Warum
gehen wir überhaupt noch auf Konzerte? Warum fahren wir oft hunderte Kilometer,
um in überfüllten, schlecht belüfteten Räumlichkeiten lustlosen Musikern bei
der Arbeit zuzuschauen? Uns von schlechtem Sound die Ohren und überteuertem
Bier die Leber kaputtmachen zu lassen? Weil wir hoffnungslose Nostalgiker sind!
Weil wir verzweifelt jenem Glücksgefühl nachjagen, das uns übermannte, als wir
das erste mal eine Rockband in ihrer ganzen Pracht und Glorie auf einer Bühne
erlebten. Der Euphorie, in die wir kraft eines manisch vorgetragenen
Gitarrensolos verfallen, dem sabbernden Delirium, in das uns eine perfekt
synchronisierte Rhythmussektion versetzt, dem Erregungszustand, in den wir
geraten, wenn uns ein Sänger, der die Trompeten von Jericho verschluckt zu
haben scheint, ordentlich den Marsch bläst. Tja, und ganz ganz manchmal ist diese
Jagd sogar von Erfolg gekrönt. Wie beim Hammer Of Doom VII am vergangenen
Samstag in Würzburg.
Doch
alles der Reihe nach. Bei Eintreffen am späten Nachmittag begrüßten uns die
Schweden von Horisont, die mit ihrer räudigen Mischung aus Black Sabbath und Schweinerock
durchaus Laune machten. Mit dem eintönigen Gegrummel der von vielen Kollegen
hochgehandelten Necros Christos aus Berlin konnte ich hingegen weniger
Anfangen. Allerdings litt der ultra-doomige Death-Metal des Quartetts auch
unter dem arg mumpfeligen Sound. Solides Doom-Metal-Handwerk für den
Hausgebrauch irgendwo zwischen Candlemass und Revelation lieferten Solstice –
nicht mehr, nicht weniger.
Ganze
Bäche von Rührungstränchen schickten dann die Ex-Trouble-Kumpane Eric Wagner
(v.) und Ron Holzner (b.) über so manche bärtige Wange anwesender
Zeitlupen-Jünger. Psychedelische Doom-Schoten wie “Bastards Will Pay”, “Another
Day” oder “Plastic Green Head” hat man live schließlich schon länger nicht mehr
vorgesetzt bekommen. Warum der alte Druffi Wagner, der seinen Abgang bei
Trouble 2008 immerhin damit begründete, mit dem Tourleben nicht mehr
klarzukommen, jetzt mit dieser Spin-Off-Combo unterwegs ist, während seine
Ex-Kollegen Rick Wartell und Bruce Franklin unter altem Namen mit Exhorder
Schreihals Kyle Thomas im Studio rumblödeln und Langzeitdrummer Jeff
"Oly" Olson abseits auf die Reunion des Original-Lineups wartet, muss
man als Fan nicht verstehen. Egal, schön war´s trotzdem.
Jetzt
also: Pentagram. Keine Frage, „Relentless“ ist ein Referenz-Werk des
Doom-Genres. Auch hatten die derzeit aktiven zwei Drittel der klassischen
Traumbesetzung, Sänger Bobby Liebling und Gitarrist Victor Griffin
(Langzeit-Drummer Joe Hasselvander fehlt leider), in diesem Sommer im
Rockpalast eine mehr als ordentliche Performance abgeliefert. Aber bei einer
tragikomischen Figur wie Liebling, die sich im elterlichen Keller bald vierzig
Jahre lang das Hirn mit Crack frittiert hat (wie in der Doku „Last Days Here“
von Don Argott, Demian Fenton zu sehen), weiß man schließlich nie.
Letzte
Zweifel waren auch nach den beiden Openern nicht ausgeräumt. Die Spannung nach
den beiden schon so früh verpulverten unumschränkten Kult-Songs „Death Row“ und
„All Your Sins“ – ersterer mit einem Monster-Riff ausgestattet, zweiterer nicht
minder wirkmächtig – hoch zu halten, würde schwer.
Doch
nix war´s mit Langeweile! Während sich vorm heimischen Plattenspieler
angesichts der auf Dauer doch etwas schablonenhaft anmutenden
Pentagram-Kompositionen nach geraumer Zeit eine leichte Verdrossenheit breit
macht, brannten Liebling und Griffin, unterstützt von einem ordentlich reinhauenden Sean Saley und stoisch vor sich
hin wummernden Greg Turley, ein wahres Feuerwerk ab.
Der mittlerweile mit einer ordentlichen Plauze
ausgestattete Liebling (vielleicht sollte er doch wieder ein paar Drogen
nehmen) grimassiert sich schmutzig gestikulierend durch den Set. In seinem
Äußeren gleicht der 58-Jährige einem augenrollenden, Haare raufenden Hybrid aus
Vincent Price und Catweazle, in seinen fahrigen Bewegungen abwechselnd Gollum
und Kermit dem Frosch.
Der alte Schrat in seiner nieten-glitzernden
Lederjacke liefert zweifellos eine tolle Show und intoniert besser als mancher
Altersgenosse, der sich in seinem Leben weniger Exzesse zugemutet hat, aber
ohne den gottgleich aufspielenden Griffin wäre er wohl nur die Hälfte wert. Wie
ein Paganini des Doom Quält der Saitenhexer sein Instrument ohne unterlass.
Lässt es unter rhythmischen Hieben lauthals aufjaulen, nur um es gleich wieder
mit stählernem Griff zu strangulieren, zu biegen, zu dehnen, ja zu demütigen.
Griffin spielt nicht, er kämpft Gitarre. „Jahhh, jaaahhh, das ist Heavy Metal“,
schreit mir mein Nachbar feucht ins Ohr. Recht hat er. Ein Griffin in solcher
Form nimmt es mit der gesamten True-Metal Armee auf und gewinnt die Schlacht im
Alleingang.
All das wirkt um so schwerer, als der
Gitarrist heute seine letzte Pentagram-Show spielt. Zukünftig will er seine
Solo-Karriere weiterverfolgen. Er hinterläst einen mit dem roten Saft aus
zweitausend blutenden Ohren und tausend blutenden Herzen kniehoch
überschwemmten Saal. Ein Denkwürdiger Abend.
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