Mittwoch, 31. Oktober 2012

Gegen den Tofu-Konformismus – Warum ich jetzt Wahlkampf für Mitt Romney mache

Neulich bekam ich von einer Freundin – sie ist Vegetarierin – eine Tofuwurst vorgesetzt. In seiner Gestalt und Konsistenz war das Gebilde einer Wurst aus echtem Fleisch und Blut nicht unähnlich. Ich konnte mir darauf die Frage nicht verkneifen, warum jemand, der es aus ideologischen Gründen ablehnt, Tiere zu vertilgen, ein Produkt kauft, dass es ganz offensichtlich darauf anlegt, dem unverfälschten Wursterlebnis möglichst nahe zu kommen. Ich bekam dann irgendwelche Ausreden zu hören, wie, man könne  ja genausogut Tofu-Rollen sagen, die Form sei eben praktisch undsoweiterundsofort...
Einmal davon abgesehen, dass eine kantige Form zum Braten viel sinnvoller sei, wie ich ihr entgegenhielt, glaube ich, dass der Grund für die Wurst-Mimikry ein ganz anderer ist: die wenigsten stehen heute noch zu ihrer Andersartigkeit. Am allerwenigsten, wenn sich ihre Lebensweise von der des Mainstream unterscheidet. Getarnt wird dieser Neo-Konformismus dann mit der Forderung nach Gleichberechtigung: Schwule Paare wollen unbedingt in einer katholischen Kirche heiraten, Klassenclowns, dass ihr Verhalten nicht mehr „auffällig“ sondern „kreativ“ genannt wird und Vegetarier schließlich das Recht, Wurst zu konsumieren – wie alle anderen auch. Statt mit Stolz Tofu-Rollen zu essen, während sich der Rest der Welt mit toten Tieren vollstopft, beharren sie also auf Würsten.
Warum will heute eigentlich keiner mehr anders sein? Es gab in Deutschland schon mehrfach Phasen, in der anders sein total out war – etwa von 1933 bis 45. Ich mache mir da auch Sorgen um die Wirtschaft. Schließlich leben ganze Industriezweige davon, die Menschen mit Ich-bin-anders-Anders-Attributen auszustatten. Die Sicherheitsnadel-Fabriken oder Tätowierfarben-Hersteller zum Beispiel. Die Leben doch nur in Saus und Braus, solange Menschen Sicherheitsnadeln und zugehackte Arme weiterhin für für höchst individuelle Mode-Statements halten.
Es gab mal Zeiten, da bildete man sich was drauf ein, anders zu sein. Früher, als einem die Omis in der Fußgängerzone noch ängstliche Blicke zu warfen, wenn man ein Motörhead-Shirt trug und einen die eigenen Lehrer genauso verabscheuten wie man selbst die Katholische Kirche. Heute gibt es Motörhead T-Shirts bei H&M. Das mag zugegebendermaßen der Wirtschaft helfen, aber das öffentliche Tragen dieses Kleidungsstücks hat dadurch doch stark an Reiz verloren. Im übrigen genauso wie der  Vandalismus auf öffentlichen Plätzen. Das macht heute schließlich auch jeder, insbesondere in der Hauptstadt, wie man so hört.
Fast ist man versucht in größerer Runde lauthals für die Wahl des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney einzutreten, um endlich wieder wenigstens  etwas Widerspruch zu ernten. Mal wieder vor allen Leuten in die Straßenbahn zu kotzen hätte allerdings auch Stil. Sollen doch die ganzen Dazu-Gehören-Woller auf ihren kirchlichen Homo-Hochzeiten mit den anderen Verhaltens-Kreativen Tofu-Würste essen. Ich gehe jetzt erstmal in die Fußgängerzone und sammele von den Omis Wahlkampfspenden für Mitt Romney ein – wo ist eigentlich mein Motörhead T-Shirt?

2 Kommentare:

  1. Lustig. Als Vegetarier kann ich Dir versichern dass ich prinzipiell diesbezüglich in der krassen Minderheit bin. Zudem muss / kann ich mich eigentlich fast auf Knopfdruck mit n Leuten in meinem Umfeld anlegen und Diskussionen vom Zaun brechen, wenn ich nur mal kurz meine Beweggründe anreiße, warum ich es eigentlich völlig asozial finde Fleisch zu essen.
    Ich kenne niemanden, der weils "hip" ist Veggie ist. Dazu laufen zu viele Schwachmaten rum, die sich über soviel Hippietum lustig machen. Oder lässt Du Dir gerne morgens weils so viel Spass macht den Hammer auf den Fuß fallen? ;)

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  2. Alternative zum in die Bahn kotzen oder Wahlkampfspenden sammeln wäre: straight edge!
    Da dann aber die Hammer auf Fuß fall Methode noch getopt wird: am besten präparieren mit Herrmann Hesse lesen- der wunderbar über das anders sein und anders leben geschrieben hat- und, bis das Motörhead T-shirt wieder aufegtaucht ist, The Hirsch Effekt hören...
    Wahlweise auch Kings of Metal, v.a. den song heart of steel :-)

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