Dienstag, 14. August 2012
Krach statt Vanilleeis - Tom Petty and The Heartbreakers spielen am 1.7. in Mannheim
Das Konzert liegt zwar schon etwas länger zurück, unter den Tisch will ich es dennoch nicht fallen lassen.
Schlag halb neun, Showbeginn. Das Saallicht ist erloschen, die vollbesetzte SAP-Arena in Mannheim summt an diesem Samstag wie ein Bienenstock. Über die Bühne tanzen die Lichtpunkte von Taschenlampen wie Glühwürmchen. Sie weisen den Musikern den Weg auf ihre Plätze.
Strahler an, Jubel brandet auf. Tom Petty, im dezenten Anzug, dessen Blau hervorragend zum gelben Spaghettihaar passt, schlendert, die charakteristische Rickenbacker-Gitarre um den Hals, locker aus den Knien wippend, zum leichtfüßigen Beat von "Listen To Her Heart" auf spitzen Schuhen die Bühnenfront entlang.
Spätestens mit der ersten Refrainzeile des zweiten Songs ist das Motto des Abends dann gesetzt: "Oh, yeah, you wreck me, baby". Mehr als zwei Jahrzehnte sind Petty und seine Herzensbrecher Europa ferngeblieben, klar dass sich die Fans danach verzehren, sich so richtig durch den emotionalen Fleischwolf drehen zu lassen.
Da juckt es auch nicht, dass sich der Beobachter nur schwer des Eindrucks erwehren kann, bei Petty sei heute nicht nur der Anzug blau. Etwas zu verwaschen ist die Aussprache, als der 61-Jährige aus dem Städtchen Gainesville in Florida, dem Publikum nach einem gedehnten "Thaaaank you sooooo much" eine "laaaaaaaaange Liste von Sooooongs" in aussicht stellt. Oder sind es doch nur "Southern Accents"?
Einerlei, wir sprechen hier nicht von Exzessen morrisonschen Ausmaßes, sondern lediglich von einem beschwingten Räuschchen, wie es Großväter pflegen. Am letzten Abend einer erfolgreichen Europatour kann man sich schonmal ein gutes Fläschchen gönnen, insbesondere wenn man über einen mit Hits derart wohlausgestatteten Backkatalog - und eine Backingband wie die Heartbreakers - verfügt.
Schon das an dritter Stelle gespielte, einst von Johnny Cash geadelte "I Won´t Back Down" - auf den "American Recordings" griff ihm die Band mehrfach unter die Arme" -, reißt die euphorisierten 9000 von den Stühlen. Die Sitzgelegenheiten werden sie von nun an nicht mehr brauchen.
Und dann diese Band: Der bullige Steve Ferrone bearbeitet sein Schlagzeug mit der Unbeirrtheit eines herannahenden Güterzuges. Benmont Tenchs klar wie ein Gebirgsbächlein plätschernde Pianoläufe lassen das Herz lachen, und seine wulstigen Organsounds erwärmen es wie die Liebe einer Mutter. Ron Blair zupft bedächtig seinen wumpfernden Bass und wirkt mit seiner helmartigen Tantenfrisur noch solider als ohnehin- ein Idealtyp seiner Zunft.
Zweitgitarrist Scott Thurston hält sich hinter einer Orgel verborgen und bedient darüber hinaus diverse den Klang vertiefende Zusatzinstrumente. Bei "Handle With Care" von den Traveling Wilburys, Pettys Supergroup, unter anderem mit Jeff Lynne, Bob Dylan und George Harrison, gibt er obendrein einen passablen Roy Orbison.
Mike Campbell schließlich punktet nicht nur mit seinem getupften Gitarren-Helden-Hemd, sondern vor allem so messerscharfen wie schnargeligen Soli. Der agile 62-Jährige gibt dazu eine Lehrstunde in Soundkunde: Beständig zwischen Rickenbacker, Gibson, Fender, Düsenberg und anderen Modellen wechselnd, demonstriert der Tonmeister, was für einen gewaltigen klanglichen Unterschied es macht, mit welchem Instrument ein Song dargeboten wird.
Und zum Wechsel der Klangfarben gibt es reichlich Gelegenheit: Ob psychedelischen Bluesrock ("Oh Well" von Fleetwood Mac, "Something Big", "Yer So Bad"), Rock´N´Roll (Chuck Berrys "Carrol"), springsteenmäßigen Stadionrock ("Don´t Come Around Here No More"), verwegenen Pat-Garret-and-Billy-the-Kid-Country ("Learning To Fly) oder mintutenlange Jams, wie den bei "It´s Good To Be King", dessen abgedrehte Weltraum-Wucht selbst Drogenrockern wie Monster Magnet zur Ehre gereichte¬, diese Typen können wirklich alles spielen.
Da bleibt manchmal selbst dem Chef, der zwar leckere Songs schreiben kann, aber instrumentell limitiert ist, wenig anderes übrig, als wie beim brodelnden Stampfer "I Should Have Known It" mit rudernden Armen die Rasseln zu schwingen, von denen er vor lauter Begeisterung sogar eine auf den Bühnenbrettern zertrümmert. Zum Glück findet sich schnell ein Tambourine, das sich ersatzweise schlagen lässt. Ansonsten tänzelt er etwas ungelenk auf der Rampe herum. Ohne Instrument hängt er mit rausgerecktem Bürzel am Mikrophon wie Majas Bienenfreund Willie.
Ein respektabler Rocker dennoch. Petty mag in den Frühneunzigern seine Vanilleeis-Phase gehabt haben, doch das hier ist kein gefälliger Singer-Songwriter-Pop. Das ist Krach, eindeutig. Krach mit Attitüde. Freude-, Spielwitz-, und etwas alkoholfeuchte Aussprache sprühend. Nicht umsonst teilten sich Petty und Campbell in ihrer ersten Band Mudcrutch häufig mit den Südstaaten-Rauhbeinen vom Lynyrd Skynyrd die Bühne, und auch Thursten dürfte von seinem alten Arbeitgeber Iggy Pop einiges gewohnt sein.
Beim finalen Doppelschlag "Refugee" und "Runnin` Down A Dream" lässt sich dann sogar der besonnene Blair mitreissen und macht drei Schritte nach vorne. Auch Thursten kommt aus der Orgeldeckung und Campbell ist sowieso überall. Petty, das Kreuz gerade, die Saiten energisch malträtierden, scheint wieder ausgenüchtert. Das Publikum hingegen ist längst entrückt in japsendem Freudentaumel.
Aufblasbare Riesenschwänze brauchen vielleicht Rolling Stones, um ihre Potenz unter Beweis zu stellen, die Heartbreakers nur ein paar Gitarren. Ein denkwürdiges Konzertereignis, formidabel!
Montag, 6. August 2012
Regen, Schlamm und Schwermetall
Die Mutter aller Schlammschlachten ist geschlagen. Das 23. Wacken Open Air ist in der Nacht zum Sonntag zu Ende gegangen. Drei Tage lang trotzten 75 000 Heavy-Metal-Fans aus aller Welt vom Himmel stürzenden Wassermassen und steigenden Pegeln auf den Campingplätzen. Als Höhepunkt bereiteten die Metalheads dem angejahrten deutschen Rock-Export-Schlager Nummer 1, den Scorpions, einen feuchten aber fröhlichen Empfang.
Erfreulich: Die Hannoveraner Pyramiden-Bauer vergeudeten vor hartgesottenem Publikum nicht wertvolle Spielzeit mit dem üblichen Balladen-Geplätscher, sondern schlugen von Beginn an mit dem ganz schweren Paddel drein. So erfreuten Gitarren-Souverän Rudolf Schenker und die Seinen mit einer rasanten Griffbrett-Fahrt durch ihre gesamte jahrzehntelange Kariere: „The Zoo“, „Break Out“, „Coming Home“ und natürlich „Rock You Like A Hurricane”, um nur einige Großtaten der niedersächsischen Hitschmiede zu nennen.
Als Turbolader erwies sich Trommler James Kottak, der stets auf allen Zylindern zündete. Gezügelt wurde der Ritt auf dem peitschenden Scorpionschwanz lediglich durch Sänger Klaus Meine, dessen Stimme zum Bohren der ganz dicken Bretter heute manchmal zu dünn war. Sei´s drum, den „Lovedrive“ haben die „Scorps“ noch immer. Auch die XXL-Bühnenshow mit viel Bohei, Flammen und sogar Funken versprühenden Frauen auf der Bühne, konnte sich selbst mit der von Über-Größen wie Kiss messen, die ja sonst immer die hellste Kerze auf der Rock-Torte sind.
Apropos Torte. Mit ihrem Knochen zersplitternden Metal-Überfall bewiesen im Anschluss Machine Head, dass auch sie ganz groß im Sahneschlagen sind. In Übelkeit erregender Lautstärke machten sich die US-Amerikaner an ihr Zerstörungswerk: Riff-Salve auf Riff-Salve, unablässiger Bass-Beschuss, unentwegtes Trommel-Feuer. Nach 70 Minuten Thrash-Terrorwaren die bedauerswerten, knietief im Schlamm steckenden Divisionen sturmreif geschossen – und selig. Sieg auf ganzer Linie!
Auf nennenswerten Widerstand trafen Ministry dann nicht mehr, zumindest rein Zahlenmäßig. Die Reihen hatten sich gelichtet, Wetter und tagelanges Feiern forderten nun ihren Tribut. Die Ausharrenden erhielten eine Lektion in politisch-musikalischer Agitation! Seit mehr als zweieinhalb Dekaden führt Erster Minister Al Jourgensen einen von brachial-dunklem Industrial-Grollen begleteten Propagandafeldzug gegen sein Heimatland. Über den Bilschirm, der den kompletten Bühnenhintergrund einnimmt, flackern Fratzen des Todes: feuernde Soldaten, zerschossene Leiber, George W. Bush. Im Rhythmus an maschinelle Infernos erinnerder Sound-Kollagen stolziert Jorgensen, der mit seinen schwarzen Dreadlocks und dutzenden stahglänzenden Gesichts-Piercings aussieht wie ein postapokalyptischer Vodoo-Priester, im lässigen Stechschritt über seine Bühne und predigt: „Nehmt euch in acht vor denen da oben!“ Die Botschaft verbreiten auch andere. Aber während Punk-Veteran Henry Rollins am selben Mittag berichtet, wie er haitianische Flüchtlingskinder im Fußbällen versorgt, um ihr Los zu Lindern, kann man davon ausgehen, das Jourgensen sie aus dem selben Grund mit Kalaschnikovs ausrüsten würde.
Trotz allen beschriebenen Bombasts, sind auf dem Wacken-Festival aber auch immer noch junge, überraschende und unverbrauchte Bands zu entdecken. Bestes Beispiel 2012, Red Fang. Währe Schleswig-Holstein nicht ohnehin schon flach,spätestens nach dem Auftritt des Quintetts wäre es platt gewesen. Gezogen auf dem Nährboden psychedelischen Urschlamms, in dem etwa auch die Black Angels hausen, und dem Staub der Kyuss-Wüste, gemästet mit fleischigen Gitarren und saftig-fetten Drums - die Amis haben ein fieses Monstrum geschaffen, aus dessen Lefzen zäher Doom-Schleim tropft, das aber auch stets bereit ist zum tödlichen Sprung.
Solange es solche Entdeckungen bietet, wird das W.O.A. seine Stellung als Identitätsstiftendes Sozialisationsprojekt der Metal-Verrückten Massen wohl behaupten können, auch wenn sich +nter diese langsam Party-Publikum in bedrohlichem Maße mischt. Man wird sehen.
Die lautesten Spiele der Welt
Der Läufer hastet vobei. Das wehende blonde Haar ist schweißnass, zu fransigen Strähnen verklebt. Er reist die Arme empor, Siegerpose. Die Hände zu Fäusten geballt, Zeige- und Kleiner Finger sind abgespreizt. Ein heiserer Schrei dringt aus der trockenen Kehle: Yeaahhhh, Wacken. Die Umstehenden applaudieren, jubeln. Die Welt-Metal-Spiele sind in vollem Gange.
Während sich in London die besten Athleten der Welt in Leichtathletik, Fechten und Dressurreiten messen, messen sich im schleswig-holsteinischen Flachland die herrlichsten Spinner der Welt. Das Starterfeld ist International, die Veranstalter sprechen von 80 000 qualifizierten Teilnehmern. Ihr Festival sei damit das größte Ereignis der metallischen Freiluft-Saison.
Wichtigste Wettkampfdisziplin ist dabei der Metal-Dreikampf: Hochgeschwindigkeits-Haarschütteln, Rempel-Lauf, wobei die Partizipanten eine Songlänge wild im Kreis stürmen, und Mengen-Reiten. Hierbei müssen die Starter eine möglichst weite Strecke über einen Menschenauflauf hinweg zurücklegen, indem sie von der Menge getragen werden. Als zusätzliche Erschwernis gilt es dabei die gleichzeitig auf dem selben Feld stattfindenden Haarschüttel- und Rempel-Wettbewerbe zu umschiffen.
Darüber hinaus sind bei den Wacken-Fans nicht nur Breitensportarten wie Einarmiges Reißen oder Bierbecherweitwurf, die auch bei anderen Großveranstaltungen angesagt sind, populär, sondern auch obskure Randdisziplinen wie Kasten-Kacken (im Stand) oder Urinal-Waten.
Mindestens genauso wichtig wie die Sportwettbewerbe ist in Wacken das musikalische Rahmenprogramm. Drei Tage lang spielen auf sieben Bühnen internationale Schwergewichte der harten Musik, genauso wie lokale Newcomer.
Gleich zum Festivalauftakt am Donnerstag ließen die Thrash-Veteranen Sepultura Herzen aus Stahl höher Schlagen. Mit den Les Tambours Du Bronx brachten die Brasilianer gleich eine ganze Trommelgruppe an den Start, die sich mit dem 17-Jährigen Wundertrommler der Truppe aus Rio einen atemberaubenden tribalistischen Schlagabtausch lieferte und die Mengenreiter zu ersten Höchstleistungen anspornte.
Einen Achtungserfolg erzielte unterdessen die Braunschweiger Formation Santiano, die mit Shanties und Seemansliedern schon zu früher Stunde die Kraftsportler im Biergarten am eingang des Festival-Geländes puschte.
Erfreulich auch der Auftritt einer überaus erfahrenen Mannschaft aus England: Saxon. Kapitän Bif Bifford führte seine Mannschaft mit der vollen Kraft seiner pumpenden Lungenflügel durch ein Best-Off-Programm, dass neben unverwüstlichen Klassikern wie "Crusader" oder "Princess Of The Night" aber auch Raum für neueres Material ließ, was auch von den Wettkämpfern, insbesondere der Haarschüttel-Fraktion, positiv aufgenommen wurde.
Ein dickes Ausrufezeichen setzten zum Abschluss der ersten Wettkampftages die Vielseitigkeits-Talente Volbeat. Mit ihrer Mischung aus epischem Metal, melodischem Hardcore und Rockabilly mit an Glenn Danzig erinnernden "Elvis-Gesang" legten die Dänen nach zähem Beginn noch eine umjubelte Kür hin.
Und es bleibt Spannend: Unter anderem steht noch der Auftritt der Hannoveraner Hardrock-Routiniers Scorpions aus, genauso wie jener der Industrial Pioniere Ministry. Allerdings ist der vor einigen Tagen in Paris zusammengebrochen, manche vermuten Spätfolgen jahrelangen Dopings als Ursache.
Zu "sauberen" Metal-Spielen mag es noch ein schlammiger Weg sein, der guten Stimmung hier in Wacken tut das bislang keinen Abbruch.
Samstag, 5. November 2011
Erlebnis-Gastronomie mit Apfelschorle - US-Soul-Star Rihanna dröhnt mit ihrer „Loud“-Tour in Hannover
„Loud“ ist das passende Motto für Rihannas Konzertreise. Über die schiere Lautstärke ihrer Produktion hinaus, präsentiert sich die Sängerin von der Urlaubsinsel Barbados am Freitag in der voll besetzten Tui-Arena in Hannover auf einer Bühne, die einem gigantischen Speaker-Kabinett nachempfunden ist.
Die Show beginnt mit einem grellen wie markerschütterndem Video- und Soundgewitter. Vier enorme, wie Lautsprecher-Chassis gestaltete, bewegliche Leinwände senken sich an Drahtseilen hängend auf die Bühne herab. Deren Rückpartie wird beherrscht von vier weiteren gewaltigen, übereinander angeordneten Bildschirmen. Auf sie wird Rihannas Einzug in die Arena übertragen. Der unterste Monitor öffnet sich. Durch den klaffenden Durchlass fährt Rihanna gewandet in ein glitzergrünes Mini-Trenchcoat und rosa Hochfront-Pumps in einer Art Leuchtkugel stehend ein. Dabei schmettert sie lauthals ihren Welthit “Only Girl (In the World)”.
Der Zweitschlag folgt unmittelbar: “Disturbia” einen weiteren Nummer-1-Hit vom 2007er Output „Good Girl Gone Bad“ bietet sie im leuchtfarbenen Zweiteiler dar, flankiert von einem halben Dutzend ebenfalls leuchtfarbener Tänzer.
Damit ist schon das komplette dramaturgische Inventar des Rihanna-Spektakels beschrieben. Begleitet von einer für eine Showlänge von zwei Stunden erstaunlichen Zahl instrumental-solistischer, tänzerischer und filmischer Einlagen ihres Ensembles wird Rihanna auf verschiedensten Bühnenelementen (Autowracks, pinke Geschütztürme, Throne, Käfige) in unterschiedlichen Stadien des unbekleidet Seins vor den Augen der staunenden Gäste immer und immer wieder auf ihren Arbeitsplatz gehievt.
Dazu reicht sie solide Hit-Kost, mal mit Dancefloor-, Reggae- oder R´n´B-Geschmack. Nun ist derlei konsumorientierte Chart-Pop-Event-Gastronomie musikalisch zwar weitgehend spannungsfrei, aber beileibe nicht verdammenswert. Doch kann man sich nur schwer des Eindrucks erwehren, der Star gebe sich mit dem eigenen fehlenden Anspruch musikalischer Innovation selbst nicht zufrieden und suche ihn durch allerlei Image-Kapriolen zu kompensieren.
Am augenfälligsten wird das während des Lackleder-angehauchten Kurzauftritts, während dem sich die selbsternannte "Rebelle" im schwarzen Frack zunächst zu Prince’s “Darling Nikki” mit einigen halbnackten Tänzern in den Stellungskrieg begibt und dann während “S&M” auf einem männlichen Fan Reiterspiele vollführend im Bühnenboden versinkt.
So sehr sie es versucht, dieser Frau gelingt es zu keinem Zeitpunkt den unzüchtigen Charme ähnlich erfolgreicher Pop-Karrieristinnen vom Schlage einer Christina Aguillera oder gar Pink zu entfalten. Wenn Rihanna singt, “Sex in the air, I don't care, I love the smell of it. Sticks and stones may break my bones. But chains and whips excite me", klingt das nicht wollüstig, sondern als wolle sie einem eine Apfelschorle anbieten. Wer hier scharf wird statt durstig wird, sollte einen Sexualtherapeuten aufsuchen.
Die Show beginnt mit einem grellen wie markerschütterndem Video- und Soundgewitter. Vier enorme, wie Lautsprecher-Chassis gestaltete, bewegliche Leinwände senken sich an Drahtseilen hängend auf die Bühne herab. Deren Rückpartie wird beherrscht von vier weiteren gewaltigen, übereinander angeordneten Bildschirmen. Auf sie wird Rihannas Einzug in die Arena übertragen. Der unterste Monitor öffnet sich. Durch den klaffenden Durchlass fährt Rihanna gewandet in ein glitzergrünes Mini-Trenchcoat und rosa Hochfront-Pumps in einer Art Leuchtkugel stehend ein. Dabei schmettert sie lauthals ihren Welthit “Only Girl (In the World)”.
Der Zweitschlag folgt unmittelbar: “Disturbia” einen weiteren Nummer-1-Hit vom 2007er Output „Good Girl Gone Bad“ bietet sie im leuchtfarbenen Zweiteiler dar, flankiert von einem halben Dutzend ebenfalls leuchtfarbener Tänzer.
Damit ist schon das komplette dramaturgische Inventar des Rihanna-Spektakels beschrieben. Begleitet von einer für eine Showlänge von zwei Stunden erstaunlichen Zahl instrumental-solistischer, tänzerischer und filmischer Einlagen ihres Ensembles wird Rihanna auf verschiedensten Bühnenelementen (Autowracks, pinke Geschütztürme, Throne, Käfige) in unterschiedlichen Stadien des unbekleidet Seins vor den Augen der staunenden Gäste immer und immer wieder auf ihren Arbeitsplatz gehievt.
Dazu reicht sie solide Hit-Kost, mal mit Dancefloor-, Reggae- oder R´n´B-Geschmack. Nun ist derlei konsumorientierte Chart-Pop-Event-Gastronomie musikalisch zwar weitgehend spannungsfrei, aber beileibe nicht verdammenswert. Doch kann man sich nur schwer des Eindrucks erwehren, der Star gebe sich mit dem eigenen fehlenden Anspruch musikalischer Innovation selbst nicht zufrieden und suche ihn durch allerlei Image-Kapriolen zu kompensieren.
Am augenfälligsten wird das während des Lackleder-angehauchten Kurzauftritts, während dem sich die selbsternannte "Rebelle" im schwarzen Frack zunächst zu Prince’s “Darling Nikki” mit einigen halbnackten Tänzern in den Stellungskrieg begibt und dann während “S&M” auf einem männlichen Fan Reiterspiele vollführend im Bühnenboden versinkt.
So sehr sie es versucht, dieser Frau gelingt es zu keinem Zeitpunkt den unzüchtigen Charme ähnlich erfolgreicher Pop-Karrieristinnen vom Schlage einer Christina Aguillera oder gar Pink zu entfalten. Wenn Rihanna singt, “Sex in the air, I don't care, I love the smell of it. Sticks and stones may break my bones. But chains and whips excite me", klingt das nicht wollüstig, sondern als wolle sie einem eine Apfelschorle anbieten. Wer hier scharf wird statt durstig wird, sollte einen Sexualtherapeuten aufsuchen.
Freitag, 4. November 2011
Goodbye Gaddafi - ein Nachruf auf den letzten Rock´n Roller unter den Despoten
Muammar Abu Minyar al-Gaddafi hat den Krieg gegen sein Volk verloren und ist nach 42-jähriger Herrschaft in die ewigen Diktatoren-Jagdgründe eingegangen. Der exzentrische Wüstensohn war der letzte Rock´n Roller unter den Despoten: Sgt.-Pepper-Fantasie-Uniformen, überdimensionierte Sonnenbrillen, weibliche Leibgarde, goldene Pistolen und alles. Als geläuterter Terrorismus-Pate und Öl-Lieferant lange Zeit vom Westen hofiert, zeigte er zuletzt als skrupelloser Schlächter seiner Landsleute wieder sein wahres Gesicht.
Mit seiner Herrschaft endet eine Ära – jene der postkolonialen Despoten, die exotisch wirkten, aber ganze Länder mit der Nilpferd-Peitsche regierten. Nach der Demission des Leoparden-bemützten Kongolesen Mobutu Sese Seko und des chilenischen Generals Augusto Pinochet war der libysche Revolutionsführer der letzte unter den Machthabern von Nordkorea bis Südamerika, der bananen-republikanischen Diktatoren-Esprit versprühte. Um es in Abwandlung eines geflügelten Diplomatenwortes zu sagen: „Er war ein Hurensohn, aber ein unterhaltsamer Hurensohn.“
Am 1. September 1969 putschte sich der junge Oberst gegen König Idris I. in Lybien an die Macht. Sein „Bund Freier Offiziere“ war von den arabisch-sozialistischen und nationalistischen Ideologien des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser begeistert.
Von 1911-1942 war das nordafrikanische Libyen italienische Kolonie gewesen. 1951 wurde es als konstitutionelle Monarchie aus UN-Verwaltung in die Unabhängigkeit entlassen. Die Entdeckung reicher Erdölvorkommen 1959 machte den Maghreb-Staat zu einem der wichtigsten erdölexportierenden Länder der Welt.
1975 veröffentlichte der am 7. Juni 1942 geborene Revolutionsführer das Grüne Buch, in dem er seine politischen Ziele darlegte. Ab 1976 firmierte Gaddafis Junta-Regime als Islamistisch-sozialistische Volksrepublik.
Gaddafi setzte sich für die arabische Einheit ein und initiierte verschiedene Libysch-Arabisch-Afrikanische Vereinigungsprojekte, die aber allesamt scheiterten. Als Revolutionsführer verzichtete der in Großbritannien ausgebildete Offizier darauf, sich vom gewöhnlichen Oberst zum „Reichsmarschall“ oder ähnlichen Rängen zu befördern. 1979 trat er offiziell von der Staatsführung zurück. Was seinen beherrschenden Einfluss als „Bruder-Führer“ in keiner Weise schmälerte.
Während der 80er Jahre machte Gaddafi als Terrorismus-Pate – er unterstützte die IRA genauso wie radikale Palistinesergruppen – und wegen einer Dauerfehde mit den USA von sich reden. Nach dem Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek La Belle 1986 beschuldigte der amerikanische Präsident Reagan den Libyer, das Attentat aus Rache für die Versenkung zweier libyscher Kriegsschiffe durch US-Truppen angeordnet zu haben. Reagan ließ Tripolis und Bengasi bombardieren. Als 1988 über der Schottischen Ortschaft Lockerbie Unbekannte ein Flugzeug sprengen, wobei 270 Menschen sterben, fällt der Verdacht schnell auf Gaddafis Geheimdienst.
In den vergangen Jahren konnte Gaddafi die internationale Isolation durchbrechen, seinen Hang für exotische Auftritte abzulegen. Auf Auslandsreisen hielt er Hof im prächtigen Beduinenzelt. Als modebewusster Dritte-Welt-Führer wechselte er wie ein Rockstar mehrmals pro Auftritt das Kostüm. Mal erschien er in farbenfroher afrikanischer Tracht, mal als zeitgenössischer Kaiser Nero, mal als männliches Model für bizarre Diktatoren-Uniformen. Stets in seiner Nähe war die 40-köpfige ausschließlich aus hübschen jungen Frauen bestehende Leibgarde.
Der Bundestagsabgeordnete Günter Gloser (SPD) erinnert sich im Gespräch mit unserer Zeitung lebhaft an eine Begegnung mit dem eigenwilligen Machthaber. Als Staatsminister im Auswärtigen Amt nahm Gloser während der großen Koalition an einem Gipfeltreffen zwischen EU und Afrikanischer Union teil. Migrationsfragen standen auf der Tagesordnung.
„Irgendwann wurde die Sitzung unterbrochen. Wir mussten ein gebäude besichtigen, das die USA 1986 bombardiert hatten.“ Danach mussten sich die Gipfelteilnehmer in einem Zelt versammeln. „Irgendwann kam dann Gaddafi und hielt eine völlig wirre Rede. Sie gipfelte in dem Vorwurf, die Europäer seien selbst Schuld, wenn sie diese ganzen unausgebildeten Flüchtlinge aufnähmen. Dabei hatte er sich doch immer als Fürsprecher seiner afrikanischen Brüder und Schwestern geriert. Das ganze Schauspiel hat ungefähr zwei Stunden gedauert.“
Legendär sind Gaddafis cholerischen Ausbrüche bei den sich dahin schleppenden Sitzungen der Arabischen Liga – sehr zum Leidwesen der anwesenden Potentaten-Kollegen. Wutentbrannt fiel er 2009 dem Emir von Katar ins Wort, als dieser bekannt gab, der saudische König Abdullah werde die Liga beim G-20-Gipfel in London vertreten. Gaddafi hielt sich offenbar selbst für den geeignetsten Emissär und bedachte Abdullah mit einer Flut von Verwünschungen. Der König hänge am Gängelband der USA und habe nur Lügen hinter und das Grab vor sich. Als der Emir schließlich Gaddafis Mikrophon abschaltete, stürmte dieser als Protest aus dem Saal.
Auch im Umgang mit europäischen Spitzenpolitikern gab sich Gaddafi ungezwungen. Mit seinen unachahmlichen Auftritten ließ er selbst den lebenslustigen italienischen Renaissance-Fürsten Silvio Berlusconi blass wirken.
Beim Staatsbesuch 2006 in Rom stieg er in bunter Uniform aus dem Flieger. Wie einen überdimensionierten Orden an die Brust geheftet hatte er ein großes Schwarzweißfoto. Darauf abgebildet war ein kleiner von Soldaten bewachter weißhaariger Mann. Omar al-Mukhtar war ein Held des libyschen Widerstands gegen die faschistischen Kolonialherren und wurde von den Besatzern hingerichtet. In der Folge behandelte der Gastgeber den Besucher äußerst zuvorkommend. Der verzichtete im Gegenzug großmütig darauf, die italienischen Verbrechen während der Kolonialzeit zu thematisieren.
Ansonsten verstanden sich die in ihrer Eitelkeit ähnlichen „Kater“ prächtig. Berlusconi lud eine seiner zahlreichen Ministerinnen, das ehemalige Nacktmodel Mara Carfagna, zum gemeinsamen Diner ein. Und setzte auch den Programmpunkt „Gaddafi allein unter Frauen“ ins Werk. Einen Nachmittag lang traf sich der Oberst mit 700 Frauen aus Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft zum Meinungsaustausch.
Die Liste denkwürdiger Auftritte und Aktionen des Despoten ließe sich unendlich fortsetzen: 2006 ordnet er nach Bekanntwerden der Hinrichtung des irakischen Machthabers Saddam Hussein eine dreitägige Staatstrauer an. 2008 nimmt die Genfer Polizei Gaddafis Sohn Hannibal wegen Körperverletzung vorübergehend fest. Die Folge ist eine ernste Krise zwischen Papas diplomatischem Corps und der Alpenrepublik. Mit seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung sorgt Gaddafi für einen Eklat, als er aus der UN-Charta zitiert und aus Protest mehrere Seiten zerreißt.
Zum Ende seiner Herrschaft behauptet Gaddafi, die Demonstranten gegen ihn seien „stoned“. Die Drahtzieher der Proteste hätten die jugendlichen Protestierer unter Drogen gesetzt. Zuvor hatte er dem Topterroristen Osama Bin Laden unterstellt, die Menschen in Libyen manipuliert zu haben.
Doch hatte der Tyrann offenbar auch eine sensible Seite. 1995 veröffentlichte er sein belletristisches Debüt: „Das Dorf, das Dorf, die Erde, die Erde und der Selbstmord des Astronauten.“ Enthalten sind zwölf Essays, die das sozial entwurzelte Leben in der Großstadt, die Größe der göttlichen Schöpfung und die Tyrannei der Massen thematisieren. Diese neigten dazu, ihre Führer in die Wüste zu schicken.
Mit seiner Herrschaft endet eine Ära – jene der postkolonialen Despoten, die exotisch wirkten, aber ganze Länder mit der Nilpferd-Peitsche regierten. Nach der Demission des Leoparden-bemützten Kongolesen Mobutu Sese Seko und des chilenischen Generals Augusto Pinochet war der libysche Revolutionsführer der letzte unter den Machthabern von Nordkorea bis Südamerika, der bananen-republikanischen Diktatoren-Esprit versprühte. Um es in Abwandlung eines geflügelten Diplomatenwortes zu sagen: „Er war ein Hurensohn, aber ein unterhaltsamer Hurensohn.“
Am 1. September 1969 putschte sich der junge Oberst gegen König Idris I. in Lybien an die Macht. Sein „Bund Freier Offiziere“ war von den arabisch-sozialistischen und nationalistischen Ideologien des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser begeistert.
Von 1911-1942 war das nordafrikanische Libyen italienische Kolonie gewesen. 1951 wurde es als konstitutionelle Monarchie aus UN-Verwaltung in die Unabhängigkeit entlassen. Die Entdeckung reicher Erdölvorkommen 1959 machte den Maghreb-Staat zu einem der wichtigsten erdölexportierenden Länder der Welt.
1975 veröffentlichte der am 7. Juni 1942 geborene Revolutionsführer das Grüne Buch, in dem er seine politischen Ziele darlegte. Ab 1976 firmierte Gaddafis Junta-Regime als Islamistisch-sozialistische Volksrepublik.
Gaddafi setzte sich für die arabische Einheit ein und initiierte verschiedene Libysch-Arabisch-Afrikanische Vereinigungsprojekte, die aber allesamt scheiterten. Als Revolutionsführer verzichtete der in Großbritannien ausgebildete Offizier darauf, sich vom gewöhnlichen Oberst zum „Reichsmarschall“ oder ähnlichen Rängen zu befördern. 1979 trat er offiziell von der Staatsführung zurück. Was seinen beherrschenden Einfluss als „Bruder-Führer“ in keiner Weise schmälerte.
Während der 80er Jahre machte Gaddafi als Terrorismus-Pate – er unterstützte die IRA genauso wie radikale Palistinesergruppen – und wegen einer Dauerfehde mit den USA von sich reden. Nach dem Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek La Belle 1986 beschuldigte der amerikanische Präsident Reagan den Libyer, das Attentat aus Rache für die Versenkung zweier libyscher Kriegsschiffe durch US-Truppen angeordnet zu haben. Reagan ließ Tripolis und Bengasi bombardieren. Als 1988 über der Schottischen Ortschaft Lockerbie Unbekannte ein Flugzeug sprengen, wobei 270 Menschen sterben, fällt der Verdacht schnell auf Gaddafis Geheimdienst.
In den vergangen Jahren konnte Gaddafi die internationale Isolation durchbrechen, seinen Hang für exotische Auftritte abzulegen. Auf Auslandsreisen hielt er Hof im prächtigen Beduinenzelt. Als modebewusster Dritte-Welt-Führer wechselte er wie ein Rockstar mehrmals pro Auftritt das Kostüm. Mal erschien er in farbenfroher afrikanischer Tracht, mal als zeitgenössischer Kaiser Nero, mal als männliches Model für bizarre Diktatoren-Uniformen. Stets in seiner Nähe war die 40-köpfige ausschließlich aus hübschen jungen Frauen bestehende Leibgarde.
Der Bundestagsabgeordnete Günter Gloser (SPD) erinnert sich im Gespräch mit unserer Zeitung lebhaft an eine Begegnung mit dem eigenwilligen Machthaber. Als Staatsminister im Auswärtigen Amt nahm Gloser während der großen Koalition an einem Gipfeltreffen zwischen EU und Afrikanischer Union teil. Migrationsfragen standen auf der Tagesordnung.
„Irgendwann wurde die Sitzung unterbrochen. Wir mussten ein gebäude besichtigen, das die USA 1986 bombardiert hatten.“ Danach mussten sich die Gipfelteilnehmer in einem Zelt versammeln. „Irgendwann kam dann Gaddafi und hielt eine völlig wirre Rede. Sie gipfelte in dem Vorwurf, die Europäer seien selbst Schuld, wenn sie diese ganzen unausgebildeten Flüchtlinge aufnähmen. Dabei hatte er sich doch immer als Fürsprecher seiner afrikanischen Brüder und Schwestern geriert. Das ganze Schauspiel hat ungefähr zwei Stunden gedauert.“
Legendär sind Gaddafis cholerischen Ausbrüche bei den sich dahin schleppenden Sitzungen der Arabischen Liga – sehr zum Leidwesen der anwesenden Potentaten-Kollegen. Wutentbrannt fiel er 2009 dem Emir von Katar ins Wort, als dieser bekannt gab, der saudische König Abdullah werde die Liga beim G-20-Gipfel in London vertreten. Gaddafi hielt sich offenbar selbst für den geeignetsten Emissär und bedachte Abdullah mit einer Flut von Verwünschungen. Der König hänge am Gängelband der USA und habe nur Lügen hinter und das Grab vor sich. Als der Emir schließlich Gaddafis Mikrophon abschaltete, stürmte dieser als Protest aus dem Saal.
Auch im Umgang mit europäischen Spitzenpolitikern gab sich Gaddafi ungezwungen. Mit seinen unachahmlichen Auftritten ließ er selbst den lebenslustigen italienischen Renaissance-Fürsten Silvio Berlusconi blass wirken.
Beim Staatsbesuch 2006 in Rom stieg er in bunter Uniform aus dem Flieger. Wie einen überdimensionierten Orden an die Brust geheftet hatte er ein großes Schwarzweißfoto. Darauf abgebildet war ein kleiner von Soldaten bewachter weißhaariger Mann. Omar al-Mukhtar war ein Held des libyschen Widerstands gegen die faschistischen Kolonialherren und wurde von den Besatzern hingerichtet. In der Folge behandelte der Gastgeber den Besucher äußerst zuvorkommend. Der verzichtete im Gegenzug großmütig darauf, die italienischen Verbrechen während der Kolonialzeit zu thematisieren.
Ansonsten verstanden sich die in ihrer Eitelkeit ähnlichen „Kater“ prächtig. Berlusconi lud eine seiner zahlreichen Ministerinnen, das ehemalige Nacktmodel Mara Carfagna, zum gemeinsamen Diner ein. Und setzte auch den Programmpunkt „Gaddafi allein unter Frauen“ ins Werk. Einen Nachmittag lang traf sich der Oberst mit 700 Frauen aus Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft zum Meinungsaustausch.
Die Liste denkwürdiger Auftritte und Aktionen des Despoten ließe sich unendlich fortsetzen: 2006 ordnet er nach Bekanntwerden der Hinrichtung des irakischen Machthabers Saddam Hussein eine dreitägige Staatstrauer an. 2008 nimmt die Genfer Polizei Gaddafis Sohn Hannibal wegen Körperverletzung vorübergehend fest. Die Folge ist eine ernste Krise zwischen Papas diplomatischem Corps und der Alpenrepublik. Mit seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung sorgt Gaddafi für einen Eklat, als er aus der UN-Charta zitiert und aus Protest mehrere Seiten zerreißt.
Zum Ende seiner Herrschaft behauptet Gaddafi, die Demonstranten gegen ihn seien „stoned“. Die Drahtzieher der Proteste hätten die jugendlichen Protestierer unter Drogen gesetzt. Zuvor hatte er dem Topterroristen Osama Bin Laden unterstellt, die Menschen in Libyen manipuliert zu haben.
Doch hatte der Tyrann offenbar auch eine sensible Seite. 1995 veröffentlichte er sein belletristisches Debüt: „Das Dorf, das Dorf, die Erde, die Erde und der Selbstmord des Astronauten.“ Enthalten sind zwölf Essays, die das sozial entwurzelte Leben in der Großstadt, die Größe der göttlichen Schöpfung und die Tyrannei der Massen thematisieren. Diese neigten dazu, ihre Führer in die Wüste zu schicken.
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