Ob das nun schnöde Leichenfledderei oder Nachlassverwaltung war, kommt auf den Blickwinkel an. Jedenfalls fand das Spielchen seine Ende, als es an die Aufnahmen neuen Materials ging. Ein neues Lizzy-Album ohne Phil wäre vielen wohl auch des Guten zu viel gewesen. Zumal der Abgang von Drummer Brian Downey, Gorham als einzigen Eckpfeiler der klassischen Besetzung zurücklies.
Leichenfledderer oder Nachlassverwalter? Scott Gorham und Black Star Riders. Foto: Mattia Zoppellaro |
Was also ist bei der Charade herausgekommen? Der Titeltrack
stampft schön stimmungsvoll übers grüne irische Gras. Und auch Nummern wie
„Hoodoo Voodoo“ oder „Valley Of The Stones“ sind aufmunternde Rocksongs. Vor
allem im Gitarrenbereich hat das Album seine Momente: Gorham windet
blütenreiche Twin-Guitar-Kränze, wie sie auch in der Lizzy Hochzeit `74 bis `78
hätten entstehen können, als der der Gegenspieler noch Brian Robertson statt
Damon Johnson (u.a. Alice Cooper) hieß.
Kritisch wird es allerdings, wenn die Thin
Lizzy-Karte allzu offensichtlich aus dem Ärmel gezogen wird. Denn ohne Lynotts
authentische Texte und gefühlvollen Gesang geraten Gorham und Konsorten schnell
an die Grenze der Peinlichkeit. So wäre der `86 verstorbene Frontmann mit einem
melodisch so infantilen Refrain wie in „Bound For Glory“ vermutlich noch davon
gekommen, Sänger Ricky Warwick (The Almighty) gerät er hingegen fast schon zum
Schlager. Auch die folkige Black Rose-Referenz „Kingdom Of The Lost“ klingt
eher nach Riverdance als nach Rock und dürfte allenfalls auf vom
öffentlich-rechtlichen Rundfunk präsentierten Konzert-Events auf schwäbischen
Marktplätzen für Begeisterung sorgen.
Hätte Gorham den Schneid oder die Fantasie gehabt,
sein Projekt ein wenig weiter abseits von seiner Marke zu positionieren, wäre
vielleicht mehr bei der ganzen Aktion herumgekommen. Wie man ein zeitgemäßes
Thin Lizzy-Album fabriziert, hat Dave Mustaine ja gerade mit „Super Collider“
vorgemacht.
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