Die Fahrt nach Saarbrücken erscheint wie ein Trip zu den
Zwergen hinter die sieben Berge: Der Wald entlang der mehr wie eine Landstraße
wirkenden Autobahn wird immer dichter und die Täler schattiger. Schließlich gelangt
man auf eine Lichtung, auf die sich pittoresk die Hauptstadt des Saarlandes schmiegt.
Überaus putzig auch das „kleine Haus“ des Garage Clubs von der Größe eines
Wohnzimmers (der Hauptsaal dagegen fasst mindestens 800 Besucher). Verwunderlich, dass die Walking Papers – dank
ihrer Rhythmusgruppe, bestehend aus Duff McKagan (Guns ´n´ Roses, Velvet Revolver,
Loaded) und Barrett Martin (Screaming Trees, Mad Season) getrost als
Seattle-Soupergroup zu bezeichnen – ausgerechnet hier eines von nur drei
Deutschlandkonzerten spielen. Doch die Kalkulation erweist sich als richtig,
kaum hundert Saarländer haben an diesem Donnerstagabend des 2. Mai Bock auf schieren
Rock´n´Roll.
Duff McKagan - unverfälscher Rock´n´Roll. Fotos: Minea Linke |
Wilder Büffel: Jonny Williams |
Dann nehmen die Walking Papers die Bühne in Besitz. Alle sind
in edles Schwarz gekleidet. Nobel auch der Sound: Cream treffen The Smiths
treffen Soundgarden treffen The Raconteurs. Ergebnis dieser exquisiten Melange
ist eine Art malizöser Goth-Blues; düster, rau, unverfälscht, gefühlvoll.
Walking Papers on stage. Zeichnungen: Erin Currier |
Gleiches gilt für die Darbietung der Musiker: Duff, der
einstige King of Beers, rank und schlank, das Gesicht aber älter als seine 49
Lebensjahre, bedient den Bass mit stoischer Gelassenheit. Sein asketisches
Spiel kontrastiert das des hyperaktiven Martin, der gleich einem vielarmigen
Hindugott ständig was auf irgendeinem seiner Kessel am Laufen hat. Im Ergebnis
schieben beide zusammen wie eine tonnenschwere Planierraupe. Fett!
In seiner schwarzen Lederjacke der stetig zunehmenden Hitze trotzend
gebärdet sich Benjamin Anderson hinter seinem
E-Piano wie Rowlf the Dog in der Muppet Show, wobei sich seine akkurat gestaltete
Gelfrisur nach und nach in nasse Fransen auflöst. Auf bizarre Weise cool!
Hat den Hut auf: Jeff Angell |
Chef im Ring ist eindeutig Jeff Angell: Der einstige Missionary Position-Frontmann vereint die leicht grausige Aura einer Kanalratte aus dem Londoner Hafenviertel des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit den famosen Bühnenqualitäten eines James Brown. Bedrohlich wie eine Schwarze Mamba wiegt und windet sich der dünne blasse Mann, den Mikroständer einsetzend wie ein Seelenfänger beim Fliegenfischen, den Hut jongliert er wie ein blasphemischer Justin Timberlake.
Die Gitarre hingegen bearbeitet er mit der kraftvollen todbringenden Eleganz eines Tigers – und er singt wie ein Leopard. Dass Angell mal als Scott Weiland-Ersatz bei Velvet Revolver im Gespräch war, kein Wunder! Das dieser Mann bislang keine Stadien füllt, ist nur dadurch erklärlich, dass er bei der Abzweigung Musiker- oder Drogenkarriere nach eigener Auskunft vor Jahren falsch abgebogen ist.
Trotzdem besser wohl, dass der Velvet Revolver-Deal nicht zustande
gekommen ist. Sonst hätte die Welt auf diese Band vielleicht verzichten müssen.
Und eines ist sicher: Niemand, dem Rockmusik etwas bedeutet, kann die Walking
Papers nicht mögen!
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