Lemmy 2005 auf der Bühne in Edmonton. Foto: Mark Marek |
Wie alle großen Männer hatte Lemmy Kilmister konkrete Vorstellungen für sein Ableben. „Ich werde verpuffen!“, hatte der Frontmann der legendären britischen Heavy Metal Band Motörhead einmal angekündigt. Mit einem Knall ist er jetzt zwar nicht abgetreten, sein Tod kam aber immerhin plötzlich und unerwartet. Am Montag ist Ian Frazer Kilmister überraschend in seiner Wahlheimat LA an einem Krebsleiden gestorben. Nur vier Tage nach seinem 70sten Geburtstag, zwei Tage, nachdem er von seiner Krankheit erfahren hatte.
„Victory or Die“, „Sieg oder Tod“, hieß der
Eröffnungssong auf dem letzten Motörhead Album „Bad Magic“, das erst im August
erschienen war – es war das 22ste der Band. Das klang wie eine Kampfansage. Vor
allem an das Alter, dessen Begleiterscheinungen diesem lange als unverwüstlich
geltenden Krieger in den letzten Jahren zunehmend zu schaffen machten.
Schlachten hatte der stets mit eine
Rickenbacker-Bass bewaffnete Lemmy Kilmister in einem langen Rock´n´Roller-Leben
viele Geschlagen: Am Weihnachtsabend 1945 in Stoke on Trent in den Midlands
geboren, wuchs er im ärmlichen Nachkriegsengland ohne Vater auf. Seine
Schulzeit verbrachte er in Wales, wo er „als einziges englisches Kind unter 700
Walisern“ keinen leichten Stand hatte. Das Blatt wendete sich, so ist in seiner
famosen Biographie „White Line Fever“ zu lesen, als er eine Gitarre mit zum
Unterricht brachte: Plötzlich war der schmächtige Junge mit den abstehenden
Ohren von Mädchen umlagert – obwohl er keinen Ton spielen konnte. „Das hat mir
die Augen geöffnet!“
Danach schaute Lemmy nie mehr zurück. Er verdingte
sich (zunächst als Gitarrist) in lokalen Bands. 1967 verschlug es ihn nach
London, wo er sich mit einem Job als „Roadie“ für Jimi Hendrix über Wasser
hielt. Wobei seine Hauptaufgabe darin bestand, den Star mit Drogen zu
versorgen. Als Bezahlung gab es LSD. Den musikalischen Durchbruch schaffte Lemmy,
der seinen Spitznamen dem Vernehmen nach erhielt, weil er als stets klammer
Jungmusiker sein Umfeld mit dem Satz "lemmy [lend me] a quid
'til Friday" regelmäßig um Geld anpumpte, 1972 mit der Band Hawkwind. Er
sang den Titel „Silver Machine“ ein, der auf Platz drei der britischen
Single-Charts landete und somit zum größten Hit von Hawkwind avancierte. Das
hinderte die Band nicht daran, ihren Bassist und Teilzeitfrontmann nach einem
Drogenbedingten Grenzzwischenfall während einer US-Tour 1975 zu feuern.
Bald darauf gründete Lemmy seine eigene Band, die er
aus Rache an Hawkwind nach dem letzten Song benannte, den er für sie geschrieben
hatte: Motörhead. Nach einigem hin und her verfestigte sich die als klassisch
geltende Besetzung mit „Fast“ Eddie Clarke an der Gitarre und dem erst im November verstorbenen Phil „PhilthyAnimal“ Taylor“ am Schlagzeug. Das Trio spielte eine krude Mischung aus
Hardrock, Punk und Rock´n´Roll, schnell, hart und unerbittlich. Mal galten
Motörhead als schlechteste, Mal als lauteste Band der Welt. Die Kritiker hassten
sie, die Kids liebten sie umso inniger. Ihren künstlerischen und kommerziellen
Höhepunkt erreichten Motörhead zwischen 1980 und 1982 mit dem Single-Hit “Ace
Of Spades” und dem unsterblichen Live-Album
„No Sleep ´til Hammersmith", das auf dem
ersten Platz der britischen Charts landete.
Seither gelten Motörhead als eine der
einflussreichsten Heavy Metal Bands aller Zeiten, Lemmy Kilmister war die einzige
Konstante in der 40-Jährigen Bandgeschichte. Schwarzes Hemd, schwarze Hose, die
weißen Cowboystiefel in den Bühnenboden gestemmt, den Kopf in den Nacken
geworfen wie ein heulender Wolf, der Fleisch gewordene Rock´n´Roll, der Inbegriff der Coolness. Die Fans werden einen
Rockstar wie er sein soll in Erinnerung behalten. Diejenigen, die das Vergnügen
hatten, ihn einmal persönlich zu treffen, einen unprätentiösen Gentleman, der
dem Besucher einen Whiskey anbot (oder auch mehrere), dazu wertvolle Trinkertipps
gab („Nimm zwei ineinandergesteckte Plastikbecher, einer ist zu labberig und
hinterher hast du alles auf der Hose!“) und bei guter Laune schon mal ein
Liedchen anstimmte („Adolf Hitlers Lieblingsblume ist das schlichte Edelweiß“).
Einen gewitzten aber auch bärbeißigen Gesprächspartner, der diebisches Vergnügen
daran hatte, einen gnadenlos auflaufen zu lassen, wenn man ihm undurchdachte
Interviewfragen stellte.
Lemmy liebte den Rock´n´Roll und er liebte die
Straße, das Leben auf Tour. Für diese Liebe kämpfte er bis zuletzt. In seiner
ihm eigenen Sturheit machte er weiter Platten und gab Konzerte. Ihre letzte
Show spielten Motörhead am 11. Dezember in Berlin.
Lemmy und der BRB 2014 in Hamburg. Foto: Ute Kromrey |