Dienstag, 25. Juni 2013

Civil Civic - Dick Dale auf dem elektrischen Stuhl spielt Walgesänge

„Habt ihr Lust, ein wenig Popmusik zu hören?“, fragt der kleine Römer mit dem schwarzen Trägershirt und der 80er Pornowelle (wäre Prince schwul und wollte sich als Italiener verkleiden, er wählte genau dieses Kostüm) die Leute, die am Samstag in die Halle 14 im Karlsruher Rheinhafen gekommen sind, um das australische Elektro Punk-Duo Civil Civic zu sehen. Klar, warum nicht? 
 
Höllenmaschine: "The Box" von Civil Civic

Dann beginnt Cascao zum selbstgemachten Elektrogedudel aus dem Minikeyboard zu quinquilieren. Steinerweichend klingt das, wie  der Schwanengesang einer Nachtigall im Discofieber. Oder Blondie mit billigen von Graf Zahl bedienten Geisterbahnsynthies. Hilft bestimmt auch gegen schrundige Füße. 
Meint der das ernst? Steht zu befürchten! Ist das vielleicht Berlusconis Rache dafür, dass Merkel und Sarkozy die Frage nach seiner Verlässlichkeit mal mit einem Lächeln beantworteten? Absolut möglich! Andererseits: Trotz seines kakophonischen Vortrags schafft es Cascao rundweg liebenswert rüberzukommen. Diese Diskrepanz zwischen Tinnitus und Anteilnahme erzeugt beim Hörer eine innere Zerrissenheit, die sich rein intellektuell betrachtet auch als künstlerischer Mehrwert ansehen ließe. 
Ähnlich verhält es sich mit Le Truc und die Maschine. Die Vorführung  des italienisch/serbischen Duos ließe sich mit „zwei Hennen machen Katzenmusik“ subsumieren. Hätte man Pippi Langstrumpf und ihrer leicht wunderlichen älteren Schwester eine elektronische Orgel und eine verstimmte Gitarre in die Hand gegeben, das Ergebnis bumströtete vermutlich nicht viel anders: Synthie-Sadismus, Heimorgel-Hirnriss und  Chaos-Karaoke. 
Experimenteller Elektropop nennt sich das dann, ist in Wahrheit aber nichts anderes als profaner Zeitvertreib für Leute, die tagsüber Urban Gardening oder Guerilla-Stricken betreiben und abends in Clubs ihre Club-Mate-Flaschen halb leer trinken und dann mit Wodka wieder auffüllen lassen. Trotzdem ganz witzig bis irrwitzig. 
Effektvoll geht es weiter: Bass, Gitarre, zwei vollgestopfte Pedalboards und „The Box“, eine Drum- und Lichtmaschine, die mit ihren blinkenden Pegelmessern aussieht wie die Frontpartie von K.I.T.T. aus Knight Rider. Mehr brauchen Aaron Cupples und Ben Green aus Melbourne, alias Civil Civic, nicht, um ein Soundinferno zu entfachen, als hätten japanische Mechatroniker Dick Dale auf dem elektrischen Stuhl das Hirn rausgebruzzelt, ihm stattdessen das von Richard Lloyd eingesetzt und ihn dann mit mächtig frizzeliger Distortion Voodoo-Walgesänge nachspielen lassen. Packend ist das und gleichzeitig so Tanzbar, dass beim Publikum die Hüte fliegen. In Australien wissen sie halt wir man rockt.
 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen