Posts mit dem Label Prog werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Prog werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 12. Juni 2016

Breitwand-Gefrickel - Futile veröffentlichen „Fractured Divine“



Futile on Stage. Foto: Stephan Unkhoff
Mächtige Riffs, packende Melodien, progressive Rhythmik, originelles Songwriting und virtuose Instrumenten-beherrschung: Seit zehn Jahren gehören Futile zu den qualitativ besten Bands Süddeutschlands. Jetzt hat das badisch/pfälzische Alternatic-Prog-Kollektiv sein viertes Album herausgebracht. Kein schlechter Schnitt, wenn man bedenkt, was für komplexe und teilweise frickelige Musik Futile spielen. 

"Wir sind jetzt Vielfältiger!"


Zweieinhalb Jahre habe die Band am neuen Material für „Fractured Divine“ gefeilt, sagt Dominik Schaetzel. Nebenher mussten auch noch ein zweiter Gitarrist und ein neuer Bass-Mann integriert werden, schildert der Gitarrist die nicht gänzlich unkomplizierte Entstehungsgeschichte des aktuellen Langspielers. Das Integrationsprojekt ist offenbar geglückt: Seit Futile nach nur einjährigem Bestehen 2007 das Karlsruher New Bands Festival gewonnen hatten, ist die Band hörbar noch gereift. „Wir sind jetzt vielfältiger“, meint Schaetzel.
Hatte der verschachtelte Alternativ Rock früher noch klassischen Gitarren-Antrieb, laufen Futile jetzt Hybrid-betrieben: „Es gibt jetzt verschiedene musikalische Ebenen“, erläutert Schaetzel die Umrüstung. Waren ältere Futile-Songs eng verflochtene Riff-Gewebe, sind die aktuellen Kompositionen eher kaleidoskopisch zu nennen. Jetzt geben die Gitarren streckenweise fast Keyboard-artige Sounds von sich, die sich übereinander legen und gegeneinander verschieben.
Zusätzliche Farben verleiht dem Futile-Sound der etwas gewöhnungsbedürftige, durchdringende Tenor von Sänger Oliver Reinecke, der mitunter von aggressiven Screams unterbrochen wird.  „Wir haben schon immer lange Songs geschrieben, aber jetzt sind sie weniger proggy, sondern gehen fast schon in die Art-Rock-Richtung“, findet Schaetzel. Geplant sei das vorher nicht gewesen, beteuert der Gitarrist. „Wir nehmen uns beim Komponieren nix vor.“ Es habe sich einfach so ergeben. 

Isis-Drummer Aaron Harris mixte


Während beim Album „7 Nightmares“ kein Geringerer als der Blackmail-Gitarrist Kurt Ebelhäuser an den Reglern saß, wurde „Fractured Divine“ in Karlsruhe im Studio von Andreas Schorpp eingespielt. „Aufgenommen haben wir live alle zusammen in einem Raum“, erzählt Schaetzel. Das habe sich positiv in der ganz speziellen Atmosphäre der Songs niedergeschlagen, findet er. Szene-Veteran Schorpp hat schon vielen bekannten Bands aus der Region unter die Arme gegriffen, wie etwa die Düsterrocker Shy Guy At The Show oder The Starfuckers. Das Mischen hat laut Schaetzel der ehemalige Isis-Drummer Aaron Harris übernommen. Auch kein unbekannter in der Post-Rock-Szene.
Doch nicht nur Inhaltlich kommt der neue Futile-Silberling edel daher, auch bei der Verpackung war man kreativ: „Fractured Divine“ kann der Fan in drei verschiedenen Ausführungen ordern. Die CD kommt dann im hochwertigen Papierumschlag mit einem von drei individuell gestalteten Covern ins Haus, die sich sowohl vom Motiv als auch von der Farbe her unterscheiden. „Es gibt gold, blau und rot“, sagt Schaetzel. Zusätzlich werden die Schätze einzeln von Hand versiegelt. „Jetzt hocken wir Tag für Tag stundenlang im Bandraum und versiegeln mit Wachs, Goldstift und Stempel CDs“, berichtet Schaetzel und lacht. Deshalb ist er ganz froh, dass diese Serie auf 1000 Stück limitiert ist. „Man muss den Käufern heute schon etwas bieten, aber wenn wir diese Auflage verkauft haben, lassen wir uns was anders einfallen“, sagt der Gitarrist. Wahrscheinlich etwas nicht ganz so aufwendiges. Natürlich ist „Fractured Divine“ über alle gängigen Portale auch digital erhältlich. Felix Mescoli

Mehr Info:


Donnerstag, 12. März 2015

Der Metal Alchemist - Devin Townsend live

Wandelbar: devin Townsend

Devin Townsend gilt als der verrückte Professor des Metal. Diese beschreibung ist allerdings nicht ganz treffend. Denn wie der Multiinstrumentalist aus Bruchstücken von Metal, Psycheldelic, Prog, Jazz-Rock und Ambient ein stimmiges Ganzes amalgamiert, ist wissenschaftlich gerade nicht zu erklären. Sondern im Gegenteil nur dadurch, dass irgendeine übergalaktische Macht dem Kanadier das Geheimnis der Transmutation von Elementen eingeflüstert hat, nach dem die Alchemisten des Mittelalters jahrhundertelang gesucht hatten. Erleben konnten für neureligiöse Ansichten  Aufgeschlossene das am Freitag im Musikclub Substage, wo der hochaufgeschossene Glatzenträger aus British Columbia auf seiner „Chaos in The Skies – Tour" andockte.
Passend eingestimmt wurden die in großer Zahl herbeigeströmten Schaulustigen auf das bevorstehende Opus Magnum von verstörendem Black Jazz der Norweger Shining und vertracktem Metal der US-Progger Periphery. Die Umbaupause wurde überbrückt von über die Bühnenleinwand flimmernden Einspielungen von „Ziltoid TV“, moderiert von Townsends grünschuppigem Alien- Alter Ego, das sich Fangzähne fletschend durch die Milchstraße blödelte.
Schließlich stolziert der kahlschädelige Townsend bewaffnet mit einer LED-erleuchteten Gitarre auf die Bühne und verzaubert seine Anhänger gleich zu Beginn mit dem megabombastischen „Fallout“ vom jüngsten Album „Z2“, das Metal, Pop und New Wave fugenlos verzahnt. Dann schalten Townsend und seine vierköpfige Band gleich ein paar Gänge hoch: Weiter geht es mit dem Ministry-haften Industrial-Brecher „Namaste“, der mit seinen Podracer-schnellen Doppelbass-Manövern auch noch in den hinteren Reihen die Hypophysen zum Vibrieren bringt. Euphorisch bejubelt wird „Night“ vom Klassiker „Ocean Machine: Biomech“, Townsends erstem Soloalbum, nachdem er seine Kult-Kombo  Strapping Young Lad im Jahr 2007 ins Outer Rim verbannt hatte.
Bei aller Euphorie fällt auf, dass Townsend, der gesanglich normalerweise zwischen keifendem zischen, bizarrem Grunzen und Falsett zu wechseln in der Lage ist, Stimmprobleme hat und manche Songs so tief ansetzt, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Er entschuldigt das humorvoll schlagfertig mit dem Umstand, dass er mit jedem Lebensjahr mindestens drei Töne seines Stimmumfangs verliere. Townsend ist immerhin schon 42. Das heißt indes nicht, dass er unbedingt schlechter singt, aber eben anders.
Trotz dieser Misslichkeit ist Townsend offenbar bester Laune. „Ich habe heute einfach Lust Musik zu spielen“, verkündet er. Das schlägt sich auch in der Stelist nieder: Allein vier Songs kommen vom „Party“-Album „Addicted“,  während Stücke vom  atmosphärischeren „Ki“  ebenso außen vor bleiben wie das superkomplexe „Deconstruction“-Material.  Townsends musikalische Vielseitigkeit bleibt trotzdem beeindruckend. Sie reicht von theatralisch überladenen Weltraumwalgesängen, über Kampfroboter-Marschmusik und  brachialeruptive Gewaltausbrüche, bis hin zu purem „Mars Attacks!“-Trifft-auf-Frank-Zappa-Klamauk.  Etwa wenn Townsend mit „Heatwave“ plötzlich (Space)Country- und Boogie-Klänge anstimmt. Oder wenn beim genial kitschigen „Lucky Animals” auf Kommando die die ganze Halle mit den Jazz-Hands winkt.  Optisch untermalt wird diese akustische Wurmlochdurchquerung mit ähnlich abgepfiffenden Videosequenzen. Auf den Leinwänden regnen mal Patronenhülsen hernieder, mal drehen Ballett tanzende Gorillas ihre Pirouetten.
Zugegeben: Auf Dauer ist es ganz schön ermüdend, mit Townsend bei seinen wilden Sprüngen zwischen Quatsch und Pathos Schrittzuhalten. Dafür sieht man so ein Konzert aber auch nicht alle Tage.


Dienstag, 3. Februar 2015

Kuchen Satt - Backen mit Mother´s Cake


Das neue Live-Album von Mother´s Cake.
Warum kommen die durchgeknallten Bands eigentlich immer aus den Alpenländern? Vermutlich weil der dortigen Jugend während sie alle halbe Jahre für sechs Monate in irgendwelchen finsteren Bergtälern eingeschneit ist, nicht viel anderes übrigbleibt, als Papas Plattensammlung durchzuhören und Gitarre zu üben – außer vielleicht die Wahl zwischen dem Fuß des Kreuzes und dem Lauf einer SIG 550. In diesem Zusammenhang sei auf die Schweizer Psycho-Progger ARF, die Österreichischen Politrocker Drahdiwaberl oder die alpenrepublikanischen Eiter Metal-Pioniere Pungent Stench verwiesen. Mother's Cake, die am Freitag im Jubez spielten, reihen sich, was musikalische Freigeistigkeit angeht, in diese anrüchig illustre Ahnengalerie nahtlos ein.
Verschlungen wie ein Wiener Mohnkranzerl und vielschichtig wie Baumkuchen sind die Kompositionen des Trios. Das musikalische Rezept der  jungen Zuckerbäcker lautet dabei wie folgt: Ein Pfund feinmehlige Pink Floyd vermengen mit grobkörnigem Ten-Years-After-Power-Rockkandis und das Ganze mit uriger Soundgarden-Monster-Riff-Hefe für eine halbe Stunde gehen lassen. Derweil ein halbes Dutzend dicker Bestie-Boys-Eier aufschlagen, mit 300 Gramm I-am-the-Walrus-Ära-Beatles vermengen und die Mischung mit dem Bootsie-Collins-Funkbesen schaumig schlagen. Dann 100 Milliliter Jam Rock mit drei Esslöffeln Jamiroquai glattrühren und Masse unter Hinzugabe kleingehackter Jazzakkorde unterheben. Eine möglichst synkopische Kuchenform mit Mars-Volta einfetten und mit dem Teig auskleiden.  Darein die Füllung geben und im Ofen auf Stufe MC5 für 30 Minuten backen. Kuchen herausnehmen und mit ein wenig Jack White glacieren. Noch warm servieren.
Das erstaunlichste an diesem Rezept: Es schmeckt – und wie am Freitag zu sehen war ganz besonders jungen Leuten, nicht bloß den ergrauten Jungs vom Prog-Rock-Kaffeekränzchen-Stammtisch im Eck in der Konditorei.
Kostproben von Mutter´s Kuchen gibt es hier, hier und hier.

Samstag, 4. Mai 2013

Musikalischer Ego-Shooter - Amplifier



Klein gibt es nicht bei Amplifier. Zwar verbeugen sich die Prog-Rocker aus Manchaster auf ihrem aktuellen Longplayer „Echo Street“ mehr vor den sphärischen Pink Floyd als den Hochbauingenieuren Rush, live aber  ist das Trio an diesem Dienstag, 30. April, im Substage zum Quintett aufgeblasen. Und die dreiköpfige Sechs-Saiten-Hydra entfacht Gitarrenstürme, die in der Lage sind, nicht nur ein Paar baufällige Farmhäuser, sondern  gleich eine mittelgroße Landstadt in magischeLänder zu katapultieren.
Doch wir greifen vor. Den Anfang im trotz Europapokalschlager recht gut besuchten Club macht Charlie Barnes. Nur in Begleitung einer Akkustik-Gitarre taucht er plötzlich mitten im Publikum auf. Erstmal Skepsis! Doch entpuppt sich der schmächtige Brite schnell als wahrer Einmann-Symphoniker. Mit elektronischer Hilfe singt er mit sich selbst im Kanon und unterlegt die Chöre mit fein vor aller Augen und Ohren verwobenen Klangteppichen. Beeindruckend!
Dann betreten Sel Balamir und seine Collaborateure die Bühne. Überraschend: Der Sänger und Songwriter hat sich vom Zausel im T-Shirt zum akkurat frisierten Hemdträger gewandelt. Doch vom feinen Zwirn soll man sich nicht täuschen lassen! Amplifier sind Schwerarbeiter. Ein ums andere Klanglabyrinth von nahezu daidalischer Komplexität errichten sie, durch dass sich ein anabol aufgepunpter Sgt. Pepper den Weg gegen allerlei ausgeflippte Kreaturen – sie haben rosa Tentakel – freiboxen muss. Den Soundtrack  zu diesem musikalischen Ego-Shooter bilden Riffs, so bedrohlich wie ein ausser Kontrolle geratener Öltanker – ins Bild passend: als zusätzlicher Gitarrist ist Steve Durose, von den inzwischen aufgelösten Oceansize dabei –  auf dessen Brücke sich gerade Yes und ELP, den totalen Riss geben – egal, wohin die Reise geht. Don´t try this at home, kids! Oder anders gesagt, für Menschen, die zu epileptischen Anfällen neigen, ist das hier nix! Zum Glück nimmt man regelmäßig Dampf vom Kessel und dümpelt ein wenig auf dem topographischen Ozean herum, bevor es erneut mit Rammgeschwindigkeit weitergeht.
Klar, auf Dauer wirkt das ewig wiederkehrende Laut-dann-wieder-leise-Spielchen etwas eintönig, aber man  muss doch eines sagen: auf jeden Gewittersturm folgt Sonnenschein. Wer wollte sich darüber beschweren!

Montag, 11. März 2013

Keine Weltraumaffen: Kong



Ein Konzert von Kong gleicht einem Museumsbesuch. Die Musiker stehen nicht gemeinsam auf der Bühne, sondern jeder auf seinem eigenen Sockel frei im Raum, wie Skulpturen in einer Glyptothek; kreuzförmig angeordnet. Der Besucher kann zwischen den Musealien herumspazieren, beliebig vor ihnen verweilen und sich so sein eigenes Klangbild komponieren. Der Aufbau sollte allerdings nicht dazu verleiten, die Amsterdamer Quadrophoniker für schöngeistige Soundmaler zu halten. In dieses Museum geht man am besten mit zugenähten Augenliedern und am Schädelknochen festgenieteten Kopfhörern. Am vergangenen Freitag war die groteske Wanderausstellung im Substage zu hören.
Wie mit eisigen Lasern projizieren Mark Drillich, der irre Kurator, und seine drei Museumsmitarbeiter ihre musikalischen Gemälde dort direkt auf die Cortex. Verstörend sind die Bilder, wie die gezeichneten Lästerlichkeiten von Félicien Rops. Aber gleichzeitig titanisch wie Raumschiffe von Peter Elson und John Berkey, über Fritz Langs dystopische Robotterstädte donnernd – angetrieben vom Schub höllischer Grooves. Zusammengehalten werden diese enormen Gebilde von technisch ausgeklügelten Arrangements. Doch klaffen in den Stahlblauen Gitarrenwänden immer wieder Lücken für atmosphärische Samples, abwechslungsvolle Keyboards und Anklänge britischer Elektronik-Tonkunst.
Solche monumentalen Raumkreuzer beim Durchbruch der Warp-2-Barriere auf Kurs zu halten ist für die Mannschaft Schwerstarbeit. Die erledigt sie aber souverän: Wie ein Hightech-Hephaistos schuftet David Kox abwechselnd an seiner Gitarre und seinen Tastaturen. Tijs Keverkamp entlockt seiner halbakustischen ES-335 Klänge, für die sie die Firma Gibson sicherlich nicht konzipiert hat. Drillich bearbeitet seinen Bass derart kraftvoll, dass ihm die Adern auf der hohen Stirn auf die Ausmaße von Baron Vladimir Harkonnen Pusteln im Film Dune anschwellen. Ersatz-Schlagzeuger Stef Broks (Textures)  hingegen hat sich wie ein Sith in seinen Kapuzenpulli zurückgezogen und konzentriert sich voll auf seine machterfüllten Polyrhythmen. Fantastisch!
Die Musik von Kong verhält sich zum Gros der instrumentalen Postrock- und Prog-Protagonisten wie die Industrie-Landschaften von Oliver Jordan zum Ausstoß eines Wochenend-Malkurses an der Volkshochschule. Man will, dass diese Lieder nicht aufhören, man wünscht, von diesen vertonten Acid Trips gäbe es keine Wiederkehr, man giert danach, immer noch hinter den nächsten Spiralnebel schauen. Schade dass diese Band auch nach 25 Jahren Weltraum-Odyssee nur eine so schmale Zielgruppe erreicht, dass sich beim Start gerade mal 60 Mitreisende einfinden. Reif fürs Museum sind Kong trotzdem noch lange nicht – soweit ist es frühestens 2143.