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Wandelbar: devin Townsend |
Devin Townsend gilt als der verrückte Professor des Metal. Diese
beschreibung ist allerdings nicht ganz treffend. Denn wie der
Multiinstrumentalist aus Bruchstücken von Metal, Psycheldelic, Prog, Jazz-Rock
und Ambient ein stimmiges Ganzes amalgamiert, ist wissenschaftlich gerade nicht
zu erklären. Sondern im Gegenteil nur dadurch, dass irgendeine übergalaktische
Macht dem Kanadier das Geheimnis der Transmutation von Elementen eingeflüstert
hat, nach dem die Alchemisten des Mittelalters jahrhundertelang gesucht hatten.
Erleben konnten für neureligiöse Ansichten
Aufgeschlossene das am Freitag im Musikclub Substage, wo der
hochaufgeschossene Glatzenträger aus British Columbia auf seiner „Chaos in The
Skies – Tour" andockte.
Passend eingestimmt wurden die in großer Zahl
herbeigeströmten Schaulustigen auf das bevorstehende Opus Magnum von
verstörendem Black Jazz der Norweger Shining und vertracktem Metal der
US-Progger Periphery. Die Umbaupause wurde überbrückt von über die Bühnenleinwand
flimmernden Einspielungen von „Ziltoid TV“, moderiert von Townsends
grünschuppigem Alien- Alter Ego, das sich Fangzähne fletschend durch die
Milchstraße blödelte.
Schließlich stolziert der kahlschädelige Townsend bewaffnet
mit einer LED-erleuchteten Gitarre auf die Bühne und verzaubert seine Anhänger
gleich zu Beginn mit dem megabombastischen „Fallout“ vom jüngsten Album „Z2“, das
Metal, Pop und New Wave fugenlos verzahnt. Dann schalten Townsend und seine
vierköpfige Band gleich ein paar Gänge hoch: Weiter geht es mit dem
Ministry-haften Industrial-Brecher „Namaste“, der mit seinen Podracer-schnellen
Doppelbass-Manövern auch noch in den hinteren Reihen die Hypophysen zum
Vibrieren bringt. Euphorisch bejubelt wird „Night“ vom Klassiker „Ocean Machine:
Biomech“, Townsends erstem Soloalbum, nachdem er seine Kult-Kombo Strapping Young Lad im Jahr 2007 ins Outer Rim
verbannt hatte.
Bei aller Euphorie fällt auf, dass Townsend, der gesanglich normalerweise
zwischen keifendem zischen, bizarrem Grunzen und Falsett zu wechseln in der
Lage ist, Stimmprobleme hat und manche Songs so tief ansetzt, dass sie kaum
wiederzuerkennen sind. Er entschuldigt das humorvoll schlagfertig mit dem
Umstand, dass er mit jedem Lebensjahr mindestens drei Töne seines Stimmumfangs
verliere. Townsend ist immerhin schon 42. Das heißt indes nicht, dass er
unbedingt schlechter singt, aber eben anders.
Trotz dieser Misslichkeit ist Townsend offenbar bester
Laune. „Ich habe heute einfach Lust Musik zu spielen“, verkündet er. Das schlägt
sich auch in der Stelist nieder: Allein vier Songs kommen vom „Party“-Album „Addicted“,
während Stücke vom atmosphärischeren „Ki“ ebenso außen vor bleiben wie das
superkomplexe „Deconstruction“-Material. Townsends musikalische Vielseitigkeit bleibt
trotzdem beeindruckend. Sie reicht von theatralisch überladenen
Weltraumwalgesängen, über Kampfroboter-Marschmusik und brachialeruptive Gewaltausbrüche, bis hin zu
purem „Mars Attacks!“-Trifft-auf-Frank-Zappa-Klamauk. Etwa wenn Townsend mit „Heatwave“ plötzlich (Space)Country-
und Boogie-Klänge anstimmt. Oder wenn beim genial kitschigen „Lucky Animals” auf
Kommando die die ganze Halle mit den Jazz-Hands winkt. Optisch untermalt wird diese akustische
Wurmlochdurchquerung mit ähnlich abgepfiffenden Videosequenzen. Auf den
Leinwänden regnen mal Patronenhülsen hernieder, mal drehen Ballett tanzende
Gorillas ihre Pirouetten.
Zugegeben: Auf Dauer ist es ganz schön ermüdend, mit
Townsend bei seinen wilden Sprüngen zwischen Quatsch und Pathos
Schrittzuhalten. Dafür sieht man so ein Konzert aber auch nicht alle Tage.