Donnerstag, 27. Juni 2013

Goatess - Wiegenlieder für die Ziege von Mendez

Foto: Svart Records
Chritus "Chritte" Linderson war Gründungsmitglied der Schweden-Doomster Count Raven, ist aber auf keinem offiziellen Release zu hören (für den „Ozzy-Gesang“ auf den Klassikern „Storm Warning“ und  „Destruction of the Void“ war Gitarrist Dan „Fodde“ Fondelius verantwortlich), da er Anfang der 90er in die USA übersiedelte, um bei Saint Vitus den zu The Obsessed zurückgekehrten Scott „Wino“ Weinrich zu ersetzen. Eine unglückliche Ehe, denn die Frucht dieser Verbindung, das (sehr melodische) „C.O.D.“-Album, wurde von vielen Fans als zu kommerziell abgelehnt – zu Unrecht, wie ich finde, aber das ist eine andere Geschichte.
Danach war Linderson offenbar noch bei anderen Bands aktiv (genannt werden Terra Firma und Lord Vicar), ich muss aber gestehen, dass die an mir komplett vorbeigegangen sind. Jetzt jedenfalls meldet sich der Mann mit neuer Formation und neuem Album auf Svart Records zurück: Goatess nennt sich das Baby und seine Lebensäußerungen sind überaus Hörenswert. Gitarrenmäßig ist das selbstbetitelte Debüt stark von Lindersons musikalischer Früherziehung, also dem spartanischen aber effektvollen Zeitlupenspiel der Herren Chandler und Fondelius geprägt. Das sorgt für anheimelnde Depri-Atmosphäre, die durch ein paar Tropfen Lysergsäure, trippige Hippie Sounds (Citar-Jams, Tablas, schwurbelige Samples) und Lindersons ausdrucksstarken und klangvollen Gesang – hier könnte sich zum Beispiel Felipe Plaza von den so hochgelobten Procession noch ein dickes Scheibchen abschneiden – noch psychoaktiv verstärkt wird. Ein ganz feines Stück Schneckenmusik, an dem nicht nur die Ziege von Mendez ihre helle Freude haben wird! Genrefans sollten ab 5. Juli zugreifen.

Foto: Svart Records


Mittwoch, 26. Juni 2013

Chicken Diamond - Sodomistische Handlungen bei Mondenschein




Wer glaubt, Franzosen arbeiteten nur drei Stunden und während des übrigen Tages tränken sie lediglich Rotwein, rauchten Rothändle und hörten schwülstige Chansons, hat zweifellos Recht. Aber es gibt wie immer Ausnahmen: Chicken Diamond säuft gallonenweise Bourbon, kaut Tabak und spuckt Gift und Galle. Beruflich aktiv ist er exakt 60 Minuten am Tag – von 24 bis 1 Uhr – Geisterstunde. In dieser Zeit spielt er dann im Alleingang frevelhafte Blues-Platten wie „Chicken Diamond II“ (Beast Records/Cargo) ein. Der heisere Lycanengesang ist untermalt mit einer böse plingernden Gitarre, im Untergrund werkelt eine Kapelle versklavter Geister an Bassloops und Drum-Maschine. Gefährlich klingt diese Ein-Mann-Band, wie Howlin Wolf, knochentrocken wie ZZ Top, ruchlos wie La Muerte und gemeinschaftsschädigend wie Zodiac Mindwarp. Als Begleitmusik für sadistisch-sodomistische Handlungen an Unschuldigen beiderlei Geschlechts im Mondenschein ideal!

Dienstag, 25. Juni 2013

Civil Civic - Dick Dale auf dem elektrischen Stuhl spielt Walgesänge

„Habt ihr Lust, ein wenig Popmusik zu hören?“, fragt der kleine Römer mit dem schwarzen Trägershirt und der 80er Pornowelle (wäre Prince schwul und wollte sich als Italiener verkleiden, er wählte genau dieses Kostüm) die Leute, die am Samstag in die Halle 14 im Karlsruher Rheinhafen gekommen sind, um das australische Elektro Punk-Duo Civil Civic zu sehen. Klar, warum nicht? 
 
Höllenmaschine: "The Box" von Civil Civic

Dann beginnt Cascao zum selbstgemachten Elektrogedudel aus dem Minikeyboard zu quinquilieren. Steinerweichend klingt das, wie  der Schwanengesang einer Nachtigall im Discofieber. Oder Blondie mit billigen von Graf Zahl bedienten Geisterbahnsynthies. Hilft bestimmt auch gegen schrundige Füße. 
Meint der das ernst? Steht zu befürchten! Ist das vielleicht Berlusconis Rache dafür, dass Merkel und Sarkozy die Frage nach seiner Verlässlichkeit mal mit einem Lächeln beantworteten? Absolut möglich! Andererseits: Trotz seines kakophonischen Vortrags schafft es Cascao rundweg liebenswert rüberzukommen. Diese Diskrepanz zwischen Tinnitus und Anteilnahme erzeugt beim Hörer eine innere Zerrissenheit, die sich rein intellektuell betrachtet auch als künstlerischer Mehrwert ansehen ließe. 
Ähnlich verhält es sich mit Le Truc und die Maschine. Die Vorführung  des italienisch/serbischen Duos ließe sich mit „zwei Hennen machen Katzenmusik“ subsumieren. Hätte man Pippi Langstrumpf und ihrer leicht wunderlichen älteren Schwester eine elektronische Orgel und eine verstimmte Gitarre in die Hand gegeben, das Ergebnis bumströtete vermutlich nicht viel anders: Synthie-Sadismus, Heimorgel-Hirnriss und  Chaos-Karaoke. 
Experimenteller Elektropop nennt sich das dann, ist in Wahrheit aber nichts anderes als profaner Zeitvertreib für Leute, die tagsüber Urban Gardening oder Guerilla-Stricken betreiben und abends in Clubs ihre Club-Mate-Flaschen halb leer trinken und dann mit Wodka wieder auffüllen lassen. Trotzdem ganz witzig bis irrwitzig. 
Effektvoll geht es weiter: Bass, Gitarre, zwei vollgestopfte Pedalboards und „The Box“, eine Drum- und Lichtmaschine, die mit ihren blinkenden Pegelmessern aussieht wie die Frontpartie von K.I.T.T. aus Knight Rider. Mehr brauchen Aaron Cupples und Ben Green aus Melbourne, alias Civil Civic, nicht, um ein Soundinferno zu entfachen, als hätten japanische Mechatroniker Dick Dale auf dem elektrischen Stuhl das Hirn rausgebruzzelt, ihm stattdessen das von Richard Lloyd eingesetzt und ihn dann mit mächtig frizzeliger Distortion Voodoo-Walgesänge nachspielen lassen. Packend ist das und gleichzeitig so Tanzbar, dass beim Publikum die Hüte fliegen. In Australien wissen sie halt wir man rockt.
 

 

Samstag, 22. Juni 2013

Lemmy bekommt Defibrillatör eingepflanzt

Dass er erst zurückstecken würde, sobald ihn der Tod persönlich ins Jenseits befördert habe, hatte Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister ja schon vor geraumer Zeit angekündigt. Genauer gesagt 1984 als die Band mit „Killed by Death“ auf Platz 51 der UK Singles Chart kletterte. Dass der unverwüstliche Slawenhaken-Enthusiast einen nicht gerade asketischen Lebenswandel pflegt, ist allerdings auch kein Geheimnis: „Ich bin toxisch. Wer mein Blut bekommt, fällt um.“ Damit Lemmy so bald nicht aus den weißen Pantinen kippt, wird die mit reichlich Whiskey und Amphetaminen angereicherte Giftbrühe nun mit technischer Hilfe durch seine Adern gepumpt.
Wie die Sprecherin der Band dem Big Rock Blog bestätigte, bekam der 67-Jährige in seiner Wahlheimat L.A. bereits im März einen Defibrillatör eingesetzt. Der Apparat dient sozusagen als Notstarter, sollte das Herz einmal aussetzen. Der Eingriff erfolgte, nachdem während Lemmys alljährlichem Diabetes-Check-up Herzprobleme erkannt worden waren.
Einen Infarkt habe der Musiker aber definitiv nicht erlitten. Das Krankenhaus habe er schon nach wenigen Tagen wieder verlassen und die Aufnahmen zum für September angekündigten neuen Album "Aftershock" fortsetzen können. „Lemmy geht es gut, er hat sich zu dem Schritt entschieden, da er ganz sicher noch einige Jahre touren will“, sagte sie.
Insgesamt keine große Sache also? Lemmys gewohnt bissiger Kommentar zur überstandenen OP: “Normalerweise hätte ich das während Mikkey´s Drum-Solo gemacht. Aber ich bin kein junger Hüpfer mehr und mit zunehmendem Alter nicht mehr so beweglich. Noch vor zehn Jahren hätte ich mich der Prozedur während MEINES Bass-Solos unterzogen.“
Vor und nach dem erfolgreichen Eingriff habe der Sänger sich mit seinem Kumpel Slash ausgetauscht. Der wesentlich jüngere Ex-Guns´N´Roses Gitarrist hat bereits seit 12 Jahren ein solches Gerät in der Brust. Vergleiche, wer nun den Längeren [Reißverschluss zwischen den Brustwarzen] habe, seien aber nicht angestellt worden. Lemmy sei außerdem zuversichtlich, im Gegensatz zum mittlerweile abstinenten Zylinderträger, nicht auf Liebgewonnene (Trink)Gewohnheiten verzichten zu müssen. Er habe schließlich das neuere technisch ausgereiftere Modell.

Samstag, 15. Juni 2013

Rock´n´Roll-Volkskongress: La Vela Puerca live im Tollhaus


Schock! Vor dem Tollhaus tummeln sich lauter gepflegt wirkende ältere Herrschaften im Sonntagsstaat: Bügelfalte in der Hose, längsgestreifte Hemden mit halbem Arm und all sowas. Ist heute gar nicht Mittwoch oder haben sich La Vela Puerca inzwischen ganz neue Zielgruppen erschlossen? Ach so, im großen Saal spielt zeitgleich die New Church Band. „Pop und Gospel“, verheißt das Plakat. Uh, ganz fiese Mischung. Aber sollen sie doch, wenn´s selig macht. Ich gehe dann mal lieber nach nebenan, was?
Im Club tobt schon mächtig der (Tanz)Bär. Band und Publikum sind bereits voll in Fahrt – Richtung Hitzetod. Im Raum steht schwitziger Dunst wie im Regenwald des Amazonasbeckens. Sogar beim Herumstehen wird das T-Shirt vom Körpersaft durchweicht – es steht aber gar niemand still. Im Gegenteil: Leute verlieren beim Tanzen schon die Schuhe. Es geht Schlag auf Schlag. Pausen zwischen den Songs? Gibt es nicht. Ufta-ufta-ufta-ufta ohne Unterlass. Doch sind La Vela Puerca keine typischen Ska-Hupfdolen: Statt atemlosem Bläser-Gehupe und hibbeligem Off-Beat-Geschrammel, gibt es bei der Truppe aus Montevideo gleißende Gitarrensoli und straighte Beats. Rockmusik ist das, feurig wie zu Santanas besten Zeiten. Puh, vielleicht bald mal rüber zur New Church Band, bisschen auskühlen.
Aber zum Verschnaufen ist später noch Zeit. Das hier macht zu viel Spaß: Frontmann Sebastián Teysera, der aussieht wie ein mexikanischer Bandit, der Bart struppig, das Hemd ohne Arm, die Tätowierungen ausgebleicht, reckt immer wieder provokatorisch die sonnengebräunte Faust in die Höhe. Der Mann singt mal schwermütig, mal fröhlich, mal kämpferisch. Aber  aus seinem Mund klingt selbst das profanste „Lalala“ wie ein Text von Hanns Eisler.
Da kriegt man glatt Lust, ein paar Autoreifen anzuzünden und die herrschenden zu schmähen. Die Uruguayer sollten wirklich mal ein Konzert auf dem Taksim-Platz in Istanbul geben. Da würden sie die Staatsmacht schwindlig spielen und dem lustfeindlichen Obermufti Erdogan mit ihrer feurigen Brass-Sektion mal so ordentlich den Marsch blasen, dass ihm der Stalin-Schnauzer wackelt. Wäre das nicht ein toller Ulk?
Vielleicht würde das bei dem knüppelfreudigen Premier ein wenig mehr Verständnis für die Jugendbewegung im Allgemeinen und die Frauenbewegung im Besonderen wecken. Die lässt sich hier nämlich besonders gut studieren: schlängeln, ringeln, schlingeln, wiegen, springen, taumeln, torkeln, trudeln. All das gehört zum Anarcho-Zirkeltraining. Eine Dame tritt im Überschwang sogar das Bier des Rezensenten um. Ein Lächeln, ein Schulterzucken – kein Ersatzbier. Tsetsetse, also das hätte es bei der New Church Band nicht gegeben!
Auch auf der Bühne wird die Lage allmählich unübersichtlich: Der Sänger wechselt ans Schlagzeug, der Percussionist an den Gesang, dann der Sänger wieder an die Gitarre, ein weiterer Sänger kommt hinzu und plötzlich gibt es drei Gitarristen – aber ganz am Ende verbeugen sich nur sieben Leute. Ist das die Hitze, die Dehydratation? Was solls, ein Rock-Konzert ist schließlich kein Bibel- und Erholungsheim. Und das Publikum? Klatscht zum Finale dieses Rock´n´Roll-Volkskongresses, erfüllt vom revolutionären Geist Simón Bolívars, frenetisch Beifall.


Dienstag, 11. Juni 2013

Spanischer Ufftata: Argies live in der Alten Hackerei


Die Revolution fällt heute aus – mangels Masse! Denn nur  etwa dreißig Leute sind an diesem Donnerstagabend in die Alte Hackerei im Kreativpark auf dem ehemaligen Schlachthofgelände in Karlsruhe gekommen, um das Konzert der argentinischen Punk-Band Argies zu sehen. Und eine ordentliche Masse, das weiß jeder, ist für umstürzlerische Aktivitäten jedweder Natur nun mal unverzichtbar. Doch von solchen Nebensächlichkeiten lassen die vier Latinos den Freiheitskampf nicht vermiesen, innbrünstig schmettern sie ihre Parolen in den halbleeren Raum.
 
Argies: Straßenkampf zum Mitsingen
Wogegen die Jungs eigentlich sind, muss dem Nicht-Hispanophilen naturgemäß verborgen bleiben, selbst wenn er die Sprachbarriere so unverzagt berennt, wie einen Polizei-Kordon beim Castortransport. Aber die Vermutung, „gegen Alles!“, ist  wohl nicht allzu falsch.
Musikalisch bieten die Argies, benannt nach der abschätzigen Bezeichnung der Engländer für ihre Gegner im Falkland-Krieg – recht konventionellen Seventies-Punk. Der kommt mit  vielen „Aaaahs“, „Ooohs“, „Oioiois“ und gehöriger Rock´n´Roll-Schlagseite übers ausgedünnte Kreuzberger Kopfsteinpflaster geholpert. Straßenkampf zum Mitsingen; das macht durstig und lässt den Vino Tinto prächtig durch die Kehle rinnen. Auf das bei Bands hispanischer Provenienz sonst übliche Ska-Gehumpse und Getröte verzichten die Argies dankenswerter Weise. Als Betthupferl gibt es schließlich noch ein paar Standards von den Ramones oder The Clash. Nett.
Unterm Strich dürften die Argentinier heutzutage allerdings allenfalls noch16-Jährige zum Tragen von Che Guevara-Shirts und roten Armbinden sowie dem ausstoßen von „Viva la Revolution“-Rufen verleiten. Für mehr ist ihr Fernet Cinzano einfach nicht hochprozentig genug. Natürlich immer noch besser als das ZDF-Abendprogramm, aber in der Hackerei waren schon sehr viel originellere Bands zu sehen.

Montag, 10. Juni 2013

Aus der Asche von Thin Lizzy: Black Star Riders

Ok, jetzt mal ohne feuilletonistisches Geschwafel oder dythirambische Ahnenverehrung, wie sie in der Rockgemeinde gerne mal zelebriert wird: was haben wir hier? Black Star Riders, um deren Debütalbum „All Hell Breaks Loose“ (Nuclear Blast) es hier geht, sind die Überbleibsel der letzten einer längeren Reihe von Thin Lizzy-Inkarnationen, mit denen Gitarrist Scott Gorham seit Mitte der 90er in unterschiedlichen Besetzungen durch die Lande tingelte – ohne den durch Tod verhinderten Phil Lynott, versteht sich. 


Ob das nun schnöde Leichenfledderei oder Nachlassverwaltung war, kommt auf den Blickwinkel an. Jedenfalls fand das Spielchen seine Ende, als es an die Aufnahmen neuen Materials ging. Ein neues Lizzy-Album ohne Phil wäre vielen wohl auch des Guten zu viel gewesen. Zumal der Abgang von Drummer Brian Downey, Gorham als einzigen Eckpfeiler der klassischen Besetzung zurücklies. 

Leichenfledderer oder Nachlassverwalter? Scott Gorham und Black Star Riders. Foto: Mattia Zoppellaro
Was also ist bei der Charade herausgekommen? Der Titeltrack stampft schön stimmungsvoll übers grüne irische Gras. Und auch Nummern wie „Hoodoo Voodoo“ oder „Valley Of The Stones“ sind aufmunternde Rocksongs. Vor allem im Gitarrenbereich hat das Album seine Momente: Gorham windet blütenreiche Twin-Guitar-Kränze, wie sie auch in der Lizzy Hochzeit `74 bis `78 hätten entstehen können, als der der Gegenspieler noch Brian Robertson statt Damon Johnson (u.a. Alice Cooper) hieß.
Kritisch wird es allerdings, wenn die Thin Lizzy-Karte allzu offensichtlich aus dem Ärmel gezogen wird. Denn ohne Lynotts authentische Texte und gefühlvollen Gesang geraten Gorham und Konsorten schnell an die Grenze der Peinlichkeit. So wäre der `86 verstorbene Frontmann mit einem melodisch so infantilen Refrain wie in „Bound For Glory“ vermutlich noch davon gekommen, Sänger Ricky Warwick (The Almighty) gerät er hingegen fast schon zum Schlager. Auch die folkige Black Rose-Referenz „Kingdom Of The Lost“ klingt eher nach Riverdance als nach Rock und dürfte allenfalls auf vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk präsentierten Konzert-Events auf schwäbischen Marktplätzen für Begeisterung sorgen.
Hätte Gorham den Schneid oder die Fantasie gehabt, sein Projekt ein wenig weiter abseits von seiner Marke zu positionieren, wäre vielleicht mehr bei der ganzen Aktion herumgekommen. Wie man ein zeitgemäßes Thin Lizzy-Album fabriziert, hat Dave Mustaine ja gerade mit „Super Collider“ vorgemacht.


Samstag, 8. Juni 2013

Tracer: Grüner Daumen oder Fallobst?

Tracer als Königsmörder von AC/DC hochzuschreiben, wie das zurzeit an mancher Stelle geschieht, ist maßlos übertrieben. Diese Prozedur bleibt wohl aber keiner australischen Band erspart, die an ihren Amps die Distortion-Knöpfe höher als Stufe drei dreht (siehe Airbourne). Denn erstens erfindet das Trio aus Adelaide das Rad auch nicht neu – auch wenn recht breite Schlappen aufgezogen sind – und zweitens sind hier ganz andere Referenzen angebracht, als Angus und Co. Schiebt man „El Pistolero“ (Mascot) in den Aufnahmeschlitz des Abspielgeräts, springen einem aus den Boxen eher Soundgarden, Mötley Crüe mit John Corabi und Motörhead 2.0 (also die Post-Würzel Metal-Band) entgegen. An die Klangärtner aus Seattle erinnert dabei vor allem der Gesang von Michael Browne, aber auch Rhythmik und Struktur vieler Songs wurden ursprünglich auf deren Beeten gezogen. Aber macht ja im Grunde nix, solange die Ernte, sprich das Ergebnis stimmt. Leider fehlt den Tracer-Jungs der grüne Daumen, wenn es ans Hitschreiben geht: Der Titeltrack schlägt zwar eine ordentliche Schneise durch die Botanik, am Ende des Tages müsste dann aber doch noch mal mit einer ordentlichen Mistladung Rock´n´Roll nachgedüngt werden. Denn unter der Last von süßesten Songfrüchten biegen sich die Äste dann doch noch nicht gerade. Fallobst sind Tracer trotzdem nicht. Mit ein wenig liebevoller Pflege kann das Bäumchen noch weiter wachsen.