Sofern Hardcore Superstar für ihre aktuelle Deutschlandtour eine Vorband gesucht haben, die ihnen auf keinen Fall gefährlich werden kann, haben sie in ihren schwedischen Landsleuten Avatar die perfekten Kandidaten gefunden: Kinder, die für andere Kinder Kinder-Metal spielen, der sogar den anwesenden Kindern – zumindest am Dienstag im Substage – zu infantil war. Und noch eins: Ibanez-Gitarren und 5-Saiter-Bässe sind NICHT Rock N´ Roll. Merkt euch das, ihr Grünschnäbel!
Dabei hätten Hardcore Superstar derartige Hilfstruppen überhaupt nicht nötig. Trotz maßlos übertrieben langer Wartezeit zwischen Umbau und Auftritt werden die Göteborger mit offenen Armen und Dekolletés empfangen. Mit Sleaze Hymnen wie „My Good Reputation“ oder „Shades Of Grey“ und härterem Stoff wie “Into Debauchery” nehmen die Superstars das Substage im Sturm. Das sehr gemischte Publikum, alte Posies im abgetragenen Hanoi Rocks T-Shirt und junge Emo-Kids mit Scheitelfrisur, vereint im Freudentaumel.
Exkurs: Die Bandana, eine Kulturkritik. Augenscheinlich erfreut sich die Bandana, also das als Stirnband getragene quadratische Tuch, einer aufkeimenden Renaissance. Ein gutes halbes Dutzend Kopfgebindeträger sticht unter den knapp vierhundert Besuchern hervor. Das gibt Anlass zur Sorge, denn klein ist der Kreis jener Menschen, welche diese Insignie der Nonchalance zur Schau stellen können, ohne sich der Lächerlichkeit Preis zu geben. Eine kurze Inventur der verschiedenen Kategorien kopftuchtragenden Personals verdeutlicht das: Grundvoraussetzung ist entweder eine gewisse Art männlicher Attraktivität gepaart mit unaufdringlichem Machismo (Johnny Depp), übergroßes Selbstbewusstsein (Axel Rose), eine gehörige Portion Schratigkeit (Saint Vitus´ Dave Chandler, der späte Keith Richards) oder eine Aura der Gewaltbereitschaft (Crips, Bloods, Mike Muir und Ice T). Die Finger vom Binder lassen sollten eigentlich fast alle anderen, insbesondere Tartüffs wie Brett Michaels, oder alternde Harley-Fahrer. Denn: Genauso wenig wie jemand, der sich eine McDonalds-Krone aufsetzt automatisch zum König wird, ist das Stirnband eine hinreichende Bedingung für Coolness. Es ist vielmehr umgekehrt.
Joakim „Jocke“ Berg kommt heute jedenfalls ohne Lappen um die Ohren aus – dafür trägt er Gürtel UND Hosenträger. Der hyperaktive Hardcore Superstar Frontmann gebärdet sich wie eine Promenadenmischung aus Steven Tyler und Iggy Pop, hat also durchaus den Hang zur großen Geste. Trotzdem hat man - anders als zuletzt bei den Backyard Babies - nie das Gefühl, die Superstars fühlten sich für Clubs im Grunde überqualifiziert und spielten eigentlich lieber im Stadion. Die einzelnen Teile des Bandgefüges greifen ineinander wie bei einer gut geölten Maschine. Kritisieren ließe sich vielleicht allenfalls die relative Gleichförmigkeit des Songmaterials, dass fast durchweg im oberen Midtempo-Bereich dahinrollt. Aber gut, mit diesem Vorwurf haben schon ganz andere Bands leben gelernt.
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Salve
AntwortenLöschenDie Kopftuchträger gehen mir auf den Sack. Nicht etwa, weil das schlecht aussieht; nein, ganz im Gegenteil. Aber ich pflege diesen Stil bereits seit vielen, vielen Jahren und nun springen immer mehr auf den Zug auf.
Leute, die rumposen wollen, aber nicht Poser genug sind, ein solches Tuch zu rechtfertigen. Einfach nix halbes und nix ganzes!
Meine Beweggründe sind vielfältig und lassen es nicht zu, mich einer der von dir genannten Gruppen zuzuordnen. Aber dennoch möchte ich dir im Grundtenor Recht geben.
Übrigens hast du noch 2 prominente Träger vergessen: Rich Walker und Uli Jon Roth.
evlaS
Heheh, stimmt nicht, für Uli Jon Roth ist mir nur keine Kategorie eingefallen ;)
AntwortenLöschenSalve
AntwortenLöschenWie wäre es mit "esoterischer Hippie"? Auch wenn das ein Pleonasmus ist, finde ich es recht passend...
evlaS