Abgekämpft, wie ein von den Hunnen geschlagenes Germanen-Heer der Völkerwanderungszeit, treten die 95000 Heavy Metal-Fans den Rückzug aus der schleswig-holsteinischen Provinz an. Drei Tage lang haben sie „lauter als die Hölle“ Party gemacht. Nun räumen sie erschöpft ihr Feldlager nahe dem 1800-Seelen Weiler Wacken und zerstreuen sich in alle Winde.
120 Bands sind unter dem Banner „louder than hell“ bis Sonntagmorgen auf dem Wacken Open Air (WOA) aufgetreten. Die letzten „Waackäääään“-Schlachtrufe verhallten um sechs Uhr früh als im „Headbangers Ballroom“ die Verstärker ausgeschaltet wurden. Höhepunkten des vielleicht größten aber sicher berühmtesten Heavy-Metal-Festivals der Welt waren die Auftritte von Ozzy Osbourne (wir berichteten), Motörhead und Judas Priest.
Auch die Shows deutscher Bands wie Kreator, Sodom oder den wiedervereinigten Knorkator wurden gefeiert. Zu den einheimischen Festival-Siegern gehörten auch Heaven Shall Burn. Dabei gaben die Thüringer nicht nur mittels ihrer hochoktanigen Mischung aus Hardcore und extremem Death/Thrash Metal mächtig Gas, sondern legten auch mit originellen Animationseinlagen den Turboschalter beim Publikum um.
Ob Sänger Marcus Bischoff wusste was er tat, als er mit den Worten, „es ist Zeit eure Frauen loszulassen und auf die Schultern zu nehmen“, die weiblichen Zuschauer zum Crowdsurfing – einer auf Rockkonzerten beliebten Sportart, bei der Fans von der Menge getragen werden – kann bezweifelt werden. Dafür sorgte er mit einer Flut von Frauen, die sich in den Bühnengraben ergoss, für einen der schönsten und ergreiffendsten Festival-Momente diesen Sommers.
Jedes Metal-Herz höher Schlagen ließen Judas Priest auf ihrer Abschiedstour. Sie gelten als eine der einflussreichsten Bands des Genres. : Lederklamotten, Motorräder auf der Bühne, donnernde Riffs, alle erdenklichen Attribute im Metal-Universum gehen auf Priest zurück. Die verwitterten Recken begannen ihre Zeitreise durch Jahre Bandgeschichte am Freitagabend mit dem programmatisch betitelten Doppelschlag „Rapid Fire“ und „Metal Gods“. Im Schnellfeuer-Rhythmus ließ Oberpriester Rob Halford metal-göttliches Ambrosia auf seine von allen guten Geistern verlassene Gemeinde herabregnen. „Never Satisfied“ vom ersten Album Rockarolla, selten gehörte Meisterwerke wie „Starbreaker“, eine Halbakustik-Version des frühen Hit „Diamonds and Rust“.
Kaum einmal blieb Zeit Atem zu holen. Halford selbst griff in den Pausen zur routiniert zur Sauerstoffflasche. Doch was soll´s, wenn der fast 60-Jährige auf diese Weise selbst die höchsten stimmlichen Höhen eines gesanglichen Mont-Blanc wie „Painkiller“ meistert. Während der meisten Momente an diesem Abend sind Priest mitreißend, in den besten magisch, wie etwa bei der großartigen Ballade „Beyond The Realms Of Death“ oder der komplett vom Publikum gesungenen „Breaking The Law“.
Einziger Wehrmutstropfen ist die Abwesenheit des kürzlich ausgestiegenen K. K. Downing dessen lichtschnelle Riposten die Gitarrenduelle mit Opponent Glenn Tipton erst so richtig beflügelten. Eine Flanke, die der neue Rekrut Richie Faulkner trotz aller Fingerfertigkeit nicht ganz zu schließen vermag.
Doch nun, wie der Engländer sagt, zu etwas völlig anderem: Lemmy. 24 warzige Karat Rock ´n´ Roll, mit seinem Whiskey gegerbten Organ quasi Halfords stimmliches Alter Ego, bellt der Motörhead-Sänger dem Publikum wie eh und je seine lasterhaften Hymnen entgegnen. Er ist die verflüssigte Essenz des Rock´n`Roll, gegossen in ein Paar hautenger schwarzer Jeans und weiße Cowboy-Stiefel. Verfestigt zum wandelnden Mittelfinger, der sich mit einem Patronengurt beringt jedweden Autoritäten und aller Gleichmacherei entgegengestreckt. Dafür lieben ihn alle Rockfans dieser Welt. Welche Songs Motörhead zocken und dass sie sogar ihr altes Spielzeug, eine Lichtanlage in Gestalt eines B-17-Bombers, der waghalsige Flugmanöver vollführt, mitgebracht haben, wird zur Nebensache.
Am Ende haben Lemmy und Co am Samstag eine weitere Schlacht gewonnen, aber der Krieg scheint noch lange nicht vorbei: Wenige Stunden nach Festival-Ende hat der Kartenvorverkauf für die Folgeveranstaltung begonnen. Am Montagmorgen um 00.45 Uhr - eine dreiviertel Stunde nach Vorverkaufsstart - waren die ersten 10 000 Tickets bereits weg.
Montag, 22. August 2011
Sonntag, 21. August 2011
Mach´s wie ein Psycho: Die Cross-Over-Vorreiter Suicidal Tendencies wirbeln auf dem Wacken Festival – Auch Ozzy Osbourne ist ganz der alte
Mächtige Stichflammen stoßen fauchend aus den Nüstern des riesigen weißen Stierschädels, der in schwindelnder Höhe zwischen den beiden riesigen Bühnen des Wacken-Open-Air hängt, dem größten Metal-Festival der Welt. Das Feuer wirft tanzende schatten auf das Meer schweißnasser Gesichter. Zehntausende flackernder Augenpaare sind auf die „Black-Stage“ gerichtet. Der Wind treibt die letzten verwehten Fetzen von Carl Orffs „O Fortuna“ bis in die hintersten Reihen.
„YEEEEEAAAAAAHHHH, YOU FUCKERS“, schreit die weinerliche und doch durchdringende Stimme. Jeder hier kennt sie. Tausendfaches tosendes Johlen ist die Antwort. Ozzy Osbourne, verschmiertes Make-up im Gesicht, den Mund im stummen Schrei verzerrt – oder einem stummen Lachen, wer kann das schon sagen – die auffallend großen Hände mit den schwarz lackierten Nägeln zur Seite abgespreizt. stolpert im charakteristischen Watschelgang auf die Bühne. „I can´t here you“, schreit Ozzy. Das Johlen schwillt zum Heulen. Ist der Mann gänzlich taub? Nein, aber nach vierzig Jahren im Rock-Geschäft weiß der „Madman“ wie man eine Festival-Menge nehmen muss: im Sturm.
“Crazy Train”, “Mr. Crowly”, “Suicide Solution”, Ozzy ballert aus allen Rohren. Seine runderneuerte Flakhelfer-Truppe um den griechischen Gitarristen Gus G funktioniert wie eine gut gedrillte Einheit funktionieren muss. Da kann sich der Chef die eine oder andere Feuerpause gönnen. Während „War Pigs“ einem der Hits seiner alten Band Black-Sabbath - mit der er in den 70ern kalte koksverschneite Klangipfel erklomm, bevor er in den 80ern eine nicht minder berauschende und berauschte Solo-Karriere begann – verschwindet der Chef mal für eine gute viertel Stunde aufs Klo oder ein Nickerchen machen. Die Helfer überbrücken die Zeit mit mehr oder minder inspiriertem Solo-Gegniedel.
Es stört die wenigsten. Für die Masse der Fans ist der Alkohol-getriebene Stimmungszug um diese Zeit (halb elf) ohnehin schon lange abgefahren und die meisten freuen sich, dass ihr Ozzy überhaupt noch lebt. Das der – sofern auf der Bühne – sich keine Mühe gäbe, lässt sich auch gar nicht behaupten. Ozzy vergießt Herzblut, Schweiß und vor allem Spritzwasser gleich kübelweise über die Menge. Und kann darüber hinaus aus einem Fundus an Songs schöpfen, der seinesgleichen sucht. Ja, Ozzy gehört zum alten Eisen, aber auch leicht rostiges Metall ist an diesem Donnerstag noch hart genug zum Schädelspalten.
Der von Mike Muir allerdings wird von einem tief über die Augen gezogenen Stirnband zusammengehalten. Es muss so sein, denn ohne den blauen Lappen um den Kopf hat den Sänger der Suicidal Tentencies, die freitagnachmittags auf der gleichen Bühne spielen, noch niemand gesehen. Anfang der 90er Jahre gehörten Muir, genannt Psycho Miko, und seine Band aus dem kalifornischen Venice Beach zur Avantgarde der Cross-Over-Bewegung. Damals wurde es unter Skateboard-Fahrern schick, harte Musik zu hören und plötzlich waren auch Metal-Heads auf vier Rollen unterwegs. Mit Platen wie „Lights, Camera, Revolution“ brachten Suicidal die potente Kreuzung aus Punk, Funk und politischer Agitation ans Licht der breiten musikinteressierten Öffentlichkeit.
„Do it the psyho-way“, fordert Miko von der Bühne herab, doch heute scheinen selbst Panzerglas durchschlagende Perlen wie „War Inside My Head“, „Join The Army“ oder “Pledge Your Alegiance” aber weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Der verrückte Miko vollführt seine verwirbelten Tanz-Kapriolen vor lichten Reihen. Zumindest die lassen sich zu erratischen „Su-I-Ci-Dal“ Sprechchören hinreißen. Zu Recht: In der Kombination von Po-Wackler und Nackenbrecher macht den „Suicidal“ so leicht keiner was vor. Und das obwohl Muir auch schon nachgelassen hat. Das Stirnband trägt er heute höher als früher.
„YEEEEEAAAAAAHHHH, YOU FUCKERS“, schreit die weinerliche und doch durchdringende Stimme. Jeder hier kennt sie. Tausendfaches tosendes Johlen ist die Antwort. Ozzy Osbourne, verschmiertes Make-up im Gesicht, den Mund im stummen Schrei verzerrt – oder einem stummen Lachen, wer kann das schon sagen – die auffallend großen Hände mit den schwarz lackierten Nägeln zur Seite abgespreizt. stolpert im charakteristischen Watschelgang auf die Bühne. „I can´t here you“, schreit Ozzy. Das Johlen schwillt zum Heulen. Ist der Mann gänzlich taub? Nein, aber nach vierzig Jahren im Rock-Geschäft weiß der „Madman“ wie man eine Festival-Menge nehmen muss: im Sturm.
“Crazy Train”, “Mr. Crowly”, “Suicide Solution”, Ozzy ballert aus allen Rohren. Seine runderneuerte Flakhelfer-Truppe um den griechischen Gitarristen Gus G funktioniert wie eine gut gedrillte Einheit funktionieren muss. Da kann sich der Chef die eine oder andere Feuerpause gönnen. Während „War Pigs“ einem der Hits seiner alten Band Black-Sabbath - mit der er in den 70ern kalte koksverschneite Klangipfel erklomm, bevor er in den 80ern eine nicht minder berauschende und berauschte Solo-Karriere begann – verschwindet der Chef mal für eine gute viertel Stunde aufs Klo oder ein Nickerchen machen. Die Helfer überbrücken die Zeit mit mehr oder minder inspiriertem Solo-Gegniedel.
Es stört die wenigsten. Für die Masse der Fans ist der Alkohol-getriebene Stimmungszug um diese Zeit (halb elf) ohnehin schon lange abgefahren und die meisten freuen sich, dass ihr Ozzy überhaupt noch lebt. Das der – sofern auf der Bühne – sich keine Mühe gäbe, lässt sich auch gar nicht behaupten. Ozzy vergießt Herzblut, Schweiß und vor allem Spritzwasser gleich kübelweise über die Menge. Und kann darüber hinaus aus einem Fundus an Songs schöpfen, der seinesgleichen sucht. Ja, Ozzy gehört zum alten Eisen, aber auch leicht rostiges Metall ist an diesem Donnerstag noch hart genug zum Schädelspalten.
Der von Mike Muir allerdings wird von einem tief über die Augen gezogenen Stirnband zusammengehalten. Es muss so sein, denn ohne den blauen Lappen um den Kopf hat den Sänger der Suicidal Tentencies, die freitagnachmittags auf der gleichen Bühne spielen, noch niemand gesehen. Anfang der 90er Jahre gehörten Muir, genannt Psycho Miko, und seine Band aus dem kalifornischen Venice Beach zur Avantgarde der Cross-Over-Bewegung. Damals wurde es unter Skateboard-Fahrern schick, harte Musik zu hören und plötzlich waren auch Metal-Heads auf vier Rollen unterwegs. Mit Platen wie „Lights, Camera, Revolution“ brachten Suicidal die potente Kreuzung aus Punk, Funk und politischer Agitation ans Licht der breiten musikinteressierten Öffentlichkeit.
„Do it the psyho-way“, fordert Miko von der Bühne herab, doch heute scheinen selbst Panzerglas durchschlagende Perlen wie „War Inside My Head“, „Join The Army“ oder “Pledge Your Alegiance” aber weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Der verrückte Miko vollführt seine verwirbelten Tanz-Kapriolen vor lichten Reihen. Zumindest die lassen sich zu erratischen „Su-I-Ci-Dal“ Sprechchören hinreißen. Zu Recht: In der Kombination von Po-Wackler und Nackenbrecher macht den „Suicidal“ so leicht keiner was vor. Und das obwohl Muir auch schon nachgelassen hat. Das Stirnband trägt er heute höher als früher.
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