Evil: Tattered Silence.Foto: Band. |
Die Gewinner des New-Bands-Festivals heißen in diesem Jahr
Reaching 62f. Die Esotherik-Rocker aus Philippsburg verwiesen die
Classic-Rock-Formation Voodoo Kiss und den brasilianischen Solokünstler Cristiano Matos auf die Plätze. Knapp nicht
in die Jurywertung schafften es am Samstag in Jubez am Kronenplatz die
brachialen extrem Metaller Tattered Silence. Resistance aus Bruchsal erhielten
den Publikumspreis. Die nach einer mitreißenden Performance in der Vorrunde
ebenfalls hochgehandelten Deutsch-Punker Kaptain Kaizen mussten ihre Teilnahme am Wettbewerb wegen
der unvorhergesehenen Ankunft eines kleinen Nachwuchsmusikers in der Band
leider absagen. Die Sieger treten bei „Das Fest“ auf
Als erster musste der spätere Drittplatziere Cristiano Matos
ran: Der Sänger und Bassist kämpfte sich trotz schwerer Erkältung durch seinen
halbstündigen Set. Zog sich aber auch Dank seiner musikalisch ganz vorzüglichen
fünfköpfigen Backing-Band überaus achtbar aus der Affäre. Wenig Wiedererkennungswert hatten allerdings
die Songs, die trotz aller musikalischen Klasse scheinbar Ziellos durch die Gefilde von Latin, Fusion und Rock
meanderten.
Ein ums andere Mal auf dem Punkt landeten in kompositorisch
hingegen Voodoo Kiss. Dem modern angehauchten Rock der Karlsruher und
Pforzheimer Gemeinschaftsproduktion mit dem Nette-Jungs-Image, der irgendwo
zwischen Alter Bridge, Led Zeppelin und
ZZ Top verortet ist, fehlt vielleicht ein Gran Dreck unter den Fingernägeln,
aber ansonsten gibt es hier rein gar nichts zu kritteln: Sänger Sebastian
trifft jeden Ton und hat obendrein ein Händchen für einprägsame Melodien. Mit
Gitarrist Pascal, der sowohl mit knackigen Riffs als auch mit durchdachten Soli
begeistern konnten, hatten Vodoo Kiss den sicher komplettesten Musiker des
Abends in ihren Reihen. Und die Rhythmussektion erledigte ihren Job angemessen
solide. Wie schon angedeutet: Voodoo Kiss fehlen ein paar Ecken und Kanten,
aber Nickleback sind auch ohne solche reich geworden. Ein Video findet ihr hier.
Sehr viele Fans hatten Resistance mitgebracht, die ihre
Lieblinge ausgelassen feierten. Bei dem
Fünfer aus Bruchsal rumpelt es musikalisch zwar noch ganz schön und am
Songwriting wird die Band noch feilen müssen, aber der Enthusiasmus mit dem die
jungen Kerle zur Sache gehen, ist
schlicht ansteckend. Kann mit bisschen Arbeit noch was draus werden.
Einen guten Schritt weiter sind da schon Tattered Silence.
An dieser Band ist einfach alles extrem:
Das fängt schon bei der Optik des Trios an. Da wäre auf der einen Seite
Frontmann Michiel „Shadow III“ van Steenhoven, der mit seiner zierlichen Figur
und seinem psychotischen Stageacting stark an Chucky die Mörderpuppe erinnert.
Und auf der andere Seite der gewichtige Smiley Lochmüller, der mit seiner
Mohawk-Frisur und Nietengurt am Bass,
auch als einer der Kopfgeldjäder von Jabba dem Hutten durchgehen könnte.
Überaus Gegensätzlich sind die Musikbausteine aus denen
„Tattered“ ihre Musik zusammenbauen: Hier treffen ausgeflippte Rap-Parts auf
extremes Hochgeschwindigkeitsgesumme, funkige Einlagen auf donnernde Downbeats.
Während Steenhoven allerlei verrückte Sounds und Läufe aus seinem Griffbrett
zaubert, pflügt die Rhythmussektion gnadenlos straight durch die Botanik (Ein Video seht ihr hier).
Einziger, aber siegkostender Wehrmutstropfen: Während Steenhoven
alle Facetten des metallischen Extremgesangs (gutturales Grunzen, heiseres
Bellen, aggressives Fauchen, hysterisches Kreischen), hapert es beim
Klargesang. Sich für den Job noch einen Mann ins Boot zu holen, wäre kein
schlechter Schachzug.
Steil nach unten ging die Lärmkurve mit Reaching 62 F: Die
Mannschaft aus Philippsburg spielt instrumentale Regenrohr-Musik, die den Hörer
in extraterrestrische Welten beamen soll. Dem Weltraumkonzept hat sich das
Quartett komplett unterworfen: 62 F rekurriert auf den unlängst entdeckten
Planeten Kepler, der als potentieller Kandidat für lebensfreundliche
Bedingungen gilt. Dazu gibt es lustig fluoreszierende Spacekadetten-Hemden und
allerlei blubbernde, sirrende und rauschende Effekte.
Musikalisches Grundprinzip bei Reaching 62 F ist die
Repetition; eines Riffs, eines Rhythmusmusters oder eines Samples,
üblicherweise mit einer Leise-Laut-Steigerung, wodurch ein meditativer Effekt
eintritt. Diese Kunst beherrscht die Band ziemlich gut. Was allerdings etwas
nervt ist, dass Reaching 62 F im Wesentlichen auf zwei Rhythmische Figuren
zurückgreifen, die somit im Laufe des
Konzerts von Song zu Song mehr oder weniger abwechseln. Da wird aus Hypnose
ziemlich schnell Langeweile.