„Ich hab dich immer geliebt / aber eben auf ne' ruhige Art und Weise“, singt Bosse in seinem Song „Liebe ist leise“. Am Schluss heißt es da: „Liebe ist kein Rock'n'Roll“.
Diese Zeilen sagen viel aus über Axel Bosse. Der gebürtige Braunschweiger pflegt eine Art Wohngemeinschafts-Rock. Der ist zwar nicht gerade eindimensional, eckt aber auch nirgends an. Bosse ist – wie sagt man heute? – breit aufgestellt: In der seit Wochen ausverkauften Meier Music Hall drängen sich Indie-Mädchen in Leggins und Strickjacken genauso wie zum Sonntagskaffee bei den Eltern rausgeputzte Wirtschaftsingenieure.
Sicher, es gibt Leute, die der Ansicht sind, respektabler Rock'n'Roll sei keiner – aber jetzt mal ehrlich: Wer will sich mit den Sexpistols dauerhaft eine Butze teilen? Bosse dagegen ist gleichsam der Typus Mitbewohner, der ständig zusammen kochen will. Manchmal nervt das – besonders wenn man gerade mehr Lust auf Dosenbier und schmutzige Filme hat –, aber dafür hört er zu, wenn mit der Freundin mal wieder Stress ist.
Bosse weiß genau, wie er rüberkommt, und versucht gar nicht erst, einen auf coolen Hipster zu machen. Sein graues Schlabber-Shirt betont die schnell größer werdenden Schweißflecken, und als er sich von den überschwänglichen Publikumsreaktionen enthusiasmiert zu einem „Rockstar-Yeah“ hinreißen lässt, muss der Axel selber lachen.
Unterschätzen sollte man den Künstler Bosse aber keineswegs. Zeilen wie „Ich stell alles in Frage / nur nicht ein Wort aus deinem Mund / Steh ich besoffen im Regen / bist du die Nachtapotheke“ sind so bestechend einfach wie schön. „Sommer lang“, vorgetragen im Duett mit Valeska Steiner von der Vorgruppe Boy, ist gar so ergreifend, dass es Augen-Inkontinenz auslöst.
Das Übrige tut die klasse Band. Jenseits vom üblichen Indiepop-Einheitsbrei fahren die Musiker eine Vielzahl von rhythmischen und klanglichen Variationen von NDW über No Wave bis Soul auf.
Fazit: Es muss nicht immer weh tun, um schön zu sein. Bosse berührt manchmal an komischen Stellen, aber er berührt.
Samstag, 16. April 2011
Schlager ist auch nur Heavy Metal
„Schenk mir einen Stern“, wünscht sich Schlagersängerin Andrea Berg in einem ihrer Lieder. Ich als Bewohner des Planet Rock, die Schuhe spitz, die Jacke aus Leder, die Trommelfelle gegerbt von Motörhead und Black Sabbath, bin da erstmal überfordert. Zwischen dem Bergschen Liebesuniversum und der Raumkapsel von Ziggy Stardust liegen schließlich Galaxien. Oder nicht?
An der Absperrung vor der ausverkauften Volkswagen-Halle in Braunschweig stapeln sich leere Getränkebehälter. Ein von Festivals geläufiges Bild. Nur sind es hier Proseccöchen statt Bierdosen. Drinnen laufen Menschen mit blinkendem Kopfschmuck umher. Man kennt das von AC/DC-Konzerten, auch wenn es heute flokatibewehrte Hasenohren statt Teufelshörner sind. Der Altersdurchschnitt liegt zwanzig Jahre unter dem einer Rolling Stones-Show – die Frauen sind nur ordentlicher nagezogen, vielleicht sogar hübscher.
Plötzlich ein Glockenschlag, „Hells Bells“? Nein, nur der Saalgong. Das Licht verlischt, der Vorhang hebt sich. Die weiß gewandete Band spielt in einer Art orientalischem Palast-Ambiente, von der Decke schwebt im überdimensionalen Vogelkäfig eine Geigerin, in einer Nebelwolke entsteigt dem Boden des Laufstegs in der Hallenmitte: Andrea Berg. Kiss machens genauso.
Die Haare rot, die Beine lang, ist die 45-Jährige im kurzen bunten Wickelkleid gewohnt sparsam gekleidet. Berg geht gleich in die vollen: Hits wie „Kilimandscharo“, „Die Gefühle haben Schweigepflicht“ und „Du hast mich tausendmal belogen“ bringen die Fans in Wallung.
Richtig heiß wird es, als sie, nur in ein aus schmalen Lederkrawatten lose zusammengeschnürtes Nichts gehüllt, mit der Harley auf die Bühne fährt. Da kann der Erfinder des Motorrad-Effekts, Judas Priester Rob Halford, schon rein körperlich nicht mithalten. Textzeilen wie „Ein Tag mit dir im Paradies ist mir die Hölle wert“ erwachen da so richtig zum Leben.
Ok, die ganz harte Tour fährt Andrea Berg nicht. Ihre Musiker stellt sie als „süße Schnuckelchen vor“, in den Ansagen ist viel von Liebe die Rede und auf Dauer nervt der ewig gleiche Discofox-Rhythmus. Irgendwie fehlt dem Schlager halt doch die rebellische Note. Obwohl, als im Jugendzimmer mal lautstark Frank Zanders „Oh Susi“ lief, forderte mein Vater, „mach den Mist leiser“.
An der Absperrung vor der ausverkauften Volkswagen-Halle in Braunschweig stapeln sich leere Getränkebehälter. Ein von Festivals geläufiges Bild. Nur sind es hier Proseccöchen statt Bierdosen. Drinnen laufen Menschen mit blinkendem Kopfschmuck umher. Man kennt das von AC/DC-Konzerten, auch wenn es heute flokatibewehrte Hasenohren statt Teufelshörner sind. Der Altersdurchschnitt liegt zwanzig Jahre unter dem einer Rolling Stones-Show – die Frauen sind nur ordentlicher nagezogen, vielleicht sogar hübscher.
Plötzlich ein Glockenschlag, „Hells Bells“? Nein, nur der Saalgong. Das Licht verlischt, der Vorhang hebt sich. Die weiß gewandete Band spielt in einer Art orientalischem Palast-Ambiente, von der Decke schwebt im überdimensionalen Vogelkäfig eine Geigerin, in einer Nebelwolke entsteigt dem Boden des Laufstegs in der Hallenmitte: Andrea Berg. Kiss machens genauso.
Die Haare rot, die Beine lang, ist die 45-Jährige im kurzen bunten Wickelkleid gewohnt sparsam gekleidet. Berg geht gleich in die vollen: Hits wie „Kilimandscharo“, „Die Gefühle haben Schweigepflicht“ und „Du hast mich tausendmal belogen“ bringen die Fans in Wallung.
Richtig heiß wird es, als sie, nur in ein aus schmalen Lederkrawatten lose zusammengeschnürtes Nichts gehüllt, mit der Harley auf die Bühne fährt. Da kann der Erfinder des Motorrad-Effekts, Judas Priester Rob Halford, schon rein körperlich nicht mithalten. Textzeilen wie „Ein Tag mit dir im Paradies ist mir die Hölle wert“ erwachen da so richtig zum Leben.
Ok, die ganz harte Tour fährt Andrea Berg nicht. Ihre Musiker stellt sie als „süße Schnuckelchen vor“, in den Ansagen ist viel von Liebe die Rede und auf Dauer nervt der ewig gleiche Discofox-Rhythmus. Irgendwie fehlt dem Schlager halt doch die rebellische Note. Obwohl, als im Jugendzimmer mal lautstark Frank Zanders „Oh Susi“ lief, forderte mein Vater, „mach den Mist leiser“.
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