Die Bühne ist verwaist. Wo eben noch das ominöse Drone-Duo Gravelines aus Karlsruhe seine verschwurbelte Elektro-Sounds herunterschnurrte, werfen nunmehr zwei einsam vor sich hin brennende Kerzlein mühsam ihr Licht durch wabernde Kunstnebelschwaden. Aus dem Dunst ragen neben zwei Schlagzeugen und diversen Verstärkern allerlei alchemistische Gerätschaften voller Spulen und Knöpfe, die augenscheinlich zur Klangerzeugung geeignet sind. Erwartet wird im Karlsruher Jubez ein Auftritt der Master Musicians Of Bukkake.
Plötzlich schiebt sich eine Gestalt im Hirschkostüm aus dem Brodem. Äußerlich gleicht die Erscheinung Herne dem Jäger – mancher Erinnert sich vielleicht noch an die Robin Hood-Serie der 80er – und vollführt mystisch schlängelnde Bewegungen mit den Armen. Daneben bedient eine glitzernde Vogelscheuche mit einer LED-Leuchte am Schlapphut die Gitarre. Die übrigen Mitglieder dieser bizarren Truppe sind gekleidet wie Tuareg – oder sind es Wüstendschinns?
Der Hirsch hält sich nun ein Mikrophon unters lange Kinn– und beginnt zu röhren, ähem, singen. Dazu schlägt er Zimbeln aneinander. Die Beduinen machen sich derweil an den sperrig herumstehenden Klanggerätschaften zu schaffen. Es sind offenbar vier (Beduinen), aber so genau ist das im Wrasen nicht auszumachen. Die Hutlaterne der Vogelscheuche irrlichtert unruhig durchs vernebelte Halbdunkel.
Gäbe es einen Lift zum Mars (Schon 1895 hatte der russische Wissenschaftler Konstantin Ziolkowski die Idee, einen Turm in den Weltraum zu bauen), dieser sufistische Spiralnebelblues mit interstellarem Walgesang, der klingt, als habe ein levitierender Ravi Shankar zu viele Neimodianische Pilze gegessen, wäre die richtige Fahrstuhlmusik. Mitunter ist das wenig mehr als rhythmisiertes Geräusch, aber mehr würde schließlich von der spektakulären Aussicht ablenken, die draußen vor den dicken Bullaugen vorbeizieht: Kleiner und kleiner wird die leuchtend blaue Erde, während der singende Hirsch wie ein hypnotischer Uhu seine „Wuuhs“ und „Waahs“ in sein Kehlkopfmikro buht.
Leider haben sich nur etwa dreißig Mitfahrer eingefunden – vielleicht auch 500, aber wie gesagt: es herrscht Nebel. Ein Trip zum Mars ist schon ein ambitioniertes Unterfangen für einen Sonntagabend, wenn man montags um 8 Uhr früh im Betrieb zu erscheinen hat. Wer sich allerdings trotzdem aufraffte, wurde mit einem fantastischen Ausflugserlebnis belohnt, mit einem musikalischen Hirsch, der sich für einen Uhu hält, als Reiseleiter und einer fluoreszierenden Vogelscheuche als Liftboy. Das schlägt doch jeden Tatort, meine Damen und Herren!
Im Übrigen scheinen Gerüchte, wonach die Master Musicians Of Bukkake aus Seattle stammen sollen und sich dahinter Musiker wie Randall Dunn, der etwa die wegweisenden Doom-Droner Sunn O))) produzierte, oder Dana Collins von den Thash-Punkern The Accused, verbergen, angesichts dieser Show völlig aus der Luft gegriffen. Meint der Rezensent.
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