagieren, sprich ein wenig Rücksicht auf die Mitbesucher zu nehmen. So dass sich die weniger privilegierten Steher im relativ kleinen Club entlang der Wand  und an der Bar im hinteren Bereich stauen. Stets bemüht, im Dunkel auf keinen der komfortabel Lagernden zu treten beziehungsweise den mit zunehmender Konzertdauer immer stärker werdenden Wunsch, genau das zu tun, im Zaum zu halten.
Der Arbeitsplatz, auf dem CoG ihren Ereignisarmen aber gleichwohl fesselnden „Borecore“ erzeugen, liegt in völliger Finsternis, die lediglich ein paar Strahler punktuell zurückdrängen. Als Instrumente kommen nach dem Höreindruck vermutlich Kontrabass, Schlagzeug, Saxophon, Piano und Vibraphon (Für die Kids und Digital Natives unter euch: Das Vibraphon ist eine Art überdimensioniertes Xylophon, dem eine Modulationsautomatik ein charakteristisches Tremolo verleiht) zum Einsatz. Wirklich sehen kann man das dank der Sitzblokade im Saal in der dustren Ferne aber nicht, nur vermuten.
Die Stücke tragen famose Namen wie „Mitleid Lady“ (in Anspielung an den von Chris Norman gesungenen Dieter Bohlen Song?) oder „Verloren – Alles“ und so klingen sie auch. Dass die vier CoG-Musiker nach eigenem Bekunden „coole Typen, die ihre Spielfreude im Griff haben“ sind, kann also wenig überraschen. Tatsächlich spielen sie ihre Instrumentalstücke mit einer Langsamkeit, die nicht nur bloß an der Grenze zum Stillstand entlangschrammt. Nein, noch zehn Beats pro Minute weniger, man müsste fürchten, das Raum-Zeit-Kontinuum kippe und die Uhren begännen Rückwärts zu laufen.
Vom beschriebenen Publikums-Autismus müssen aber selbst diese temperamentlosen Depri-Mucker irritiert sein. Hier werde man wenigstens kontrolliert wahrgenommen, witzelt Clubpräsident Christoph Clöser. „Anders als gestern in Nürnberg, wo die Leute die Hütte abgerissen haben.“ Deshalb spiele man heute entgegen den Gepflogenheiten zwei Zugaben. Nicht ohne den versammelten Unbeteiligten zum Abschied noch ein „bleibt fröhlich!“ zuzurufen.

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