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Sonntag, 10. März 2013

Makeup To Breakup – Peter Criss legt seine Memoiren vor

Braucht der Fan wirklich ein weiteres Buch voller Koks-, Alkohol-, Schusswaffenmissbrauchs- sowie Straßen- und Sexualverkehrsexzesse eines mehr oder minder abgehalfterten Rockstars? Selbstverdammtnochmalständlich! Besonders wenn es sich dabei um die – erstaunlicherweise recht detaillierten – Erinnerungen von KISS-Drummer Peter Criss handelt.
Zwar nervt der Catman mit seinem ewigen selbstgefälligen und gefühlsduseligen Getue über weite Strecken von „Makeup To Breakup: My Life In And Out Of Kiss“ auch mal. Criss stilisiert sich hier als toughes Streetkid aus Brooklyn mit goldenem Herzen und als einziges Bandmitglied, dass stets die Fahne des Rock´n´Roll hochhält, während es den anderen ja nur ums Geld geht. Spaß macht die auf 360 Seiten ausgebreitete Sicht des Drummers auf die allgemein bekannte KISStory aber dennoch.
Denn über die Bandkollegen, auf die Criss wegen deren chronischer Missachtung seiner selbst noch immer einen tierischen Brass hat (regelmäßig bringen sie ihn dazu, sich das Makeup vom Gesicht zu heulen), erfährt man so Einiges – wenn auch wenig Schmeichelhaftes: Gene Simmons lässt nicht nur die Zunge, sondern auch die Körperhygiene schleifen. Das hindert ihn aber nicht daran eine endlose Reihe von Frauen – von der 63-Jährigen Band-Chauffeuse bis zum Weltstar (Cher) – flachzulegen.
Paul Stanley hat zwar auch stets eine Freundin, sucht aber verdächtig gerne Teppiche und Tapeten aus. Außerdem zeichnet er besonders gerne und häufig Penisse, was aber durchaus auch an seiner grenzenlosen Selbstverliebtheit liegen könnte. Die ist so groß, dass er irgendwann seinem Psychiater das Bandmanagement überträgt.
Apropos Penisse. Ace Frehley hat in der Band den größten Schwengel – Criss immerhin den zweitgrößten, dann erst folgen Paul und Gene –, an den er bei jeder sich bietenden Gelegenheit selbst Hand anlegt. Am liebsten, wenn er dabei fremde Paare mit dem Feldstecher beobachten kann. Zur Not hängt er sich aber auch einfach ein Pin Up vors Teleskop. Wenn er nicht gerade wichst, ist der gute Ace drogenmäßig derart abgefuckt, dass ihm die Drehbuchautoren des Filmdebakels „KISS Meets the Phantom of the Park“ vorsorglich von vorneherein nur Zeilen wie „Arrrggghhhh“ ins Drehbuch schreiben.
Kein Wunder, dass sich die vier Insassen dieser Klappsmühle Namenss KISS irgendwann so sehr auf die Nerven gehen, dass einer dem anderen verbietet, auf den gemeinsamen Platten zu spielen. Von daher taugt das Buch nicht nur als unterhaltsame Freizeitlektüre, sondern auch als Fallstudie über irrationales Verhalten von Führungspersonal in Millionenunternehmen.

Dienstag, 31. Mai 2011

Schwere Kost: Dietmar Elflein hat ein dickes Buch über die musikalische Sprache des Heavy Metal geschrieben

Bsssssst...brrrrrrrz...wer hat nur wieder das Radio verstellt? Ssssssssd... ftftftfffft...“Rooooosamunde, schenk' mir dein Herz und sag jaaaaah...“...Brszbrsz...“Can you hear the drums Fernando?“...frzlfrzl...“Back in black, I hit the sack, I've been too long...“...ah, schon besser!

Ganz gleich ob Schlager, Pop oder Rock, wer sagt uns eigentlich, dass wir auf der richtigen Welle liegen, wenn wir auf der Jagd nach unserer Lieblingsmusik am Sender-Suchknopf drehen? Schließlich kennt kein Cowboy jeden Country-Song, kein Freizeit-Travolta sämtliche Disco-Hits und kein Janker-Träger alle Melodien der Volksmusik. Trotzdem weiß nach wenigen Augenblicken jeder, wo er richtig hört.

Die Klangsprache, mit der uns einzelne Stücke ihre Genrezugehörigkeit kundtun, erforscht der Braunschweiger Musik-Ethnologe Dietmar Elflein. Der 47-jährige lehrt populäre Musik am Seminar für Musik und Musikpädagogik der TU. In seinem Buch, „Schwermetallanalysen“, macht er sich an die Entschlüsselung eines besonders harten Zungenschlags: Heavy Metal.

„Hip Hop, Hard Core, Techno, Indie Rock, jeder dieser Begriffe löst bei mir musikalische Assoziationen aus“, sagt Elflein. „Ich erwarte nahezu zwingend, dass ein Techno Track bestimmte rhythmische, harmonische und klangliche Qualitäten sowie einen spezifischen zeitlichen Ablauf hat. Diese Erwartungshorizonte und Kompositionsmodelle interessieren mich.“

Akribisch hat Elflein Kompositionsstrategien, Strukturformen, Klangcharakteristika, Ensemblespiel und rhythmische Eigenheiten harter Rock-Musik untersucht. Als Forschungsgegenstand dienen ihm Bands, die das Genre geprägt haben. Grundlage sind Hitlisten in Musik-Magazinen. Elflein arbeitet also mit Platten, die Leute, die auf Heavy Metal stehen, mit auf eine einsame Insel nähmen. Ausgewählt hat er sie an Hand von Hitlisten in Fach-Magazinen. Anders gesagt: Elflein hat diejenigen Platten ausgewertet, welche Leute, die auf Heavy Metal stehen, mit auf die einsame Insel nähmen. Dazu gehören insbesondere solche von Black Sabbath, Judas Priest, Iron Maiden, Metallica, Megadeth und Slayer.

Nach tausenden Stunden Musikhören haben Elfleins Untersuchungen für Nicht-Metal-Adepten erstaunliches zutage gefördert: Die oft als dumpfe, Bier saufende Kopfschüttler in schlecht sitzenden Jeanswesten verschrieenen Metal-Fans sind musikalisch anspruchsvoller als Pop- oder Rockfans. Headbanger mögen keine konventionellen Vers-Chorus-Lied-Strukturen, präferieren eine größere Anzahl unterschiedlicher Riffs in einem Song und verlangen von ihren Helden eine virtuose Beherrschung ihrer Instrumente.

„In der Metal-Szene herrscht eine rebellische Grundhaltung. Man fühlt sich von der Außenwelt – oft zu Recht – als abschätzig beurteilt, und will es eben anders machen, sich abgrenzen“, erklärt Elflein die metallische Befindlichkeit.

Auf gut dreihundert Seiten liefert Elflein viele interessante Details, die er aus dem Traditionsstrom des Heavy-Metal gefischt hat: Die aus dem Blues abgleitete Reihenstruktur vieler Songs, die Entstehung des Power-Chords oder die Herausbildung und Stellenwert der in Tonlage und Klangfarbe oft extremen Singstimme.

En passant erklärt der Metalurge auch noch einige bandspezifische Schrullen: Die rhythmischen Feinheiten des „Iron-Maiden-Galopps“ etwa. Warum Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister recht hat, wenn er wie seit Jahrzehnten steif und fest behauptet seine Band spiele in Wahrheit klassischen Rock´n´Roll oder die Erfinder des langsam dahinfließenden Lava-Riffs, Black Sabbath, eine Vorliebe für den auch „Teufelsakkord“ genannten Tritonus hegten.

„Die ultimative Heavy-Metal-Formel kann ich Ihnen trotzdem nicht an die Tafel malen“, bekennt der Metalurge. „Aber ich würde schon sagen, dass verzerrte Gitarren, eine Dominanz der Rhythmik über die Melodie und ein virtuoses Schlagzeug dazugehören.“

Für den Fan und Genre-Kenner bringt die Lektüre wenig neues, aber zahlreiche Aha-Erlebnisse. Vieles ist einem beim Musik-Hören schon selbst aufgefallen, in worte fasen konnte man es aber nie. Musik-Laien werden vor allem die vielen Notentranskriptionen kaum etwas sagen, dazwischen findet sich aber noch genügend unterhaltsam und verständlich aufbereitetes Material zur Ehrenrettung einer oft belächelten Stilrichtung.

Mit seinen „Schwermetallanalysen“ hat Elflein auch außerhalb der Metal-Gemeinde Interesse weckt. Und das nicht nur in den Feuilletons der großen Tageszeitungen: „Seit das Buch draußen ist, bekomme ich häufig Einladungen zu Chemie-Kongressen.

Donnerstag, 26. November 2009

Frick goes Fantasy: Sardev, der Schatten des Friedens

Bloggerkollege Klaus N. Frick dürfte den meisten als Verfasser der Geschichten um den Kleinstadtpunker Peter Pank, die regelmäßig im Ox-Magazin erscheinen und inzwischen zwei Bücher (Vielen Dank, Peter Pank und Chaos en France – Peter Pank in Avignon) füllen, bekannt sein. Jetzt aber fliegen statt Bierdosen die Fetzen, und zwar menschliche, denn mit „Sardev, der Schatten des Friedens“ (Basilisk), hat sich Sciencefiction-Fan Frick, der bei einem Rastatter Verlag die berühmte Weltraumabenteuerserie Perry Rhodan als Chefredakteur betreut, nun erstmals ins Fantasy-Genre vorgewagt. Der in Karlsruhe lebende Frick hält sich dabei nicht mit der Entwicklung etwa von Multiversen oder komplizierten Magie-Konzepten auf, sondern geht einen Weg, den schon die Erfinder des Spaghetti-Westerns, Sergio Leone mit „Für eine Hand voll Dollar“ und Sergio Corbucci mit „Django“, oder später Ridley Scott mit „Alien“ oder „Bladerunner“ erfolgreich beschritten: Er holt ein mit Kitsch und allerlei Tand überfrachtetes Sujet zurück auf die (schmutzige) Arbeitsebene. Seine Hauptfigur ist kein Held, sondern ein einsamer Verlierer, ein Ausgestoßener, der einen blutigen Job zu erledigen hat – hier ist es Sardevs Rache an dem Landesverräter Schorrn -, dessen Erfüllung ihm aber keinen Frieden bringen wird. Denn für einen professionellen Partisan, einen Freischärler wie diesen Sardev, bedeutet das Ende des Kampfes eben nicht verdiente Ruhe, sondern Abstieg in die Beschäftigungs-, ja Bedeutungslosigkeit – so erklärt sich auch der widersprüchlich anmutende Titel. Ein kleines, gradlinig geschriebenes, spannendes, manchmal brutales Buch. Eher geeignet für Freunde des ehrwürdigen Robert E. Howard (Conan), als für Freundinnen von Stephenie Meyer (Twilight).