„Schenk mir einen Stern“, wünscht sich Schlagersängerin Andrea Berg in einem ihrer Lieder. Ich als Bewohner des Planet Rock, die Schuhe spitz, die Jacke aus Leder, die Trommelfelle gegerbt von Motörhead und Black Sabbath, bin da erstmal überfordert. Zwischen dem Bergschen Liebesuniversum und der Raumkapsel von Ziggy Stardust liegen schließlich Galaxien. Oder nicht?
An der Absperrung vor der ausverkauften Volkswagen-Halle in Braunschweig stapeln sich leere Getränkebehälter. Ein von Festivals geläufiges Bild. Nur sind es hier Proseccöchen statt Bierdosen. Drinnen laufen Menschen mit blinkendem Kopfschmuck umher. Man kennt das von AC/DC-Konzerten, auch wenn es heute flokatibewehrte Hasenohren statt Teufelshörner sind. Der Altersdurchschnitt liegt zwanzig Jahre unter dem einer Rolling Stones-Show – die Frauen sind nur ordentlicher nagezogen, vielleicht sogar hübscher.
Plötzlich ein Glockenschlag, „Hells Bells“? Nein, nur der Saalgong. Das Licht verlischt, der Vorhang hebt sich. Die weiß gewandete Band spielt in einer Art orientalischem Palast-Ambiente, von der Decke schwebt im überdimensionalen Vogelkäfig eine Geigerin, in einer Nebelwolke entsteigt dem Boden des Laufstegs in der Hallenmitte: Andrea Berg. Kiss machens genauso.
Die Haare rot, die Beine lang, ist die 45-Jährige im kurzen bunten Wickelkleid gewohnt sparsam gekleidet. Berg geht gleich in die vollen: Hits wie „Kilimandscharo“, „Die Gefühle haben Schweigepflicht“ und „Du hast mich tausendmal belogen“ bringen die Fans in Wallung.
Richtig heiß wird es, als sie, nur in ein aus schmalen Lederkrawatten lose zusammengeschnürtes Nichts gehüllt, mit der Harley auf die Bühne fährt. Da kann der Erfinder des Motorrad-Effekts, Judas Priester Rob Halford, schon rein körperlich nicht mithalten. Textzeilen wie „Ein Tag mit dir im Paradies ist mir die Hölle wert“ erwachen da so richtig zum Leben.
Ok, die ganz harte Tour fährt Andrea Berg nicht. Ihre Musiker stellt sie als „süße Schnuckelchen vor“, in den Ansagen ist viel von Liebe die Rede und auf Dauer nervt der ewig gleiche Discofox-Rhythmus. Irgendwie fehlt dem Schlager halt doch die rebellische Note. Obwohl, als im Jugendzimmer mal lautstark Frank Zanders „Oh Susi“ lief, forderte mein Vater, „mach den Mist leiser“.
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