Donnerstag, 6. Juni 2013

Der bleiche Rick läutet die Totenglocke - "13" von Black Sabbath bleibt hinter den Erwartungen


Alright now! Won´t you listen? Morgen wird es also in den Läden stehen, das neue Black Sabbath Album.  Seit Wochen und Monaten erfüllt diese Weissagung nicht nur die Heavy Metal-Gemeinde mit pfingstlicher Erwartung, sondern auch den Wald bedruckter Blätter mit einem gewaltigen Brausen. Warum das? „13“, das an diesem Freitag via Universal erscheint, markiert nach 35-jähriger Abwesenheit die Rückkehr von Sänger Ozzy Osbourne – nicht wie fälschlich von der Plattenfirma behauptet, dreier Viertel der Originalbesetzung. Denn das  Instrumentaltrio zerfiel erst 1983 nach dem Gastspiel von Sänger Ian Gillan endgültig – und läutet somit sozusagen das Ende der Bergentrückung einer der einflussreichsten Bands der Rockgeschichte ein. Denn dem Gründungsmythos des Heavy Metal zufolge, waren es vier Arbeiterkids aus Birmingham, die 1970 endgültig aufräumten mit „Love and Peace“. Mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum, einem tiefschwarzen Werk voller angsteinflößender Gitarrenriffs und okkulter Referenzen, jagten  Black Sabbath nicht nur den damals ohnehin schon reichlich desillusionierten Blumenkindern einen solchen Schrecken ein, dass diesen im Grunde nur die Wahl blieb zwischen der Mündung einer Pistole und dem Fuß des Kreuzes, sondern definierten im Alleingang gleich noch das Paradigma der Rockmusik. 
Nun reiten Ozzy Osbourne, Tony Iommi (Gitarre) und  Geezer Butler (Bass) also wieder gemeinsam in die Schlacht – nur Drummer Bill Ward ist aus irgendwelchen Gründen nicht dabei, vermutlich weil sein Bart festgewachsen in einem Steintisch hängt. Dem populären Metal-Volksglauben zufolge, sollte diese Auferstehung dem gesamten Genre eigentlich zu neuer Herrlichkeit verhelfen, wie Kaiser Friedrich Barbarossa dem Reich, sobald er unter dem Kyffhäuser aus seinem Zauberschlaf erwacht. Allzu viele Chancen werden sich dafür nicht mehr bieten, denn anders als der alte Rotbart in seinem Berg, können sich Black Sabbath nicht noch einmal hundert Jahre zum Schlafen hinlegen, wenn die Raben noch kreisen. Die Bandmitglieder sind durchweg jenseits der 60, Iommi krebskrank. Bei den Aufnahmen mit Starproduzent Rick Rubin (Beastie Boys, Slayer, Johnny Cash) ging es also ums Ganze. Aber konnte das Triumvir noch einmal großes leisten?
Jein! Zwar klingen die acht Songs auf „13“ tatsächlich nach den alten Sabbath der frühen 70er, aber eben nur: WIE! Dass sich am mutmaßlichen Endpunkt einer über vier Jahrzehnte währenden Bandgeschichte die eine oder andere Selbstreferenz einschleichen würde, war  zu erwarten und vielleicht sogar erwünscht. Dass sich Osbourne, Iommi und Butler, vermutlich dem mittlerweile etwas abgenutzten modus operandi von Rubin folgend, den Künstler auf sein Urbild zurückzuführen, ausschließlich auf ihre ersten drei oder vier Platten zu beziehen, ist ein Fehler.
Das Mittel der Reduktion mag bei Johnny Cash genau die richtige Kur gewesen sein. Dem Countrysänger war die Selbstbeschränkung auf Stimme und Gitarre eine langersehnte Befreiung. Für Typen wie Osbourne und Iommi, deren Einzigartigkeit im Grunde auf ihren Handicaps beruht – der eine konnte noch nie richtig Singen, der andere nach einem Unfall, bei dem er zwei Fingerkuppen verlor, nie richtig Spielen –, die sie mit Findigkeit und einem Gespür für den Zeitgeist überwanden, ist sie nur bedingt tauglich.
Denn erstens hat die barocke, experimentellere Hoch- und Spätphase der Ozzy-Ära bis 1978 ihre ganz eigene koksweiße Magie. Und zweitens haben sowohl Iommi, der Black Sabbath in verschiedensten Besetzungen bis in die jüngste Vergangenheit weiter betrieb, als auch Osbourne nach ihrer Trennung noch viele großartige Rock-Alben abgeliefert, von denen in der Summe mindestens ein halbes Dutzend zu den absoluten Klassikern des Genres zählen.
Von all dem ist auf „13“ jedoch kaum etwas zu hören. Statt dem Metal-Gott auf den geschichtsträchtigen Fundamenten einen zeitgemäßen Klangtempel zu errichten, schlendern die älteren Herren gemäßigten Schrittes ein wenig zwischen den alten Gräbern auf dem angrenzenden Friedhof herum, während der bleiche Rick (Rubin) dazu die Totenglocke läutet. Hier haben sie früher gekifft, Weinflaschen auf den Grabsteinen zerdeppert und im Drogenrausch wilde Veitstänze vollführt. Heute bleibt der Höllenhund an der Kette.
Iommis Riffs, üblicherweise größer und mächtiger als irgendetwas real existierendes, sind diesmal überraschend eine Nummer kleiner ausgefallen (2009 auf „The Devil You Know“, der letzten Platte mit Osbournes Nachfolger Ronnie James Dio war das noch anders). Brad Wilks Drumming (Rage Against The Machine) wirkt merkwürdig gehemmt.  Immerhin rehabilitiert sich Ozzy Osbourne. Mit einer überraschend zwielichtigen Gesangsleistung macht er seine Auftritte als Fernsehclown und Erzeuger peinlichen Nachwuchses nahezu vergessen, und nimmt seinen angestammten Platz, nicht als Friedenskaiser, aber Prince of  Darkness wieder ein. Auch Geezer Butlers keulender Bass kommt auf die Habenseite.
Unterm Strich ist „13“ ein ordentliches Black Sabbath-Album. Besser als „Never Say Die“, aber nicht so gut wie „Headless Cross“. Fundamentalisten, denen die Frühphase das einzig Wahre ist, werden damit ihr Auskommen haben müssen. Fans, die auch den verschiedenen anderen Inkarnationen etwas abgewinnen können, bietet der Backkatalog genügend höherwertige Alternativen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen