Freitag, 20. März 2015

Bring your daughters to the slaughter - The Iron Maidens in concert


Fly Icarus. Fotos (alle): Crazyfink
Coverbands sind Ektoparasiten, Musikvampire, Herzblutegel, die sich mit den kreativen Säften anderer vollsaugen und sich so von deren Schöpferkraft nähren. Noch ärger als die bloßen Nachspieler, die einen bevorzugt auf Stadtfesten oder ähnlichen vom öffentlichen Rundfunk präsentierten Veranstaltungen mit den immer gleichen (Nicht)Interpretationen von „Walking By Myself“, „Alright Now“ oder – als besonderes Highlight – „Highway To Hell“ verfolgen,  treiben es sogenannte Tribute-Bands, die sich ausschließlich dem Œuvre stilistisch und optisch besonders distinguierter Rockakteure wie Kiss, AC/DC oder Pink Floyd verschrieben haben. Die gelegentlich bis auf kleinste Details von Outfits und technischer Ausstattung perfektionierte Mimikry ist freilich die größtmögliche Pervertierung von Rock´n´Roll, dessen ungebärdige Magie sich doch gerade aus dem in den wilden 60ern von Bob Dylan entdeckten und den Beatles etablierten  Subjekt-Bewusstsein des Künstlers speist. Solche von doch sehr kulturphilosophischen Argumenten getragene Kritik verstummt freilich schlagartig, wenn fünf hübsche Frauenzimmer aus dem sonnigen Kalifornien Songs der britischen Heavy Metal Band Iron Maiden – Säulenheiligen des Genres – zur Aufführung bringen. Am Samstag spielten The Iron Maidens in der Durlacher Festhalle. 
The Trooper
Vorspiel, also die Aufgabe das Publikum für den Auftritt der eisernen Jungfrauen in Stimmung zu bringen, übernahmen Judas Priester. Das Quintett hat sich – der Name lässt es erahnen – der Nachstellung von Judas Priest-Konzerten verschrieben. Was die Frage aufwirft, warum die Veranstalter für den Job eigentlich nicht die im Kraichtal ansässigen Lokalmatadoren  Juttas Brischt gebucht haben, was dem Anlass doch schon aus namentlichen Gründen noch gerechter geworden wäre. Doch auch Judas Priester machen ihre Sache sehr ordentlich. Zwar sehen die älteren Kerle in ihren schlabberigen Lederklamotten eher aus wie eine Clique arbeitsloser Luden, spielen aber gottlob besser Gitarre und kommen dem Sound des  an Metal-Heiligkeit Iron Maiden fast ebenbürtigen Originals streckenweise ziemlich nahe. Entsprechend gut gestimmt ist das Publikum.
Moonchild
Dann die Mädels, ähem, Maidens: Die Damen machen gleich zum Auftakt klar, dass sie wie der Engländer sagen würde „Balls“ haben und eröffnen den Abend mit dem Monster-Kracher „Aces High“. Genau wie auf dem 85er Live-Klassiker „Live after Death“.  Sängerin Kirsten “Bruce Chickinson” Rosenberg klingt zwar mehr nach Katharina Franck von den Rainbirds als nach Mr. Bruce Dickinson, entwickelt aber zum Glück nicht deren knödeligen Nerv-Faktor und meistert auch die grenzwertigsten  Gesangsparts tadellos. Ansonsten kommen Songs wie „Die With Your Boots On“, „Flight Of Icarus“ oder „22 Acacia Avenue“ bis hin zum bis an die Grenze der Erträglichkeit in den Vordergrund gemischten Bass super authentisch rüber. The Iron Maidens orientieren sich offensichtlich an der Tracklist erwähnten Albums, denn weiterhin  gespielt werden „Revelations“, „Wasted Years“  und „The Trooper“.  
Air raid siren: Bruce Chickinson
Nun könnte selbst eine Horde Affen diese Songs spielen und sie würden noch mitreißen. Man könnte The Iron Maidens also übergroßen Populismus vorwerfen. Doch hier wird einfach eine große, die goldene Ära des Genres feiernde  Metal-Sause gefeiert. Denn Kirsten und ihre Mitstreiterinnen Linda “Nikki McBURRain” McDonald (Schlagzeug), Courtney “Adriana Smith” Cox (Gitarre), Nikki “Davina Murray” Stringfield (Gitarre) und Wanda "Steph Harris" Ortiz (Bass) tragen das Pony auf dem rechten Fleck. Die Frauen sind professionell, aber keine abgezockten Profis. Wenn sie sich in die typischen Machoposen werfen müssen sie oft selbst darüber  lachen und Kirsten ist sich auch nicht zu schade, bei der Schlachtenhymne „The Trooper“ mit einem Miniatur-Union-Jack zu wedeln. Dass die eisernen Jungfrauen den Metal-Spirit haben steht außer Frage –  und das ist mehr als man an manchen Abenden von ihren männlichen Pendants behaupten kann. Juttas Brischt-Sänger Oliver 'Tripper' Mannherz bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Heavy Metal sagt mehr als tausend Brüste!“
Tripple-axe-attack

Donnerstag, 12. März 2015

Der Metal Alchemist - Devin Townsend live

Wandelbar: devin Townsend

Devin Townsend gilt als der verrückte Professor des Metal. Diese beschreibung ist allerdings nicht ganz treffend. Denn wie der Multiinstrumentalist aus Bruchstücken von Metal, Psycheldelic, Prog, Jazz-Rock und Ambient ein stimmiges Ganzes amalgamiert, ist wissenschaftlich gerade nicht zu erklären. Sondern im Gegenteil nur dadurch, dass irgendeine übergalaktische Macht dem Kanadier das Geheimnis der Transmutation von Elementen eingeflüstert hat, nach dem die Alchemisten des Mittelalters jahrhundertelang gesucht hatten. Erleben konnten für neureligiöse Ansichten  Aufgeschlossene das am Freitag im Musikclub Substage, wo der hochaufgeschossene Glatzenträger aus British Columbia auf seiner „Chaos in The Skies – Tour" andockte.
Passend eingestimmt wurden die in großer Zahl herbeigeströmten Schaulustigen auf das bevorstehende Opus Magnum von verstörendem Black Jazz der Norweger Shining und vertracktem Metal der US-Progger Periphery. Die Umbaupause wurde überbrückt von über die Bühnenleinwand flimmernden Einspielungen von „Ziltoid TV“, moderiert von Townsends grünschuppigem Alien- Alter Ego, das sich Fangzähne fletschend durch die Milchstraße blödelte.
Schließlich stolziert der kahlschädelige Townsend bewaffnet mit einer LED-erleuchteten Gitarre auf die Bühne und verzaubert seine Anhänger gleich zu Beginn mit dem megabombastischen „Fallout“ vom jüngsten Album „Z2“, das Metal, Pop und New Wave fugenlos verzahnt. Dann schalten Townsend und seine vierköpfige Band gleich ein paar Gänge hoch: Weiter geht es mit dem Ministry-haften Industrial-Brecher „Namaste“, der mit seinen Podracer-schnellen Doppelbass-Manövern auch noch in den hinteren Reihen die Hypophysen zum Vibrieren bringt. Euphorisch bejubelt wird „Night“ vom Klassiker „Ocean Machine: Biomech“, Townsends erstem Soloalbum, nachdem er seine Kult-Kombo  Strapping Young Lad im Jahr 2007 ins Outer Rim verbannt hatte.
Bei aller Euphorie fällt auf, dass Townsend, der gesanglich normalerweise zwischen keifendem zischen, bizarrem Grunzen und Falsett zu wechseln in der Lage ist, Stimmprobleme hat und manche Songs so tief ansetzt, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Er entschuldigt das humorvoll schlagfertig mit dem Umstand, dass er mit jedem Lebensjahr mindestens drei Töne seines Stimmumfangs verliere. Townsend ist immerhin schon 42. Das heißt indes nicht, dass er unbedingt schlechter singt, aber eben anders.
Trotz dieser Misslichkeit ist Townsend offenbar bester Laune. „Ich habe heute einfach Lust Musik zu spielen“, verkündet er. Das schlägt sich auch in der Stelist nieder: Allein vier Songs kommen vom „Party“-Album „Addicted“,  während Stücke vom  atmosphärischeren „Ki“  ebenso außen vor bleiben wie das superkomplexe „Deconstruction“-Material.  Townsends musikalische Vielseitigkeit bleibt trotzdem beeindruckend. Sie reicht von theatralisch überladenen Weltraumwalgesängen, über Kampfroboter-Marschmusik und  brachialeruptive Gewaltausbrüche, bis hin zu purem „Mars Attacks!“-Trifft-auf-Frank-Zappa-Klamauk.  Etwa wenn Townsend mit „Heatwave“ plötzlich (Space)Country- und Boogie-Klänge anstimmt. Oder wenn beim genial kitschigen „Lucky Animals” auf Kommando die die ganze Halle mit den Jazz-Hands winkt.  Optisch untermalt wird diese akustische Wurmlochdurchquerung mit ähnlich abgepfiffenden Videosequenzen. Auf den Leinwänden regnen mal Patronenhülsen hernieder, mal drehen Ballett tanzende Gorillas ihre Pirouetten.
Zugegeben: Auf Dauer ist es ganz schön ermüdend, mit Townsend bei seinen wilden Sprüngen zwischen Quatsch und Pathos Schrittzuhalten. Dafür sieht man so ein Konzert aber auch nicht alle Tage.


Donnerstag, 5. März 2015

They Ain't Makin' Jews Like Kinky Anymore!


Ein Mann, ein Hut: Kinky Friedman. Foto: Promo
Autor, Musiker, Humorist, Politiker, Cowboy und sogar Philosoph: Kinky Friedman hat in seinem Leben schon viele Rollen gespielt. Der 70-Jährige hat knapp zwei Dutzend Kriminalromane geschrieben, war mit Bob Dylan auf Tour und mit seiner Band, den Texas Jewboys, erfolgreich. Berühmt, oder besser berüchtigt, wurde Friedman in den 70ern mit schrillen Westernsong-Parodien wie "Get Your Biscuits in the Oven and Your Buns in Bed" oder "Ride ´em Jewboy". 2006 kandidierte er erfolglos als Gouverneur von Texas. Früher hätte man einen wie Kinky Friedman einfach ein Unikum genannt. Eine Type, die die Stammgäste in der Eckkneipe für ein paar Schnäpse mit so oft gehörten wie selten geglaubten Geschichten unterhält. Egal in welcher Funktion er gerade unterwegs ist, Kinky Friedman hat aus dem Part des komischen alten Kauzes eine ganze Karriere gemacht. Jetzt steht „Der Kinkster” wie er sich selbst gerne nennt auf der Bühne im großen Saal des Jubez und erklärt mit einem Glas in der Hand und einem enormen schwarzen Stetson auf dem Kopf, wie man auf Texas-Art Tequila trinkt.
Ihr legt eine Line aus Salz, schnupft das Salz, träufelt euch die Zitrone ins Auge – dann stürzt ihr den Schnaps hinunter. Früher habe er Guiness bevorzugt, erklärt Friedman, aber davon sei er abgekommen. „Denn schließlich hat nur das Guiness die Iren davon abgehalten, die Weltherrschaft zu erringen.“ Tequila hingegen sei die flüssige Entsprechung von Barry Manilow: „Er gibt dir für ein sehr gutes Gefühl – für eine sehr kurze Zeit.
Erfrischt vom „mexikanischem Mundwasser“ stimmt Friedman Woody Guthries berühmte Outlaw-Motitat "The Ballad of Pretty Boy Floyd” an, einem in den 1930er Jahren populären Bankräuber mit sozialer Ader. Es folgen ein paar Witze über Politiker: „Poli heißt viele und Tics (engl: Läuse, Anm. d. Verf.) sind blutsaugende Parasiten!“ Und Wahlkampfanekdoten: „Wenn ich sterbe, möchte ich, dass meine Asche im Haar von Rick Perry (bis 2015 Gouverneur von Texas, Verf.) verstreut wird.“ Sowie der eine oder andere Schwank aus der Kindheit: „Ich wurde in Chicago geboren, lebte dort ein Jahr und fand keine Arbeit. Dann zog ich nach Texas, wo ich seither auch nicht gearbeitet habe.“
Natürlich dürfen auch die größten Hits nicht fehlen: "They Ain't Makin' Jews Like Jesus Anymore", ein Song in dem Kinky verbal und physisch einen weißen Rassisten zurechtweist, der in einer Bar Schwarze, Juden und Griechen beleidigt. Und "Get Your Biscuits in the Oven and Your Buns in the Bed", ein Song der den Feminismus auf die Schippe nimmt und Friedman einst den "Male Chauvinist Pig Award" der National Organization for Women eingebracht hat. „Ein Preis auf den ich noch heute sehr stolz bin!“
Man sollte allerdings nicht den Fehler begehen, den Kinkster für einen bloßen Blödelbarden zu halten: Dwight Yoakams „Rapid City, South Dakota“, „vielleicht der Einzige Country Song, der das Recht auf Abtreibung befürwortet“ macht betroffen. Merle Haggards “Hungry Eyes“, das die hoffnungsvolle Verzweiflung einer amerikanischen Trailer-Trash-Familie in düstere Worte fasst gerät ihm anrührend. Ebenso "The Ballad of Ira Hayes". Der durch Johnny Cash bekanntgewordene Folk-Song von Peter La Farge erzählt die Geschichte Ira Hayes, einem von sechs US-Soldaten, die mit dem Hissen der Flagge auf Mount Suribachi während der Schlacht um die Pazifikinsel Iwo Jima im zweiten Weltkrieg Ruhm erlangten. Kriegsheld Hayes, ein Pima Indianer, ertrank später im Suff in einer Pfütze.
Als die Zeit zum Abschied naht und tippt Friedman noch einmal an die Krempe seines Hutes Schwarzer und stolziert im sich bauschenden schwarzen Gehrock Hände-Schüttelnd und den erhobenen Zeige- und Mittelfinger zum Siegeszeichen spreizend in den Sonnenuntergang, Verzeihung, aus dem Saal. „Wenn Sie heute Abend noch fahren müssen – vergessen sie ihr Auto nicht!“ Kinky Friedman vereint die phrasendrescherische Talkshow-Eloquenz des Politikers mit dem Charme des liebenswerten Aufschneiders und der Glaubwürdigkeit des Streiters für eine bessere Welt. Er ist und bleibt ein Original!