Am Wochenende war mal wieder echte Freak-Action angesagt: Sonntagmorgen, so gegen halb fünf, standen nach einem ausgedehnten Zechbummel durch die coolsten Karlsruher Clubs – also all jene, in die man auch mit Cowboystiefeln und Schlagseite reinkommt - die Zeichen auf Dönerbude. Hier ist die Amalienstraße, im Volksmund auch Dönerallee genannt, in der Fächerstadt erste Wahl. Da Sonderanfertigungen wie ein in Lahmacun gerollter Dürüm Döner etwas länger dauern, waren die Begleitung und ich gezwungen zu warten. Die Wartezeit verkürzte ich mir gerade aufs schönste mit einem als Proviant mitgebrachten Tannenzäpfle, als die kontemplative Idylle von einer clownartigen Gestalt, angetan mit gelb-grün-oder-so-ähnlich gestreifter Hose, violettem Blazer, Hornbrille und wirrem Haar, unterbrochen wurde. Ob sie sich zu uns setzen dürfe, lallfragte die Person. Dem Ansinnen wurde ungern aber höflich stattgegeben, worauf alle Befürchtungen unumwunden wahr wurden: Das Unglück nahm seinen Ausgang mit der Frage, wie wir seine Schuhe fänden, die ich ausweichend mit der Feststellung beantwortete, dass es Slipper seien. Von Gegenteiligem konnte mich auch das Aargument, sie hätten aber tausend Euro gekostet, nicht überzeugen. Um weitere Irritationen zu vermeiden - Verrückten, alten Damen und Betrunkenen gegenüber soll man ja immer nachsichtig sein -, gaben wir weiterhin geduldig Auskunft über Herkunft und Profession. Damit hätte man es bewenden lassen können, doch war die Reaktionsfähigkeit schon etwas eingeschränkt und der Teufel gab mir die Frage ein – ich bereute schon im Augenblick da mir die Worte über die Lippen kamen, sie gestellt zu haben: „Und, was machst Du denn so?“
Ein großer Maler sei er, jaja, und Professor an der Kunstakademie zu Düsseldorf, behauptete die Clownsfigur. „Ah, da war doch der Lüpertz Direktor“, meinte ich. Oh, ich kennte mich ja aus, war die große Malerperson dithyrambisch, aber jetzt sei ja Anthony Cragg am Ruder. Ich als Ästhet fände das eh schon immer scheiße was der Lüpertz so mache, meinte ich tröstend. Der sei doch ein Backenbläser und nach 20-jähriger Amtszeit ja auch längst nicht mehr unumstritten gewesen. Woraufhin der Maler schlagartig vom Genie zum Wahnsinn wechselte und unter der Androhung von Schlägen die Rücknahme meiner Aussage forderte. Das sei hier ein freies Land und ich könne über Kunst sagen, was ich wolle, klärte ich den sich immer rumpelstilzchenhafter gebärdenden Künstlerfurius auf. „Oh, nimm´s halt zurück“, meinte die Begleitung nur und verdrehte demonstrativ die Augen.
Nun sind aber weder Augen rollende Begleitungen noch Personen, die wesentlich schmächtiger sind als ich, dazu geeignet, mich im Zustand eines gewissen Trunkenheitsstarrsinns zur Revision einmal gemachter Äußerungen zu bewegen, weshalb ich Rumpelstilzchen auf die durch hoffnungslose körperliche Unterlegenheit bedingte Sinnlosigkeit seines Unterfangens hinwies. Mit dem Stock auf einen Bienenstock einzuschlagen, um die Bewohner zum einstellen des lauten und störenden Summens zu bewegen, hätte vermutlich eine sachlichere Reaktion nach sich gezogen – OK, vielleicht hätte ich die Worte „alter Furz“ nicht verwenden sollen -, denn nun fuchtelte mir der ergrimmte Künstler statt eines Pinsels mit einer Bierflasche, meiner eigenen, vor meiner Nase herum!
Nun wurde es mir zu bunt und ich beförderte das Männlein mit Schwung durch die offene Tür der Dönerbude, wo es, perdauz, auf seinem Hintern landete. In diesem Augenblick bemerkte ich die beiden Polizisten, zielstrebig steuerten sie auf mich zu. „Grandios“, dachte ich, „Volltreffer!“. Die Gesetzeshüter blieben aber äußerst cool - wohl auch weil sie mittlerweile Verstärkung von mindestens acht (!) Einsatzfahrzeugen, Streifen- und Mannschaftswagen erhalten hatten -, fragten mich äußerst freundlich nach Art und Ursache der Turbulenzen und ob Rumpelstilzchen in Körper verletzender Absicht auf mich losgegangen sei. Ich verneinte dies und erläuterte, dass es wohl eher in volltrunken-unüberlegter Absicht geschehen sei und zu keiner Zeit eine ernsthafte Gefährdung meiner Person bestanden hätte. Froh darüber, lästigen Papierkram vermeiden zu können, erteilten die Polizisten dem enthemmten Künstler einen Platzverweis und fuhren in Kolonne davon.
Nach schlussendlichem Verzehr des Döners, machten wir noch einen kleinen Abstecher in einen benachbarten Nachtclub. Was denn das nebenan für ein Polizeigroßeinsatz gewesen sei, wollte der mir bekannte großkalibrige Türsteher wissen. „Ach, ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung“ meinte ich. Mein gegenüber war sichtlich beeindruckt. Nach einem kleinen Absacker trat ich selbstzufrieden den Heimweg an.
Am nächsten Tag hatte ich meine Begleitung an der Strippe, zwecks Manöverkritik der nächtlichen Kampfhandlungen: „Da hast Du ja in ein schönes Wespennest gestochen“, meinte sie lachend. „Wieso das denn?“, fragte ich. „Der Typ war Meisterschüler vom Lüpertz und nach allem was man so hört, hat er ihm offenbar auch seinen Lehrauftrag in Düsseldorf zu verdanken“. Da habe ich ja wirklich Glück gehabt, dass die Bullen so schnell und zahlreich zur Stelle waren.
PS: Professor ist Rumpel übrigens gar nicht. Professoren haben in Düsseldorf nämlich alle eine eigene Telefonnummer.
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Salve
AntwortenLöschenHerrlich geschrieben! Bitte mehr Geschichten dieser Couleur!
evlaS