Wie
sagte einst ein Anhänger des Karlsruher Sportclubs im freien Radio Querfunk: „KSC-Fan
zu sein bedeutet, die eigenen Erwartungen auf null herunterzuschrauben und
trotzdem noch enttäuscht zu werden.“ In mancher Hinsicht kann man das auch von
der Karlsruher Kulturszene sagen. Jüngstes Beispiel: Das gemeinsame Konzert von
Krautrock-Pionier Hans Joachim Irmler und Electronica-Szene-Figur Gudrun Gut im
Jubez am Kronenplatz an einem Donnerstag im Dezember 2014. Während die
englische BBC abendfüllende Dokumentationen über die Krautrock-Bewegung mit
Bands wie Neu, Can und Tangerine Dream dreht, verirren sich zur Koop des Faust-Keyboarders
mit dem Mitglied der frühen Einstürzenden Neubauten gerade mal armselige 40
Leute.
Offenbar
erschöpft sich in der in Sachen Kunst und Medientechnologie ach so up-to-daten ZKM-Stadt
Karlsruhe das Interesse am Krautrock-Erbe auf die regelmäßig wiederkehrenden und überteuerten Auftritte der zum Ralf
Hütter-Rentenzahlverein degenerierten Kraftwerk in der Kulturfabrik. Eine sträfliche Missachtung einer Generation von Bands, die zwischen 1968 und 77
die Rockmusik revolutionierten beziehungsweise deren Genregrenzen gleich ganz hinter
sich ließen, während Figuren wie Freddy Quinn die Charts dominierten und die
Polizei auf der Straße jugendliche Protestler niederknüppelte (think about it,
kids!). Und die dabei derart reovlutionäre Musik hervorbrachte, dass der britische Schauspieler David Niven sie mit den Worten kommentiert haben soll: "It was great, but I didn't know it was music."
„Willkommen
in meinem Leben“, würde Irmler vermutlich dazu sagen. Schließlich verschreckte
seine Band Faust mit vier visionären Alben zu Beginn der 70er Jahre zuerst die
Plattenfirma Polydor und dann sogar das britische Prog Rock-Label Virgin. Die
Engländer hatten aus unerfindlichen Gründen auf eine deutsche Version der
Beatles gehofft, stattdessen bekamen sie abstrakte Soundcollagen jenseits aller
traditionellen Blues- und Rock´n´Roll-Strukturen, deren repititives Moment Iggy
Pop mal als „pastoralen Psychedelizismus“ bezeichnet hat und die den Post-Glam
David Bowie zu „Heroes“ inspirierten. Die zeitlose Größe ihrer Musik bezahlte das Sextett aus Wümme mit finanzieller Erfolglosigkeit.
Doch
kehren wir der Vergangenheit den Rücken und wenden uns dem Hier und Jetzt zu:
Gut & Irmler mögen in dem Alter sein, in dem andere Senioren gerade Mal erste
Wischversuche auf ihren Smartphones machen, die Technik haben sie voll im
Griff. Die Techno-Protagonistin Gut Rhythmisiert sphinxhaft lächelnd am weißen
iBook. Während Irmler mit Hornbrille und wirrem Haar, sich wie ein Hybrid aus Rowlf
the Dog, Garth Hudson und Captain Nemo gebärdend, einfallsreich orgelt. Ein ums
andere Mal ist man erstaunt, welche Geräusche der Mann seinem Instrument zu entlocken in der Lage ist.
Trotz
der traurigen Kulisse haben beide offensichtlich höllischen Spaß an ihren
alchemistischen Experimenten mit dem Soundbaukasten und schwurbeln vor sich
hin, bis ihnen nix mehr einfällt. „Weißt Du noch was?“, fragt Irmler dann. „Nö!“
also nächstes Stück. Diesmal mit Gesangsfetzen von Gut ins Mikro gehaucht. Die Songs heißen "Früh", "Mandarine" oder "Traum". Alles
spielt sich im mittleren Tempo ab und klingt nach ganz frühen 80ern. Optisch begleitet wird der Elektro-Loft-Sound
des Duos von Filmsequenzen von Flughäfen, Bahnhöfen, Tunnels und Tonstudios.
Offenbar ist Übergang das Metathema.
Zukunftsweisend
ist das heute alles nicht (mehr), aber immerhin erinnern Gut und Irmler daran,
das elektronische Musik nicht eintönig oder gar stupide sein muss. Und sie
erinnern an den Geist der Krautrock-Ära, der kompromisslose Musiker (oder
eigentlich Nicht-Musiker) zur Eigenständigkeit trieb. Zauberlehrlinge, die ihre
Klangkunststücke mangels technischen Verständnisses oftmals kaum reproduzieren
konnten. Die aber eine neue Welt aus neuen Sounds aufbauen wollten, während ihre
englischen und amerikanischen Kollegen noch immer alte Blues Songs recycelten. Aufs
ZKM-Establishment können solche Leute gut verzichten.
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