Mittwoch, 30. September 2009

Das Fest hat vorerst ausgefeiert!

Am Tag bevor der Veranstalter Stadtjugendausschuss auf einer Pressekonferenz das Aus für das beliebte U & D-Festival "Das Fest" in Karlsruhe verkündete, rief Ärzte-Schlagzeuger Bela B. bei Organisator Rolf Fluhrer an, um für 2010 einen Soloauftritt anzubieten. Wir haben das Gespräch belauscht:

BB: Hallo, hierr sprricht derr Grraf!
RF: Ah, tag Bela.
BB: Du, ich hab´ gerade ´ne neue Soloscheibe draußen und würde nächstes Jahr gern bei euch spielen.
RF: Das dürfte schwierig werden.
BB: Jetzt komm mir nicht so! Der Farin durfte auch und dass der mir immer eine Nasenlänge voraus ist, stinkt mir sowieso. Es kostet auch nix – ihr zahlt mir das Hotel und gut ist. Die Band und die Crew können im Tourbus schlafen und sich ´ne Stulle schmieren.
RF: Das Problem ist, es gibt kein Fest mehr.
BB: WUUUAAAAAHHHHHHSSSSSSS?!?!?!
RF: WIR MACHEN ES NICHT MEHR!
BB: Das hab´ ich schon verstanden, schrei nicht so. Warum das denn?
RF: Ja weist Du, es kommen immer sooooo viele Leute.
BB: Freut euch doch!
RF: Im Prinzip ja, aber die zertrampeln hier in der Günther-Klotz-Anlage immer den ganzen Rasen, pissen in die Alb und kotzen die Straßenbahnhaltestelle voll. Dann sind da noch die ganzen alkoholisierten Jugendlichen außerhalb vom Gelände. Das finden die Stadtväter nicht so toll. Außerdem haben wir jetzt plötzlich gemerkt, dass zu viele Menschen gefährlich sind. Wenn es da mal eine Panik gibt, nicht auszudenken!
BB: Dann lasst weniger Leute rein. Ihr habt doch schon Zugangskontrollen. Ihr markiert die Besucher einfach mit einem Papierbändchen und bei sagen wir 70 000 ist Schluss. Das Bändchen hat jeden Tag eine andere Farbe, so dass jeder mal die Chance hat.
RF: Ne, das wollen die vom Stadtschuss nicht, weil es ihr Credo ist, dass alle zu jeder Zeit aufs Fest kommen können sollen.
BB: Dann macht es doch ´ne Nummer kleiner. Diese ganzen Superstars wie Peter Fox oder Farin Urlaub braucht ihr doch gar nicht. Lass mich und ein paar lokale Bands spielen, dann kommen von ganz alleine weniger Besucher.
RF: Och ne, das will Ich nicht. Dann kann ich am Stammtisch nicht mehr angeben, wer wieder alles gespielt hat. Die Sponsoren wollen das Übrigens auch nicht, weil sie dann keinen so großen Werbeeffekt mehr haben. Die brauchen wir aber dringend, weil die Besucher nicht genug verzehren und wir deshalb immer Defizit haben.
BB: Wenn es nicht so voll wäre, dass man die Getränkestände gar nicht mehr erreichen kann, würden die Leute vielleicht auch wieder mehr trinken?
RF: Kann natürlich sein, aber wie gesagt, das Image…
BB: Komm hör´ mir auf. Ständig müssen bei euch in Karlsruhe irgendwelche Leuchttürme, Imageträger, Werbeplattformen und Aushängeschilder – auf denen dann doch nur dumme Sprüche stehen - errichtet werden. Was haben eigentlich die Karlsruher von all den leer stehenden Messen, brachliegenden Filetstücken wie dem Kulturpark oder der Ex-Steffi und den ganzen zwangsneurotischen Haupstadtinitiativen? Wo ist da ein Plus an Lebensqualität? Die Leute sagen, früher war Das Fest eine Veranstaltung für die Region. Man konnte unverabredet hingehen und eine Menge Freunde und Bekannte treffen und sogar in größeren Gruppen auf dem Mount Klotz sitzen.
RF: Selbst wenn wir es so machen, müssen wir noch mindestens ein Jahr genau die Sicherheitsstruktur bereitstellen, als ob 350 000 kämen. Das kostet einen Haufen Geld. Wenn du also noch 100 000 Euro für Sicherheit und 30 000 Euro fürs Getränkedefizit mitbringst, kannst Du gerne spielen.
BB: Ohhh, wie steh´ ich denn dann vor Farin da? Kann euch die Stadt nix geben?
RF: Die geben uns schon immer bisschen was. Aber die müssen halt auch das Badische Staatstheater mit 18 Millionen Euro pro Jahr bezuschussen, die neue Messe mit acht Millionen und die Kaiserstrasse untertunneln. Dann bräuchten wir noch dringend ein neues Fußballstadion. Da kann man jetzt nicht auch noch mir nichts dir nichts eine halbe Millionen für ein Rockkonzert verplempern.
BB: Na ja, da kann man wohl nichts machen. Schade, dann spiel´ ich halt in der Durlacher Festhalle. Mach´s gut Rolf.
RF: Ade Bela.


Diese Gesprächsaufzeichnung ist fiktiv! Satire, Ihr versteht? In den Mund gelegt von Felix Mescoli.

Montag, 28. September 2009

Afri-Cola floss in Strömen: die Biestig Record-Release-Party

Die meiste Zeit sind Anne und Jule einfach nur Anne und Jule. Zwei Karlsruher Mädels mit Problemen Wünschen und Träumen, wie sie andere 16-Jährige auch hegen: Liebe, Freiheit, Aufrichtigkeit erfahren, ein bisschen Spaß haben, vielleicht reich und berühmt werden. Manchmal sind Anne und Jule auch biestig. Ja, und? Wohl kaum Anlass Druckertinte zu verschwenden, oder? Wo kämen wir denn da hin, wenn jede Teenagerlaune medial aufbereitet würde? Für Wichtiges, wie den Ausgang der Bundestagswahl oder des Derbys zwischen KSC und FCK, fände sich ja kaum noch Platz auf Zeitungsseiten. Aber unter Biestig ist in diesem Falle eben nicht nur ein Zustand jugendlicher Widerlichkeit zu verstehen, sondern eine Band. Eine sehr kleine zwar nur, denn als Duo haben Anne und Jule die personelle Reduktion des Bandformats völlig ausgereizt, das hat sie aber nicht daran gehindert, am Samstag im Club Alte Hackerei ihre erste CD vorzustellen.
„Würden wir Englisch singen, würden die Leute nicht ständig nur über unsere Texte schreiben“, motzt Jule. Also schreibe ich erstmal über die Musik: Auf Nebenan (Rookie Records/Cargo) finden sich zehn fluffige Punkrock Stücke mit zweistimmigem Gesang, einigen Ska und Hardcore Einsprengseln, immer weniger als 3 Minuten lang, selten mehr als drei Akkorde. Zu zweit schaffen Biestig, woran schon ganze Armeen kleiner Punks gescheitert sind: Songs ohne ein Gramm überflüssiges Fett zu schreiben, die trotzdem weder billig noch einfallslos klingen. Stattdessen sind sie von einer Wahrhaftigkeit, die stellenweise ergreifend ist, womit wir – sorry Mädels – doch wieder bei den Texten wären. Biestig kommen ganz ohne Fick den Staat- und Gabbagabbahey-Phrasendrescherei aus. Auch von geklontem Teeniegemosere über doofe Lehrer, Eltern oder Boyfriends bleiben wir verschont. Zwillingspärchen haben nämlich ihre eignen Beziehungsprobleme: Wenn die erste Tanzen gehen will, ist die zweite depri drauf, die eine kann sich mal wieder nicht Entschuldigen und die andere fühlt sich ausgenutzt. Wozu braucht man da noch Jungs – außer dafür dass sie einen vor dem Konzert wohl gekämmt umringen? Das soll jetzt nicht heißen, dass Biestig-Texte nur für die – doch recht überschaubare – Zielgruppe der Zwillingspärchen relevant wären, genannte Problemstellungen lassen sich schließlich auf jede denkbare Zweierbeziehung zu übertragen.
Die Kundschaft scheint das ähnlich zu sehen, denn wenn die Redewendung vom „gemischten Publikum“ jemals gepasst hat, dann auf dieses Konzert: Die Altersspanne ging von zwölf bis fünfzig (Oma und Opa Biestig lassen wir jetzt mal außen vor) und alle hatten ihr Vergnügen. Biestig entfalten eine für die Minimalbesetzung beachtliche Durchschlagskraft und wäre Farin Urlaub ein Mädchen und dreißig Jahre jünger, er hieße wohl Jule. Während Anne mit roten flecken im Gesicht hinterm Schlagzeug schuftet, gibt ihre Schwester die Platinblonde Rocktigerin und man muss kein Prophet sein um zu Prognostizieren, was hier auf die Männerwelt in ein paar Jahren zukommt. Starpotential ist also reichlich vorhanden und will man die Performance von Biestig auf den Punkt bringen, kann man sich eigentlich nur dem enthusiasmierten Mikro-Rufer vom Ende des Konzerts anschließen: „Ich finde sie geil!“

Achja, ich wurde - nicht nur vom Rock´n´Roll-Dad, sondern auch von Anne und Jule -, nicht ganz zu unrecht, kritisiert, den Rock´n´Roll-Dad in der Ankündigung zu sehr in den Vordergrund gerückt zu haben. Deshalb habe ich der Rock´n´Roll-Dad-Focussierung abgeschworen und den Rock´n´Roll-Dad in der Nachbesprechung jetzt nicht mehr erwähnt. Ich hoffe das geht so in Ordnung.

Donnerstag, 24. September 2009

Der Rock N´ Roll Dad

Was ist das Punkrock-Äquivalent zur Tennismutter? Der Rock´n´Roll-Dad. An Tagen, an denen seine zwei Mädels Anne und Jule als Girl Punk-Duo Biestig auf der Bühne stehen, hat Hackerei-Betreiber Plüschi keine Zeit für´s Moped-Fahren, ein Bier mit den Kumpels oder die Beantwortung von Presseanfragen. Engagiert fährt er dann Equipment durch die Gegend, nestelt nervös an Mischpulten in Jugendzentren oder beaufsichtigt bedeutungsvoll den Bühnenumbau in abgesifften Rockschuppen. Nicht zu vergessen die unermüdliche jahrelange musikalische Früherziehung mittels Ramones, Social Distortion, Adicts, Danko Jones und – vor allem – AC/DC. Und dann gilt es ja auch den Nachwuchs zumindest vor den allertiefsten Abgründen des Rock´n´Roll-Lifestyle zu bewahren; die Kinder sollen es schließlich mal besser haben als man selbst. Aber hey, welcher musikbegeisterte Erzieher eines 16-jährigen Zwillingspaares würde dies alles nicht tun? Nun wurde der väterliche Einsatz belohnt: Die Töchterlein unterschrieben – mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten, versteht sich – einen Deal bei Rookie Records. Nebenan heißt das in kürze erscheinende Debüt, auf dem Biestig Drei-Akkorde-Punk mit etwas Ska, Hardcore und herzerwärmendem Schulmädchen-Charme kombinieren. Gesungen wird über lebensrelevante Themen wie Teenagerliebe, den doofen Freund oder den ätzenden Alltag (nix Gabbagabbahey, Fick den Staat und all so was). Das liest sich jetzt etwas flach, ist es aber nicht: Die Texte haben Esprit und auch live machen Biestig richtig Spaß. Uraufgeführt wird Nebenan natürlich in der gepflegten Punkrock-Bar vom Rock´n´Roll-Dad. Sa, 26.9., 20Uhr, Alte Hackerei.

Mittwoch, 16. September 2009

Guts Pie Earshot im Jubez

Eines steht fest: Guts Pie Earshot sind nicht unoriginell: Die im Laufe der Jahre auf Duo-Größe geschrumpfte vormalige Punk-band aus Berlin und Münster spielt – ein Exempel für den mitunter bereichernden Ef-fekt personeller Reduzierung - „Punk ohne Gitarre“, „Techno ohne Sequencer“ und „Drum ’n’ Bass ohne Bass“. Letzteres trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf, denn Rizio spielt tatsächlich keinen Bass, sondern e-ben Cello. Konzeptionell klingt das recht überzeugend, entsprechend gut besucht für einen Dienstagabend ist das Jubez.
Eingestimmt wird das Publikum mit flippigem Hardcore-Punk von Cloak/Dagger aus Rich-mond, Virginia – überzeugend vor allem Col-lin Barth an der Gitarre mit virtuosem X-Fuß-Posing. GPE beginnen dann eher dezent. Das Cello säuselt lieblich verzerrt vor sich hin, bis das Schlagzeug, zunächst vor sich hinklimpernd, schließlich die erste Brachial-Attacke einläutet. So geht es im dynamischen Wechsel munter fort. Dass GPE trotz minimalistischer Besetzung dabei gänzlich auf elektronische Stützen wie Sampler oder Laptop verzichten, ist bemer-kenswert und verlangt sicherlich die Ver-wendung von einigem Gehirnschmalz auf die musikalische Umsetzung. Ist man allerdings nicht in bierseeliger Tanzlaune, sind GPE zum Zuhören auf Dauer wieder Erwarten dann doch ein wenig eintönig. Schlagzeuger Scheng ist nun mal kein Marco Minnemann sondern ein etwas vielseitigerer Punkro-cker. Sein Beatspektrum bewegt sich zwi-schen Rammstein-Stampf und Highspeed-Polka. Der Cellosound wabert meist irgendwo zwi-schen sphärischem Gedröhn und orientalisch anmutenden Patchouli-Melodien - dass man mit etwas mehr Virtuosität und leicht er-weiterter Besetzung noch einiges mehr aus dem Genre rausholen kann, zeigen zum Bei-spiel E3 aus Spanien. Doch um musikalische Finesse geht es GPE ja auch gar nicht. Par-ty lautet das Motto und da lag man mit dem Einsatz der Zutaten Stampf und Patchouli ja noch nie ganz falsch: ersteres gefällt Alt-punks, Discogängern und Maschinenbau Stu-denten gleichermaßen, letzteres stellt die mitgebrachten Freundinnen ruhig und lässt alternde Hippie-Mädchen mit Sternen in den Augen einmal mehr dem Bauchtanz frönen. So kann man sich treiben lassen wie auf einer Techno Party, Pogen, wie auf einem Punk-Konzert oder sogar in Helikopter-Manier die Haarmatte kreisen lassen . Begeisterung auf ganzer Linie also? In bierseeliger Tanzlaune, ja.

Sonntag, 13. September 2009

Und die SPD rockt doch

Einen Wahlwerbespot des Karlsruher SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Jung, erstellt vom lokalen Video-Wunder Lord Ax Hooper, findet ihr hier. Der verwegene Typ am Steuer ist ein alter Kumpel des Autors und eine Koryphäe des Karlsruher Nachtlebens. Achja, und dann gibt´s noch Musik von den Lonesome Dragstrippers. Wenn das die jungen Erstwähler mal nicht in Scharen an die Urnen treibt!

Freitag, 11. September 2009

"Slash", das Buch zum Kerl

Ich hatte die Slash-Biographie schon eine ganze Weile im Regal stehen, aber irgendwie kam ich erst jetzt zum lesen. Hier mein Eindruck: Wer Bandbios nur wegen der Bums-, Bölk- und Badass-Geschichten liest, wird beim schmökern in „Slash“ (Harper) zwar fündig, aber nicht befriedigt werden. Klar, wenn es darum ging die Kerze von beiden Seiten anzuzünden, waren auch der Ex-Gunners-Gitarrist und seine Kumpane stets vorne mit dabei. Aber gegen die Hedonisten-Bibel schlechthin, Mötley Crües The Dirt, nimmt sich „Slash“ aus wie das Tagebuch eines pubertierenden Hauptschülers, wie ihn sich Leute wie von und zu Gutenberg vorstellen: Leerer doof, Arbeit doof, Mädchen doof, aber irgendwo muss man ja abladen, Kumpels cool (außer Axel, obwohl der erstaunlich gut weg kommt), aber schon Asi, Alk und Drogen gut. Kein Wunder also, dass der Wälzer nicht ganz sooooo eingeschlagen hat.
Wer seine üblichen Klischees aber nicht unbedingt übererfüllt haben muss und sich auch für den Musiker Slash interessiert, dem wird dieses Buch sehr viel geben. Denn eines wird völlig klar: Der Mann lebt nur für und durch seine Gitarre. Das erste Mal Black Sabbath oder Van Halen zu hören erschüttert ihn stärker als das erste Abspritzen oder der erste Schuss und sein erstes Solo zu meistern scheint ihm mehr Befriedigung verschafft zu haben als der Gigantismus zum Ende der Guns N´ Roses-Ära. Trotz seines extremen Lebens und seines Reichtums vermittelt Slash glaubhaft den Eindruck, er sei immer er selbst und vor allem Fan geblieben - welcher Musik-Afficionado erinnert sich nicht exakt an den Augenblick, in dem er vom Spirit of Rock n´Roll beseelt wurde? Das ist mehr, als man von den meisten Rockbios behaupten kann.

Donnerstag, 10. September 2009

SGATS Podcast

Die Karlsruher No-Wave-Existentialisten shy guy at the show arbeiten gerade an einem Konzeptalbum, das auf Goethes Prometheus basiert (!). In ihrem neuen Podcast gewährt die Band Einblicke in ihre Arbeitsweise und spricht über ihre wichtigsten Einflüsse. In der ersten Folge spricht Sänger Sebastian kluge Dinge über den Meister aller Grusel-Schriftsteller Edgar Allan Poe. Und man kann da wirklich noch was lernen, oder wusstet Ihr was ein unzuverlässiger Erzähler ist?