„Heavy Mäddel, nix im Schäddel“. Mit diesem Spruch versuchten die Poppergören in meiner Klasse Ende der 80er regelmäßig mich auf die Palme zu bringen. Heute wissen wir: Der Metal ist eine Wissenschaft für sich. Joey DeMaio, der (Quer)Kopf von Manowar, hat einen Doktortitel in Musical Arts, Brian May von Queen einen solchen in Astrophysik und Bands aus den progressiveren Sphären des Genres wie Rush oder Dream Theater sind durchaus in der Lage einen Song am musiktheoretischen Reisbrett zu entwerfen.
Dennoch: Würde in einer Erhebung die Frage gestellt, „was verbinden Sie mit dem Begriff ‚Heavy Metal’“, rangierten die Antworten „Aggression“, „übermäßigen Bierkonsum“, „Lärm“ oder gar „den Teufel“ sicherlich weit vor der Einschätzung „bedeutendes kulturelles Phänomen“.
Zu Unrecht: Beim Kongress „Metal Matters – Heavy Metal als Kultur und Welt“ am Institut für Medienforschung der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK) dis-kutierten von Donnerstag, 3. Juni, bis Samstag, 5.Juni, mehr als hundert Teilnehmer über das Thema Metal und seine Bedeutung.
Die Heavy-Metal- Kultur in all ihren Nuancen und Ausprägungen werde häufig nicht nur von Eltern und Erziehern als verstörend, ja schädlich wahrgenommen, sondern darüber hinaus von Wissenschaft und Kulturpolitik für bedeutungslos gehalten, meinen die Or-ganisatoren Professor Rolf F. Nohr von der HBK und Herbert Schwaab von der Uni Regensburg – beide während der 80er im Metal sozialisiert. „Es wird jede Menge Populärkulturforschung betrieben, in der oft auf den politischen Hintergrund von Jugendbewegungen abgestellt wird. Da es den beim Heavy-Metal nicht gibt, wird der oft als stumpf abgetan und links liegengelassen“, sagt Nohr. „Dabei haben wir es hier mit einem kulturellen Phänomen zu tun, dass sich schon über drei Generationen gehalten hat. Das muss beguckt werden.“
Das von Nohr identifizierte Klischee, beim Heavy-Metal sei „kulturwissenschaftlich nix zu holen“, wurde zweifelsfrei widerlegt: 20 Wissenschaftler aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz referierten – vor einer genreüblichen Wand aus Marshall-Verstärkern – zu Fankultur, Ästhetik, Ökonomie und Politik des Heavy-Metal. Julia Eckel sprach über die „textile Identifizierbarkeit“ von Metal-Anhängern durch die typischen mit Bandaufnähern gespickten „Kutten“ genannten Jeans-Jacken und Band-Shirts, in de-ren Ikonographie archaisch-vormoderne und Science-Fiction-Welten verschmelzen. Christian Krumm, Holger Schmenk und Franz Horváth beleuchteten die Entstehung bedeutender regionaler Metal-Szenen im Ruhrgebiet oder Ungarn während der 80er Jahre. Tobias Winnerling stellte die verbindlichen formalen Codes für Bewohner des Metal-Universums vor.
Wie frisch und Unverbraucht der Metal auch im ungefähr 42sten Jahr nach seiner Entstehung noch ist – Je nach dem, ob man das 1968er Album von Blue Cheer „Vincebus Erupttum“ oder das Black Sabbath-Debut von 1970 mit ihrem bis dato in nie gehörter Wucht und Lautstärke vorgetragenem Amalgam aus Blues- und Psychedelic-Rock als erstes Lebenszeichen werten will – zwischen Harz und Heide ist, zeigte das Rahmenprogramm: Am Freitag spielten die Braunschweiger Bands Damn und Headshot in einer Innenstadt-Bar absolut erstligatauglichen Thrash- und Death-Metal. Eine Ausstellung in der HBK präsentierte Fanportraits von Stefanie Krause. Johannes Giering machte mit seinen Bildern die Stimmung auf Metal-Festivals erfahrbar und Frank Tobian zeigte Live-Fotos von Musikern.
„Wir sind mit der Veranstaltung sehr zufrieden“, sagt Herbert Schwaab. „Es waren nicht nur Wissenschaftler da, die ausdrücklich über Heavy-Metal arbeiten, sondern auch sol-che, die die Gelegenheit genutzt haben, sich endlich einmal wissenschaftlich mit ihrer Lieblingsmusik auseinanderzusetzen. Auch die Resonanz aus der Szene war gut.“ Quod erat demonstrandum: Metal matters.
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