Sonntag, 28. März 2010

The Twang

A Guide To Modern Country Living, heißt die neue Platte von The Twang. Am Samstag stellte die Braunschweiger Country und Western-Formation ihre CD im Kulturzentrum Brunsviga vor. Schon fünfhundert Meter vor dem Club staksten die ersten Hutträger auf ihren – scheinbar selten getragenen – Cowboystiefeln umher, vor dem Eingang herrschte ein Gedränge wie beim Viehtrieb in Abilene.
Es ist das vierte Album der Country und Western-Formation, aufgenommen an so abenteuerlichen Orten wie Houston und Austin in Texas. Den letzten Schliff bekam es in den legendären, durch finanzielle Schieflage des Plattenkonzerns EMI mittlerweile vom Verkauf bedrohten, Londoner Abbey Road Studios. Wie kommt eine Combo aus der Region zu so einer internationalen Produktion? „Wir sind finanziell nicht von der Musik abhängig“, erklärt Sänger Hank Twang, „deshalb zahlen wir uns keine Gagen aus, sondern erfüllen uns lieber solche musikalischen Träume.“ Um diese Unabhängigkeit zu bewahren hat das Sextett seine Karriere bewusst auf dem Level Halb-Profi eingefroren: „Wir hatten zwei Angebote von großen Major-Plattenfirmen, die haben wir abgelehnt.“ Wie viel Erfolg mit dem „Countryfizieren“ populärer Songs möglich ist, haben Chartstürmer wie die Hamburger Texas Lightening, mit Comedy-Star Olli Dittrich am Schlagzeug, oder Boss Hoss aus Berlin gezeigt. Hank sieht es gelassen: „Wir waren die Ersten, die so was gemacht haben, und wie ich das sehe, werden wir auch die letzten sein.“
Könnte durchaus so kommen, denn an Ideen für irre Adaptionen, wie auf der neuen CD nachzuhören ist, herrscht bei The Twang kein Mangel: Kim Wildes „Kids in America“ präsentieren sie als Western Swing, wie ihn Leute wie Wayne "The Train" Hancock heute spielen, die Dire Straits Schmonzette „Brothers in Arms“ als treibenden Rockabilly. Originell auch die Idee, „A Whiter Shade Of Pale“ von Procol Harum mit Ennio Morricones Jill-Thema aus dem Once Upon a Time in the West-Soundtrack zu kombinieren oder die Trucker-Version des Songs „Rehab“. Auch wenn man Hank Twang das ironische Selbstportrait der Skandal- und Drogennudel Amy Winehouse mit seinem Berti Vogts-Charme nicht so recht abnehmen will. Manchmal kann solch ungezügelter Eklektizismus auch zu Missverständnissen führen. So hatten The Twang für ihre Version von „I kissed A Girl“ der Popsängerin Katy Perry den Lap Steel-Gitarristen Herb Remington im Studio. Stutzig machte den Texaner die Textzeile, „I kissed a Girl and I liked it, I hope my Boyfriend don´t mind it“. „Wer von euch Typen hat diesen Song geschrieben?“, fragte der 82-Jährige verblüfft.
Getrost als Ausfälle bezeichnen kann man „Breaking The Law“, Evergreen der mächtigen Judas Priest, und Monster Magnet´s Powerhit „Spacelord“ sowie Ralph Siegels Ballermann-Smasher „Genghis Khan“. The Twang sind am stärksten, wenn es schmalzig wird. Genial Terry Jacks´ Schmachtfetzen „Seasons In The Sun“ im Walzertakt oder Lionoel Richies Tränendrüsenstimulans „Hello“, basierend auf „Wish You Were Here“ von Pink Floyd. Sogar richtig berühren können die Braunschweiger, mit „Heroes“ von David Bowie.
Zurück zum Konzert: Zunächst machte Johnny Falstaff die Leute heiß. Mit der Instrumentalabteilung von The Twang im Rücken zog der waschechte Texaner mit Strohhut und buschigem Backenbart eine Rockabilly Show erster Kajüte ab. Höhepunkt: eine Hochgeschwindigkeits-Version von Hank Williams Juniors „Big Mamou“, an deren Ende Falstaffs Geigenbogen nur noch in traurigen Fetzen hing; Killer.
Nach diesem Feuerwerk hatten es die Hausherren in ihren Western-Anzügen, wie vom Cowboy-Versand Sheplers, nicht leicht. Erschwerend hinzu kam das Publikum, vornehmlich im gesetzteren Alter, eher Tom Astor als Hank Williams III. Böse Blicke erntete, wer zwischendurch mal Bier holen ging, obschon im Saal nicht gerade Enge herrschte. „Habt ihr es dann bald“, ermahnte ein ungefähr zwei Meter fünfzig großer Anzugträger, der sich soeben genau im Blickfeld platziert hatte – ausgerechnet - mich und meinen Bekannten. Gespräche während der Musik sind in Rock-Clubs heutzutage offenbar wider die Etikette, genauso wie Rauchen auf Open-Air-Konzerten. Trotzdem, The Twang gaben nicht auf und nach spätestens einer Stunde hatten sie die Menge im Griff. Spielfreude und eine gute Songauswahl sind eben durch nichts zu ersetzen.