Mittwoch, 30. Dezember 2015

Killed by death - Lemmy Kilmister wollte verpuffen, jetzt ist er doch gestorben


Lemmy 2005 auf der Bühne in Edmonton. Foto: Mark Marek

Wie alle großen Männer hatte Lemmy Kilmister konkrete Vorstellungen für sein Ableben. „Ich werde verpuffen!“, hatte der Frontmann der legendären britischen Heavy Metal Band Motörhead einmal angekündigt. Mit einem Knall ist er jetzt zwar nicht abgetreten, sein Tod kam aber immerhin plötzlich und unerwartet. Am Montag ist Ian Frazer Kilmister überraschend in seiner Wahlheimat LA an einem Krebsleiden gestorben. Nur vier Tage nach seinem 70sten Geburtstag, zwei Tage, nachdem er von seiner Krankheit erfahren hatte.
„Victory or Die“, „Sieg oder Tod“, hieß der Eröffnungssong auf dem letzten Motörhead Album „Bad Magic“, das erst im August erschienen war – es war das 22ste der Band. Das klang wie eine Kampfansage. Vor allem an das Alter, dessen Begleiterscheinungen diesem lange als unverwüstlich geltenden Krieger in den letzten Jahren zunehmend zu schaffen machten.
Schlachten hatte der stets mit eine Rickenbacker-Bass bewaffnete Lemmy Kilmister in einem langen Rock´n´Roller-Leben viele Geschlagen: Am Weihnachtsabend 1945 in Stoke on Trent in den Midlands geboren, wuchs er im ärmlichen Nachkriegsengland ohne Vater auf. Seine Schulzeit verbrachte er in Wales, wo er „als einziges englisches Kind unter 700 Walisern“ keinen leichten Stand hatte. Das Blatt wendete sich, so ist in seiner famosen Biographie „White Line Fever“ zu lesen, als er eine Gitarre mit zum Unterricht brachte: Plötzlich war der schmächtige Junge mit den abstehenden Ohren von Mädchen umlagert – obwohl er keinen Ton spielen konnte. „Das hat mir die Augen geöffnet!“
Danach schaute Lemmy nie mehr zurück. Er verdingte sich (zunächst als Gitarrist) in lokalen Bands. 1967 verschlug es ihn nach London, wo er sich mit einem Job als „Roadie“ für Jimi Hendrix über Wasser hielt. Wobei seine Hauptaufgabe darin bestand, den Star mit Drogen zu versorgen. Als Bezahlung gab es LSD. Den musikalischen Durchbruch schaffte Lemmy, der seinen Spitznamen dem Vernehmen nach erhielt, weil er als stets klammer Jungmusiker sein Umfeld mit dem Satz "lemmy [lend me] a quid 'til Friday" regelmäßig um Geld anpumpte, 1972 mit der Band Hawkwind. Er sang den Titel „Silver Machine“ ein, der auf Platz drei der britischen Single-Charts landete und somit zum größten Hit von Hawkwind avancierte. Das hinderte die Band nicht daran, ihren Bassist und Teilzeitfrontmann nach einem Drogenbedingten Grenzzwischenfall während einer US-Tour 1975 zu feuern.
Bald darauf gründete Lemmy seine eigene Band, die er aus Rache an Hawkwind nach dem letzten Song benannte, den er für sie geschrieben hatte: Motörhead. Nach einigem hin und her verfestigte sich die als klassisch geltende Besetzung mit „Fast“ Eddie Clarke an der Gitarre und dem erst im November verstorbenen Phil „PhilthyAnimal“ Taylor“ am Schlagzeug. Das Trio spielte eine krude Mischung aus Hardrock, Punk und Rock´n´Roll, schnell, hart und unerbittlich. Mal galten Motörhead als schlechteste, Mal als lauteste Band der Welt. Die Kritiker hassten sie, die Kids liebten sie umso inniger. Ihren künstlerischen und kommerziellen Höhepunkt erreichten Motörhead zwischen 1980 und 1982 mit dem Single-Hit “Ace Of Spades”  und dem unsterblichen Live-Album „No Sleep ´til Hammersmith", das auf dem ersten Platz der britischen Charts landete.
Seither gelten Motörhead als eine der einflussreichsten Heavy Metal Bands aller Zeiten, Lemmy Kilmister war die einzige Konstante in der 40-Jährigen Bandgeschichte. Schwarzes Hemd, schwarze Hose, die weißen Cowboystiefel in den Bühnenboden gestemmt, den Kopf in den Nacken geworfen wie ein heulender Wolf, der Fleisch gewordene Rock´n´Roll, der  Inbegriff der Coolness. Die Fans werden einen Rockstar wie er sein soll in Erinnerung behalten. Diejenigen, die das Vergnügen hatten, ihn einmal persönlich zu treffen, einen unprätentiösen Gentleman, der dem Besucher einen Whiskey anbot (oder auch mehrere), dazu wertvolle Trinkertipps gab („Nimm zwei ineinandergesteckte Plastikbecher, einer ist zu labberig und hinterher hast du alles auf der Hose!“) und bei guter Laune schon mal ein Liedchen anstimmte („Adolf Hitlers Lieblingsblume ist das schlichte Edelweiß“). Einen gewitzten aber auch bärbeißigen Gesprächspartner, der diebisches Vergnügen daran hatte, einen gnadenlos auflaufen zu lassen, wenn man ihm undurchdachte Interviewfragen stellte.
Lemmy liebte den Rock´n´Roll und er liebte die Straße, das Leben auf Tour. Für diese Liebe kämpfte er bis zuletzt. In seiner ihm eigenen Sturheit machte er weiter Platten und gab Konzerte. Ihre letzte Show spielten Motörhead am 11. Dezember in Berlin.

Lemmy und der BRB 2014 in Hamburg. Foto: Ute Kromrey

Montag, 30. November 2015

Unter Egos - Deep-Purple-Basser Roger Glover wird 70

Ist im Flow: Roger Glover auf der Bühne mit Deep Purple 2013 in Spanien. Foto: Carlos Delgado

Obwohl Roger Glover 50 Prozent einer der besten Rhythmussektionen der Rockgeschichte bildet, hat der Bassist neben all den Egomanen und Virtuosen in Deep Purple immer eher ein Schattendasein geführt. Dass ist nicht nur wegen seines einfachen, ja minimalistischen, aber umso kraftvolleren, flüssigen und präzisen Spiels ungerecht (man höre sich nur die atemberaubenden Bassläufe auf „Highway Star“an), auch außerhalb von DP hat Roger Glover, der am heutigen Montag, 30. November, 70 Jahre alt wird, eine erfolgreiche Karriere als Musikproduzent  hingelegt. In den 70ern und 80ern  verhalf der Waliser nicht nur Acts wie Nazareth oder Judas Priest zu Charterfolgen, sondern vor allem auch Rainbow, der neuen Band seines ehemaligen Bandkollegen Ritchie Blackmore. Und das obwohl dieser ein paar Jahre zuvor noch Glovers Rausschmiss aus Deep Pruple auf deren Karrierehöhepunkt veranlasst hatte.
Bis heute sind Deep Purple nicht nur eine der größten, sondern zweifelsohne auch eine der am fleißigsten tourenden Bands. Obendrein beschränken sich die Rockgroßväter nicht darauf, als wandelnde Oldie-Show durch die Lande zu tingeln. Mit ihrem jüngsten Output "NOW What?!" gelang es dieser großen alten Band auch einmal mehr zu beweisen, dass sie auch fast ein halbes Jahrhundert nach ihrer Gründung noch relevant ist. Nun lassen Deep Purple ihrem Erfolgsalbum gleich zwei Liveaufnahmen folgen (VÖ, 28. August, Edel): "From The Setting Sun... (In Wacken)" entstand vor der Kulisse eines Sonnenuntergangs auf dem Wacken Open Air 2013, "...To The Rising Sun (In Tokyo)" im April 2014 im berühmten Nippon Budokan in Tokyo. Dem gleichen Ort, wo 1972 das legendäre Live-Album Made in Japan entstand..


BRB: Wie man auf der DVD sehen kann – und bei der Wacken-Show habe ich es auch selbst erlebt – sind Deep Purple noch immer relevant für junge Leute. Erstaunt dich das?
RG: Das ist sicherlich sehr bemerkenswert und wir sind darüber sehr glücklich. Denn das bedeutet unser Publikum wächst. Früher haben wir für Teenager gespielt, dann für Eltern und jetzt treten wir vor Großeltern, Eltern und Teenagern auf. Vielleicht liegt das an der Wahrhaftigkeit unserer Musik. Oder daran, dass es etwas aus den 70ern ist. Das scheint für die Leute attraktiver zu sein als Musik, die von Maschinen erzeugt wird.
Hättest Du dir als junger Kerl in den 60ern denn ein paar alte Typen angeschaut, die Rock´n´Roll spielen?
RG: Wahrscheinlich nicht. Schließlich hat Rock´n´Roll hat ja auch erst 1955/56 angefangen mit Chuck Berry und Elvis. Aber wir liebten und spielten den Blues. Also gingen wir auf die Suche nach den Wurzeln des Rock´n´Roll und des Blues. Folglich haben wir uns schon Leute angehört die über 50 oder 60 waren.
Du warst auch an der Produktion der beiden Livealben beteiligt. Schon in den 70ern hast Du neben deinem Hauptjob bei Deep Purple auch jede Menge Bands produziert. Dazu gehörten große Namen wie Judas Priest, Nazareth, Elf, Status Quo oder die Ian Gillan Band. War das ein Karrieresprung den du geplant oder war das eher Zufall?
RG: (lacht) Das weitsichtigste, was ich an irgendeinem Tag meiner Karriere habe planen können, war das Frühstück.  Es war eine Verkettung glücklicher Umstände. Deep Purple haben in den frühen Jahren wirklich sehr hart gearbeitet. Eine der Bands, mit denen wir arbeiteten hieß Nazareth. 1972 rief mich deren Management an und fragte, willst Du Nazareth produzieren. Ich hatte bis dahin noch überhaupt nichts wirklich produziert, aber ich habe mit ihnen ein Album aufgenommen. Anschließend ging ich wieder mit Deep Purple auf Tour. Aber Mitte 1973 habe ich Deep Purple verlassen – unter nicht allzu rühmlichen Umständen, denn eigentlich hatte ich Deep Purple nicht verlassen wollen –, aus politischen Gründen. Also kam ich ziemlich deprimiert aus Japan zurück. Und wenn ich sage deprimiert, meine ich: Es war ein wirklich herber Schlag. 1973 waren Deep Purple die größte Band der Welt und rausgeschmissen zu werden, war eine ganz bittere Pille. Ich fühlte mich, als habe man mich einfach in den Mülleimer geworfen. Dann schlug ich die Zeitung auf und las, dass „Razamanaz“ auf Platz vier der Albumcharts stand. Ganz plötzlich war ich also ein Erfolgsproduzent. Geplant war das also sicher nicht.
Deep Purple haben damals nicht mit externen Produzenten gearbeitet, sondern den Job selbst gemacht. 
RG: Deep Purple haben sich zwar selbst produziert, dass bedeutete aber lediglich, dass einer auf den Aufnahmeknopf drückte und wir angefangen haben zu spielen. 
Du hattest also keine wirklichen Vorbilder, von denen Du dir etwas hättest abschauen können?
RG: Ich erinnere mich noch an eine meiner ersten Produktionen. Ich kam ins Studio und fragte die Techniker, wo sitzt denn der Produzent normalerweise? Sie haben sich kaputtgelacht und gesagt, Du bist der Produzent, Du kannst sitzen, wo du willst.
Was macht Deiner Ansicht nach einen guten Produzenten aus?
RG: Es gibt Produzenten, die kommen mehr aus der technischen Ecke und andere eher aus der musikalischen. Ich gehöre zu den Letzteren. Ich denke, es ist die Aufgabe eines Produzenten im Studio eine Atmosphäre zu schaffen, die den Künstler dazu anregt, seine beste Leistung zu bringen. Aber ich wusste schon genug über die Technik, um zu merken, wenn mich einer verarschen wollte. 
Ein Meilenstein der Rockgeschichte, den du produziert hast, ist „Sin After Sin“ von Judas Priest. Er markiert die Abkehr der Band vom Rocksound der frühen Jahre, hin zum Heavy Metal, der ihr Markenzeichen werden sollte. Welche Rolle hast Du dabei gespielt?
RG: Wenn ich mir das Album heute anhöre, klingt es für mich nicht besonders metallisch. Durch Umstände, die sich meiner Kontrolle entzogen, haben Priest ihren damaligen Schlagzeuger (John Hinch, Anm. d. Verf.) und heuerten Simon Phillips als Session Drummer an. Der ist zwar ganz bestimmt kein Metal Schlagzeuger, aber er hat es echt drauf. Ich denke, „Sin After Sin“ ist kein Metal Album, aber man kann schon hören, was Judas Priest einmal werden würden. Wie dem auch sei, viele Leute sagen mir noch immer, es sei ihr Lieblings-Priest-Album.
Tatsächlich? Meins ist es nämlich auch.
RG: (lacht) Nun, Judas Priest sind eine klasse Band, sie hatten viel zu geben und sie wussten, was sie wollten. Das macht es für den Produzenten natürlich einfacher, als wenn er es mit Musikern zu tun hat, die man erstmal auf die Schiene setzen muss.
Du bist also eher mit dem Strom mitgeschwommen?

RG: Naja, was kann ein Produzent schon groß machen? Hier ein wenig bei den Texten oder den Kompositionen helfen, dort die Arrangements etwas straffen, sich um das Mixing kümmern. Das ist ein Tausendsassa-Job, wenn Sie so wollen.
Auf der anderen Seite saßt Du auch während der Joe Lynn Turner-Ära bei Rainbow hinter den Reglern. Die war kommerziell sehr erfolgreich, ist wegen der eher poppigen Ausrichtung vielen Rock Fans aber verhasst. 
RG: Das Problem war… Also Ronnie James Dio habe ja eigentlich ich entdeckt. Ich hatte drei Alben seiner früheren Band Elf produziert und wir waren ziemlich gute Freunde geworden. So hat es mich ziemlich überrascht, als Ritchie Blackmore die Band übernommen und daraus Rainbow gemacht hat. Als er mir dann aber „Stargazer“ (vom zweiten Rainbow Album „Risings“, Verf.) vorspielte, hat mich das schlicht umgehauen, ein wundervolles Kunstwerk, einfach brillant. Aber es hat sich nicht gut genug verkauft, um die Band am Laufen zu halten. Wir hatten beide dasselbe Management und die haben mich gefragt, wir verkaufen nicht genug Platten, kannst Du uns helfen, das Ruder herum zu reißen? Das habe ich geschafft, „Down To Earth“ (mit Graham Bonnet am Micro, da Ronnie James Dio den Schwenk hin zu mehr Radiofreundlichkeit nicht hatte mitmachen wollen, Verf.) hat sich verkauft wie geschnitten Brot. Andererseits mögen die Fans eben keine Veränderung. Alles soll so bleiben, wie es immer gewesen ist. Unglücklicherweise ändern sich die Dinge aber, Menschen verändern sich. In Deep Purple hören wir das die ganze Zeit. Ritchie ist nicht mehr dabei, John ist nicht mehr dabei, ach, das sind doch gar nicht mehr Deep Purple. Das muss man akzeptieren. Aber wie gesagt, die Dinge ändern sich, und manchmal sogar Fans. 
Gab es für Sie überhaupt viel zu produzieren? Ritchie Blackmore hat den Ruf eines sehr zielstrebigen, um nicht zu sagen gewissenlosen, Künstlers. Dann hatte er dich ein paar Jahre vorher bei Deep Purple ausgebootet. Wie konnte die Zusammenarbeit überhaupt funktionieren?
RG: Das musst Du Ritchie Blackmore fragen. Ich habe bis zum heutigen Tag nicht kapiert, warum ich überhaupt bei Deep Purple rausgeflogen bin. Aber womöglich hat der Umstand, dass ich mir eine erfolgreiche zweite Karriere aufgebaut hatte, ihn dazu bewogen, seine Meinung über mich noch einmal zu überdenken. Und die Zeit heilt viele Wunden. Ich für meinen Teil hegte ohnehin keinen Groll gegen Ritchie. Er hatte mir gesagt, schau her, nimm es nicht persönlich, es geht nur ums Geschäft. Er war also wenigstens ehrlich. Als er mir dann drei Jahre später “Stargazer” vorgespielt hat, musste  ich nicht lange überlegen. Es war eine gute Karrierechance für mich. Als wir daran gingen „Down To Earth“ aufnahmen, sollte ich ausschließlich als Produzent fungieren. Aber sie fanden weder eine Bassisten, noch einen Sänger, der mit Ritchie Songs hätte schreiben können, also habe ich auch diese Rollen übernommen. Aber erst als das Album fertig war, sagten Cozy Powell und Don Airey, du solltest eigentlich auch in der Band sein. Als dann ein paar Wochen später der Anruf kam, habe ich nicht gezögert, denn ich hatte es sehr vermisst, in einer Band zu sein und auf Tour zu gehen. Sechs Jahre hatte ich nur in Studios verbracht. Das hat zwar auch Spaß gemacht, aber mir liegt das reisen im Blut. Sonst würde ich es nicht seit 50 Jahren machen. Ich muss es also irgendwie mögen (lacht).
Womit hast Du bis zum Comeback der Band 1984  mehr Geld verdient, damit der Basser in Deep Purple zu sein oder der Produzent von Rainbow?
RG: Puh, das ist eine verdammt gute Frage. Ich weiß, das klingt jetzt unglaubwürdig, aber ich habe mich nie groß ums Geld geschert. Mir ging es immer um die Musik. Die Musik war für mich der Antrieb. Solange ich meine Miete bezahlen konnte, war mir mein Verdienst egal. Ich habe also wirklich keine Ahnung, was mehr oder weniger war.  

Freitag, 20. November 2015

The Return of the Mango Kid - Danko Jones ist wieder in Hochform

Danko Jones 2015 auf dem Wacken Open Air. Foto: Frank Schwichtenberg (CC)
Zwölf Alben in 18 Jahren, dazu nicht weniger als 30 Europa-Abstecher, ein Spoken Words-Album, Vortragsreisen und Kolumnen in Musikzeitschriften,  da könnte einem glatt die Puste ausgehen. Nicht so Danko Jones. Zu Jahresbeginn hat der kanadische Rockaholic mit „Fire Music“ ganz im Gegenteil  ein ziemlich schmissiges Album herausgebracht.  Am Dienstag machte das Power Trio auf seiner aktuellen Tour  im Karlsruher  Substage Station. Der Big Rock Blog sprach mit Danko Jones.

BRB: Nach ein paar Exkursionen in Classic-Rock-Gefilde habt ihr auf eurem jüngsten Album „Fire Music“ den Punk- und Garage-Rock-Anteil wieder erfreulich hochgefahren. 

Danko Jones: Öhm, ja.

Kannst Du das vielleicht etwas näher erläutern?

Wir haben auf dem  Album mehr Wert auf die Melodien gelegt und ja, manche Songs gehen verstärkt in Richtung Punkrock. Was allerdings die von dir angesprochenen Ausflüge in den Classic Rock angeht, bin ich mir nicht sicher, ob das Ausflüge waren.

Ihr habe also keine bewusste Entscheidung für einen Richtungswechsel getroffen?

Nein, nicht einmal annähernd. Wir wollten einfach zugänglichere Songs schreiben.

 „Twisting Knife“ zum Beispiel  hat eine sehr melancholische Schlagseite, etwas, was ich in eurer Musik bislang nicht wahrgenommen habe. 

Nun ja, „Twisting Knife“ ist eine klassische Mörderballade. Es geht also um einen Mord und da geht es selbstverständlich düster und  melancholisch zu. Wir haben sowas aber schon früher gemacht. Du kannst als Band schließlich keine zehn Alben mit der immer gleichen Emotion rausbringen.

Ich habe euch auf einer euren frühen Tourneen durch Europa (im alten Substage, Verf.) das erste Mal live gesehen. Im Vorprogramm der Backyard Babies – ihr habt die übrigens ziemlich weggeblasen –, das muss so 2001 gewesen sein…

…(lacht) ja, das ist ein Weilchen her, müsste hinkommen.

Eure Show hatte etwas, was ich aber nicht recht greifen konnte. Erst Jahre später, als ich dein Spoken-Words-Album gehört habe, wo du beschreibst wie sehr dich Solomon Burke beeinflusst habe, wurde mir klar, dass es dieser Soul-Einschlag war.

Ja, sein Doppelalbum „Soul Alive!“ hat mich sehr beeindruckt. Aber auch bei Iggy Pop habe ich mir einiges abgeschaut, was die Art und Weise angeht, wie man das Publikum anspricht. 

Ende Januar veröffentlicht ihr euren diesjährigen Auftritt auf dem Wacken Open Air auf CD, DVD  und BluRay. Das machen gerade eine Menge Bands. Ist es atmosphärisch so Besonders dort zu spielen?

Das Festival bietet dir einfach alle Möglichkeiten für Liveaufnahmen. Wenn du dort spielst, gehst du mit Film- und Tonaufnahmen in anständiger Qualität nach Hause. 

Ich war ein paar Mal dort, aber jetzt meide ich es. Die Leute schießen die ganze Zeit nur Selfies, statt den Bands zuzuhören. Das nervt.

Aber das ist das Publikum, nicht das Festival. Ob du gerade die Straße herunterläufst, im Bus sitzt Die Leute machen heute überall Selfies, auf jedem Konzert, auf jeder Dance-Party, ob sie gerade die Straße runtergehen oder im Bus sitzen. Ich glaube, das hat nichts mit Wacken zu tun.

 Aber stört es dich nicht, wenn du ein Konzert gibst und die Zuschauer filmen die ganze Zeit?

Natürlich ist es ein wenig idiotisch, sich ein Konzert über einen winzigen Monitor anzuschauen, wenn man es gleichzeitig mit eigenen Augen verfolgen könnte. Aber wenigstens schauen sie sich die Show noch an.  Es macht mir also nicht allzu viel aus. Wenn die Leute allerdings die ganze Zeit Twittern und Texten und nur auf ihr Telefon starren, frage ich mich schon, was das soll.

Mit Rich King habt ihr euren 8ten Drummer an Bord…

…nein, er ist erst der 7te…

Was macht den Drumhocker bei Danko Jones zu einem Schleudersitz?

Es gibt uns seit fast 20 Jahren, da sind 7 Drummer doch gar nicht so viel. Aber von außen erweckt das natürlich den Eindruck, als seien in der Band lauter Diven, schwierige Persönlichkeiten, die sich nicht zusammenreißen können. Aber eigentlich sind wir sehr umgänglich und mit vielen Leuten in unserem Umfeld, unserem Label unserer Crew arbeiten wir schon seit 2001zusammen. Allerdings waren viele Leute, die in der Vergangenheit in der Band waren, sehr große Drama Queens. Und wir sind keine Band, die Zeit für Drama im Sinne von überflüssigem Schwachsinn hat.

Wo wir gerade von Drummern reden. Vor ein paar Tagen ist Phil „Philthy Animal“ Taylorgestorben. Du bist doch großer Motörhead-Fan, willst Du dazu etwas sagen?

Ja, das ist wirklich sehr traurig. Mit 61 Jahren ist er wirklich sehr früh gestorben. Er hat auf so vielen großartigen Songs gespielt. Er war ein Pionier des Heavy-Drumming.
Zum Abschluss: Was können die Fans von den kommenden Shows erwarten.
Songs! Ich weiß nicht, was ich sonst auf diese Frage antworten soll, als Songs. Gibt es noch mehr, was man erwarten können sollte?

Nein, das war eigentlich eine ziemlich perfekte Antwort auf meine Frage.

Donnerstag, 12. November 2015

The Hammer is gone - Motörhead-Drummer Phil Taylor gestorben

Phil "Philthy Animal" Taylor: 21. Sept., 1954 - 11. Nov., 2015
This one is dedicated to little Philthy! Ich kann mich noch genau an den Augenblick erinnern, in dem mich der Heilige Geist des Rock´n´Roll berührte  – andere nennen es ihren „Ed Sullivan Show Moment“: Ich war vielleicht dreizehn (es muss also am Ende der 80er Jahre gewesen sein) und ich stand an der Abspielstation des WOM in Karlsruhe. Auf Empfehlung  eines älteren Schulkameraden wollte ich mir eine Platte von Motörhead anhören. Ich hatte schon ein paar Alben von Thrash Bands wie Tankard, Sodom und Kreator zu Hause, aber der Typ hatte gemeint Motörhead seien das einzig wahre. Und da er viel längere Haare hatte als ich und sogar einen Ohrring, musste er es wissen. Mehr oder weniger wahllos hatte ich eine Scheibe aus dem entsprechenden Fach herausgezogen. „Dirty Love“ stand darauf. Auf dem roten Cover war ein Bandfoto: Drei ziemlich cool dreinblickende Typen mit Lederjacken, fetten Ringen und Patronengurten, woah. Einer rauchte (noch cooler) und hatte eine Frisur als habe er in eine Steckdose gefasst (irre cool). Da die Plattenhülle keinerlei Informationen enthielt (eine Zusammenstellung von Aufnahmen, an denen „Fast“ Eddie Clark die Rechte besitzt, wahrscheinlich brauchte er damals Kohle), fand ich erst später heraus, dass das Phil „Philthy Animal“ Taylor war, der Schlagzeuger.  Wie dem auch sei. Der Verkäufer nahm das schwarze Vinyl aus der Hülle, die Nadel setzte auf, es knisterte, Verstärker fiepten und dann ging es los. Dängdängdäng a dängedängdängdäng hämmerte der Bass. Dann setzten diese Drums ein, daggaduff, gadaggaduff, duffduffdrrpdrrp. And I never looked back, wie die Engländer sagen.
 Es gibt Leute, die behaupten, Phil Taylor habe keine brillante Technik gehabt. Er hatte aber etwas viel Wichtigeres: einen unnachahmlichen Stil. Wegen dieses komischen nervösen Shuffles klang Philthys Drumming immer irgendwie hyperaktiv, bockend, wie der Hufschlag eines völlig durchgedrehten Esels, der über die Weide tobt, weil man ihm aus Versehen ein Dopingmittel für Rennpferde gespritzt hat. Kein Zweifel, ohne ihn hätten die Alben der klassischen Motörhead-Ära wohl nicht die knisternde Energie, die sie heute noch mitreißend macht. Vielleicht lag das an seinem Speedkonsum, der dem von Lemmy dem Vernehmen nach in nichts nachstand, was Philthy ironischerweise schließlich seinen Job in der Band gekostet hat. Jedenfalls feuerte der Typ immer aus allen Rohren. Wie sein alter Bandkollege „Fast“ Eddie Clark auf seine facebookseite bekanntgab, ist Phil Taylor am Mittwoch, den 11. November, im Alter von 61 Jahren gestorben.

Nachtrag vom 13.11.: Soeben erreichte mich noch folgendes Statement von Lemmy, das ich hier gerne anfüge: I'm feeling very sad at the moment, in fact devastated because one of my best friends died yesterday. I miss him already. His name was Phil Taylor, or Philthy Animal, and he was our drummer twice in our career. Now he's died and it really pisses me off that they take somebody like him and leave George Bush alive. So muse on that. We're still going, we're still going strong, it's just first Würzel and now Philthy, it's a shame man. I think this rock n roll business might be bad for the human life. Oh well.

Montag, 26. Oktober 2015

Endlich wieder reckless - Mit "Get Up!" schwört Bryan Adams dem Schnulzensängerdasein ab


Bryan Adams hat endlich wieder Bock auf Rock! Auf seinem neuen Album „Get Up!“ (Polydor), schlägt der Kanadier hörbar härtere Töne an: “If I am gonna go down/ I gonna go down rockin´“, singt Adams im Song „Go Down Rockin'“. Rockfans wird das freuen. Denn in den frühen 80er Jahren hatte sich Adams mit einem Doppelschlag von gleich zwei kanonischen Alben hintereinander, "Cuts Like a Knife" (1983) und „Reckless“ (1984), in ihre Herzen gespielt. Während der 90er Jahre missbrauchte Adams seine markante heisere Stimme dann aber für schlappe Balladen und Filmmusiken wie "All for Love" (Die drei Musketiere), "Please Forgive Me" und "Have You Ever Really Loved a Woman?" (Don Juan DeMarco) und wurde von der Rockgemeinde als Schnulzensänger abgestempelt.
Adams erstes Album mit neuen eigenen Songs in sieben Jahren markiert aber nicht nur die Rückbesinnung auf alte Rock-and-Roll-Tugenden, sondern auch die vollgültige Rückkehr seines alten Kompositionspartners Jim Vallance. Zusammen schrieb das Duo mit dem Händchen für geniale bis banale Melodien einige von Adams bekanntesten Songs wie "Straight From The Heart" oder eben "Summer Of '69". „Es ist einfach so passiert“, sagt Adams dem BRB am Rande eines Konzerts in Karlsruhe. „Wir haben nicht darüber geredet, eine Platte zu machen, wir haben nicht über Geld geredet, es gab keine Verhandlungen und keine Anwälte. Wir haben einfach Songs geschrieben und nach fünfzehn Monaten hatten wir ein Album.“ 
Bryan Adams live in the Color Line Arena, Hamburg, Germany, on June 3, 2007.Foto: Marco Maas

Adams sich mit einem überraschend harten Album zurück: „Auf allen meinen Platten gibt es rockige Momenten, aber ‚Get Up!‘ gehört ist sicher eines meiner drei härtesten Alben. Ich würde es irgendwo zwischen ‚Cuts Like a Knife‘ und ‚Reckless‘ einordnen“, so der Kanadier. Und tatsächlich, auf „Get Up!“ lässt es Bryan Adams, der in drei Wochen seinen 56sten Geburtstag feiert, endlich wieder krachen. Kaum ein Song ist länger als drei Minuten. Das treibende „Brand New Day“ dürfte jedes Stadion in Schwung bringen. Im stampfenden, waveig angehauchten „Thunderbolt“ quieken und fauchen die Gitarren. „‘Thunderbolt‘ sollte ursprünglich der Albumtitel lauten“, sagt der Musiker. „Ich hatte in Deutschland für die Zeitschrift Vogue eine Band fotografiert und dafür eine Gitarre mit Blitzen verziert“, erzählt Adams, der sich neben seiner dreißigjährigen Musikerkarriere einen internationalen Ruf als Fotograf erarbeitet hat. „Die fand ich dann so cool, dass ich sie behalten habe und gleich noch einen mit diesem Titel geschrieben habe.“ 
Doch schwingt Adams auf „Get Up!“ nicht nur den Donnerkeil: Ein flotter Country-Boogie wie der Opener „You Belong To Me“ oder das von einer pluckernden Gitarre und Handclaps getriebene “That´s Rock and Roll” könnte auch von den Traveling Wilburys sein, jener englisch-amerikanischen Supergruppe der Bob Dylan, George Harrison, Roy Orbison, Tom Petty und auch Jeff Lynne, Chef des Electic Light Orchestras, angehörten. Ebenso die den Geist den frühen 60er Jahre versprühende Ballade “Don´t Even Try”. All das verwundert nur, wenn man nicht weiß, dass Lynne bei der Entstehung von „Get Up!“ als Produzent fungierte. „Wenn jemand sagt, diesen oder jenen Song hätten auch Tom Petty oder Roy Orbison singen können, nehme ich das als Kompliment“, kommentiert Adams diesen Höreindruck. „Meine Musik war schon immer handgemacht und Jeffs Hintergrund ist der Rock and Roll. Er hat in den 60er Jahren schon Platten gemacht, die bis heute Geltung haben. Das hat einfach gepasst. Es war für mich das einfachste Album, das ich je gemacht habe.“ 
Musikalisch mag Bryan Adams eher rückgewandt sein, der technischen Entwicklung und deren Auswirkungen auf das Musikgeschäft ist er sich sehr bewusst. Er hält nichts von Streaming-Diensten wie Pandora oder Spotify: „Ich habe ungefähr 20 Alben draußen und ungefähr 700 Millionen Hits auf Youtube. Und raten sie mal, was meine Erlöse aus dem weltweiten Streaming der Jahre 2010 bis 2014 waren: 2500 Dollar!“ 
Da wird Bryan Adams große Welttournee, die er 2016 unternehmen will, vermutlich rentabler werden. Details dazu konnte er noch nicht nennen.

Mittwoch, 23. September 2015

Stimmtest "Coreprobe" - Miezekätzchen oder wütender Ork?


Beschwerden gab es zwar nicht. Wegen meiner Tätigkeit als Musikjournalist sind meine Nachbarn leidgewohnt. Über die teils unmenschlichen Geräusche, die während der vergangenen Tage aus meinem Arbeitszimmer drangen, dürften sie sich vermutlich aber doch  gewundert haben. Grund für die Kakophonie war meine Versuchsreihe mit dem Online-Stimmtest „Coreprobe“. Der User kann damit testen, was seine Stimmbänder hergeben.
Mikro am Rechner einschalten, reinbrüllen und den Ton zwei Sekunden lang halten, lautet die Anleitung. Also los: Zum warm werden versuche ich es im Schongang und intoniere den Johnny Cash Klassiker „Cocaine blues“. Das T-Bone-Mikrophon auf dem Bildschirm beginnt zu vibrieren, dann zu rauchen und geht schließlich mit lautem grollen in einer roten Feuerwolke auf. Wau!
Auf der bis 160 reichenden Messskala am unteren Bildschirmrand pendelt sich gleichzeitig der Zeiger beim Wert 40 ein. Kein berauschender Stimmkraftwert. Zusätzlich gibt es aber noch eine bildsprachliche Bewertung wie beim „Hau den Lukas“ auf dem Rummel. Da komme ich auf „Alphorn“. Immerhin nicht gerade als leises Instrument bekannt.
Mit dem Refrain von „Anarchy in the UK steige ich um auf etwas höhere Lagen, gebe mehr Druck aufs Zwerchfell und pushe den Zeiger hoch auf 90: „Katzenbaby“. Hat die Maschine ´ne Macke? „Vermutlich ist ein Katzenbaby gemeint, das Sid Vicious gerade am Schwanz packt und über seinem stacheligen Kopf schwingt“, sage ich mir. Ja, so muss es sein.
Ich ändere meine Taktik und experimentiere mit Chris Reifert-mäßigen Growls und ende – wieder als Katzenbaby. Hmpf! Auf gutturalem Wege komme ich hier offensichtlich nicht weiter. Also versuche ich es mit einem verzweifelten so lang gezogenen wie durchdringenden Hair-Metal-Ära-Whitesnake-Still-of-the-night-Schrei. Und siehe da (obwohl ich wieder nicht über 90 hinauskomme): „Darth Vader“. Zweifelsohne ein Schritt nach oben auf der Metal-Skala. Andererseits erscheinen die Bewertungen von Coreprobe somit etwas willkürlich, der Sith Lord trumpft ja eigentlich eher selten mit seinem Sopran auf. (Seine Version von "Bohemian Rhapsody" hat das  mehr als deutlich gezeigt.)
Jetzt stimme ich KSC-Fangesänge an und erreiche damit den respektablen Wert von 60: „Bruce Springsteen“. Dass er „Boss“ ist, kann mein Herzensverein im Moment leider nicht von sich behaupten.
Zum Schluss gebe ich mit unverfälschter Stimme nochmal alles und jage die Tachonadel auf 120 hoch: „Wütender Ork“. Na also, geht doch.
Die Coreprobe ist Bestandteil der Website Knaben-Core. Auf der gibt es noch andere Growl-Spielereien. Hinter der Aktion stehen GeloRevoice Halstabletten von Pohl-Boskamp.