Montag, 2. Juni 2014

B wie popmäßig ein klein wenig minderbemittelt - Bela B. auf "bye"-Tour


Bela im Kölner Gloria.   Foto: Promo/Rene Huemer.
Sie ist lang, die Liste der Rockschlagzeuger, die mehr sein wollten – und damit baden gingen. Im Gegensatz zu Sängern oder Gitarristen kann der Schlagzeuger qua natura seine Kunst nur im Zusammenspiel mit anderen zur Entfaltung bringen. Dazu im Kontrast steht, dass die natürliche Lautstärke seines Instruments den Drummer gegenüber seinen Mitspielern und dem Publikum besonders exponiert (Fehler werden sofort bestraft), ihn sein Arbeitsplatz hinter einer Mauer aus Holz und Metall aber gleichzeitig von allen anderen räumlich isoliert. Das Los des Schlagzeugers gleicht folglich dem des Fußballtorwarts: Er ist ein Einzelkämpfer, der dazu verdammt ist, ein Teamspieler zu sein. Die Versuche, diesem Dilemma zu entkommen, sind in der Rockgeschichte zahlreich, waren aber meist vergebens. Bela B., Schlagwerker der Punk Band Die Ärzte, steht in seinem Bemühen um Emanzipation vom Dayjob also keineswegs allein. Am Mittwoch, 21.5., spielte er mit seiner Begleitband Smokestack Lightnin´ im Substage.
Die Grundprobleme sind schnell skizziert: Entweder sind die Solowerke von hauptberuflichen Stöckeschwingern am Ende zu jazzig, wie etwa Jack Irons (Red Hot Chili Peppers, Pearl Jam, Spinnerette) „Attention Dimension“. Einfach nur überambitioniert wie das legendär schlechte Soloalbum von Peter Criss (Kiss). Total weichgespült wie alles von Phil Collins (Genesis). Oder schlicht albern wie „Dance With The Devil“ beziehungsweise „Tilt“ von Cozy Powell.
Wo steht also Bela B. in diesem Koordinatensystem? Irgendwo dazwischen. Der Graf hat den epischen Breitwand-Country von Lee Hazlewood und Waylon Jennings der 70er, als glitzernde Nudie-Anzüge mit Strass-bestickten Hanfblättern en vogue waren, gut studiert. Dazu gibt es ein paar Surfelemente, Garage Rock, Rockabilly und, man muss es leider sagen, Schlager. Das alles ist nett und auch recht authentisch ausgeführt, mit fünfköpfiger Band und vielen „Balablabb“- und „Shobidooh“-Hintergrundchören sowie witzigen Texten. Indes fehlt der grandiose Popappeal der Ärzte. Im Vergleich zu einem Song wie „Dinge von denen“ ist Belas Single „Immer so sein“ einfach, ähem, B-Ware.
Die ganze Angelegenheit ließe sich also unsentimental in die Gescheiterte-Geltungssüchtige-Schlagzeuger-Tonne der Pophistorie kloppen, wäre Bela B. nicht der begnadete Entertainer, der er nun mal ist: Der Wahlhamburger trägt übergroße Ringe am Finger, ein Hemd, dessen 50 Zentimeter lange Fransen aussehen wie Klavierseiten, darunter Plauze. Trotzdem schafft er es auch im nicht mehr ganz jugendlichen Alter von 53 Jahren immer noch, 14-Jährige Mädchen mit einer hochgezogenen Augenbraue zum Kreischen zu bringen. Das muss dem passionierten Tollenträger erstmal einer nachmachen. Respekt Herr B.
Ansonsten führt Bela B. mit der Ärzte-typischen Mischung aus Arroganz und Selbstironie durchs Programm. Witzelt mit seiner Duett-Partnerin Peta Devlin über seine Knoblauchfahne und schreckt auch vor der einen oder anderen Tanzeinlage nicht zurück.
Musikalisch also vielleicht nur Holzklasse, aber vom Spaßfaktor her erste Kajüte!