Bei Big Daddy Wilson herrscht
immer Bewegung. Nicht auf der Bühne. Dort sitzt der Bluesmann, wie am
vergangenen Donnerstag im Jubez, mit dunkler Brille und schwarzem Hut wie
angewurzelt hinter einem Mini-Rhythmus-Set, mit dem er seinen zwei Mitmusikern
den Takt schlägt. Literarisch aber läuft er sich unentwegt die Hacken ab. In
seinen Songs, die Wilson mit durchdringender und doch sanfter Stimme vorträgt,
ist ständig jemand unterwegs: zu Fuß, mit dem Auto oder auch nur auf der
Tanzfläche.
“Walk A Mile In My Shoes” handelt
von Daddys Kindertagen in der Kleinstadt Edenton, North Carolina. Wo ihn seine
Oma mehrmals wöchentlich in die Kirche schickte, damit der Junge wegbliebe von
der Straße und der schiefen Bahn. Ein Vorhaben, das offensichtlich nur
teilweise von Erfolg gekrönt war. „Stranger In My Own Hometown“ beschreibt das
Gefühl der Entfremdung von der Heimat nach langer Abwesenheit. Wenn an einst
wohlbekannten Orten plötzlich jede Orientierung fehlt, weil Vertrautes
niedergerissen wurde. Ein Gefühl, das den Karlsruhern gegenwärtig nur allzu
geläufig ist. In „Thumb A Ride“, einem besonders gelungenen zumpelig zuckelnden
Folk-Blues, macht sich der Protagonist per Anhalter auf nach Memphis. Neu
anfangen, wie es der Ex-US-Soldat Wilson in seiner norddeutschen Wahlheimat
getan hat.
Auch in Big Daddys profaneren
Liedern ist stillsitzen nicht erlaubt: Im „Texas Boogie“ offenbart er seine
Vorliebe für adipöse Frauen, die über die leergefegten Tanzflächen
südstaatlicher Spelunken wallen. Gleichfalls in Wallung gerät dabei Gitarrist
Big Mike – ebenfalls kein Leichtgewicht – der die Gunst der Stunde für ein
Plektren zermahlendes Säge-Solo nutzt.
Vielleicht hat diese literarische
Rastlosigkeit mit Wilsons eigener langer Suche nach seinem Platz im Leben zu
tun. Zum Blues kam er erst spät im Leben, fern der Heimat. Sein erstes
Blues-Konzert erlebte er erst mit 30
sein erstes Blues Konzert.
Doch auch im unsteten Leben eines
Blues-Mannes gibt es konstanten. „Anna Mae“, eine Art gesungenen Heiratsantrag,
widmet Wilson seiner Frau, „mit der ich seit zwanzig Jahren verheiratet bin“.
„28“, muss Big Mike verbessern. Doch welche Rolle spielen schon Details. Wäre
Wilson zwanzig Jahre jünger und hätte ein paar Pfund weniger auf den Hüften, am
Ende des Songs ist man glatt versucht mit ihm zu gehen, so herzig ist das
vorgetragen.
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