Montag, 10. November 2014

Katzenmusik für Licornuphobe - Haggard live

It ain´t Country: Haggards Asis Nasseri 2009 in Glauchau. Foto: Lucas Friese
Das Wichtigste gleich vorweg: Wer damit gerechnet haben sollte, von der Formation Haggard bei deren Gastspiel im Musikclub Substage am Donnerstag, 30. Oktober, mit schmissiger Countrymusik unterhalten zu werden, wurde bitter enttäuscht. Denn obwohl die Bajuwaren auch auf traditionelle Instrumente wie Fiedeln und Klampfen zurückgreifen, haben sie ihren Bandnamen – das wurde schnell offenbar –  keineswegs bei US-Sänger Merle Haggard („Okie from Muskogee“) entlehnt. Die schrullige Mischung aus pseudoklassischer Musik, rumpumpeligem Death Metal und Fantasietexten lässt vielmehr den Schluss zu, der verhärmte Licornuphobe König aus dem Film „The last Unicorn“ habe hier Pate gestanden.
Doch gehen wir chronologisch vor: Schlagzeugdonner! Orchesterdonner! Chordonner! Dramadonner! Die Vorband Sound Storm  immerhin trägt ihren Namen zu Recht. Die Italiener erschlagen den Hörer förmlich mit ihrem theatralischen Highspeed-Operetten-Metal. Und das über weite Strecken technisch gekonnt und elegant wie ein Venezianischer Fechtmeister. Nur gelegentlich übertreibt es das Sextett mit dem Bombast. Dann wirken die Songs hektisch und  die Refrains so aufgeblasen und kitschig, als haben sich das Rondo Veneziano und die Ten Tenors nach dem gemeinsamen Besuch eines Crack-Hauses zu einer unheiligen Popklassik-Terror-Allianz zusammengeschlossen. Dass die beiden Gitarristen mit ihrer neckischen Haartracht eher aussehen wie Promi-Friseure statt wie Metal-Musiker, erhöht dazu nicht gerade die Glaubwürdigkeit. Gottlob verfügt die Band mit  Phillipe D´Orange über einen so stimmgewaltigen wie authentischen Frontmann, so dass die ganze Veranstaltung nie völlig ins Grillenhafte abkippt.
Bei Haggard indes weckt schon der Bühnenaufbau böse Vorahnungen: Kerzen- und noch dazu Notenständer! Nach längerem Umbau schiebt endlich Asis Nasseri, gewichtiger Fixstern des Haggard-Universums, seinen enormen Klangkörper ins Scheinwerferlicht, gefolgt von einem ganzen musizierenden Lindwurm. Denn neben der üblichen Besetzung einer Rockband, sind auch Streicher sowie Holz- und Blechbläser vertreten. 
Nun spricht grundsätzlich nichts gegen den Versuch, Rockmusik mit Klassik zu kombinieren – immerhin haben  Genregrößen wie ELP, Deep Purple oder auch Accept  dabei teils recht achtbare Ergebnisse gezielt. Allerdings gehört zu einer gelungenen Symphonic-Metal-Aufführung etwas mehr, als sich den örtlichen Dorfmusikverein auf die Bühne zu holen. Öffnet etwa die offenbar als Sopranistin vorgesehene Dame ihren Mund, klingt es, als schwinge der Lausbub Ludwig Thoma eine Katze am Schwanz über seinem Kopf. Dagegen sind die tiefen Death Metal-Growls von Asis Nasseri ein wahrer Ohrenschmaus. Hinzu kommt, dass es den Haggard-Kompositionen trotz des instrumentellen Aufwands schlicht und einfach an Höhepunkten mangelt. Schnell macht sich Langweile breit.
Es gibt einige 80er-Jahre Thrash Metal-Alben, auf denen renaissancehaft  freudig dahinplätschernde Streicher erklingen. Üblicherweise bringt sie dann wahlweise ein Sechsschüsser, ein Jagdgewehr oder eine Atomexplosion nach wenigen Augenblicken zum Schweigen. Bei Haggard kommt dieser Augenblick nie – bedauerlicherweise.



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