Die Feierlichkeiten zum 30-Jährigen
Jubiläum des traditionsreichen Punker-Treffens „Chaostage“ sind am Sonntag in
Karlsruhe friedlich zu Ende gegangen. Gut 600 Angehörige der Punk-Szene bauten
ihr Zeltdorf im Schlosspark, wo sie seit Mittwoch kampiert hatten, ab. Knapp
eine halbe Tonne Papier und Plastikmüll (hauptsächlich Flugblätter mit linken
Parolen und Getränkebecher) wurden gemeinsam zusammengerecht und mit Hilfe der
Parkverwaltung abtransportiert, etwa
zehntausend Bierflaschen wartenden Pfand-Sammlern gespendet.
Vier Tage lang hatten etwa tausend Punks aus
dem gesamten Bundesgebiet und den Nachbarländern das Straßenbild der Einkaufs-
und Erlebnisstadt Karlsruhe bereichert. Zahlreiche kreative Programmpunkte
machten die Chaostage zu einem Besuchermagnet - auch für Nichtpunker.
Actionreiche Hochspannung für alle
Altersgruppen gab es am Donnerstag beim vom Punk Autoclub Karlsruhe (PACK)
ausgerichteten Bobby-Car-Rennen auf der Zoobrücke. Als unerwartetes Highlight
erwies sich die Siegerehrung, als Fahrer und Zuschauer das als Siegprämie
ausgelobte ältere Fahrzeug einer süddeutschen Luxusmarke kurzentschlossen
gemeinsam abfackelten – aus Nostalgiegründen.
Zu einem kleineren Zwischenfall kam es am
Freitag, als einige Fußballpunks in der Innenstadt während des dort
stattfindenden internationalen Maskottchen-Treffens mittels Grillanzünder den
Krokodilsschwanz des VfB-Stuttgart-Talismans Fritzle in Brand setzten. Ein
Maschinenbaustudent aus der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt erlitt
einen leichten Schock, konnte nach kurzer Behandlung aber wieder aus der Obhut
der Ärzte entlassen werden.
Am Freitagabend gab die Bellheimer Punk-Band
Bier-Brigade 77 ein Überraschungskonzert auf dem Europaplatz, dem etwa
zweihundert begeisterte Zuhörer auf ihren mitgebrachten Ghetto-Blastern
lauschten. Schlau: Die Musiker selbst hatten auf den Einsatz von Boxen
verzichtet. Stattdessen speisten sie ihren Sound direkt in einen Transmitter,
der das Konzert auf Frequenz 82.11 im Umkreis von fünfhundert Metern übertrug.
Da die Konzertbesucher lediglich in Kleingruppen um ihre moderat aufgedrehten
Radios hopsten und von der Band kaum mehr zu hören war als von einem gewöhnlichenStraßenmusikanten, sah die Polizei trotz der Beschwerden einiger weniger
Passanten keinen Anlass das bunte Treiben zu beenden.
Sogar richtig beliebt bei den Karlsruhern
machten sich die Punks am Samstagvormittag durch in der Fußgänger Zohne
aufgebaute Guerilla-Cocktailstände. Bei Bloody Marys und Mojitos chillten
Hausfrauen auf von den Autonomen bereitgestellten Liegestühlen, während ihre
bei Samstagseinkäufen sonst quengeligen Kinder fröhlich mit den Punk-Hunden
spielten. Einige vom Grasshopper
beseelte Damen ließen sich von hilfsbereiten Punketten gar die Haare minzgrün
färben. Gesetzte Herren rissen spontan die Ärmel von ihren Jacketts und
feierten mit den Punks bis in die Abendstunden.
Bei Einbruch der Dunkelheit wurde am
Samstagabend auf dem Marktplatz vor dem Rathaus ein gemütliches Lagerfeuer
entzündet. Die SPD-Fraktion im Stadtrat gesellte sich unter Absingen von
Arbeiterliedern spontan hinzu. OB-Kandidat Frank Mentrup nutzte die
Zusammenkunft mit Hinblick auf den näherrückenden Wahltermin am 2. Dezember für
eine kleine Ansprache. Unter dem Motto „Kein Kind darf zurückbleiben“ versprach
der SPD-Mann den vielen jugendlichen und jung gebliebenen Punks, Bildungsgutscheine
sowie ein staatliches Beschäftigungsprogramm
(„Steinbruch statt Steinwurf“). Außerdem warb er für Kinderbetreuung ab
der dritten Lebenswoche.
Um dem politischen Gegner das linksradikale
Wählerpotential nicht kampflos zu überlassen, schaltete sich nun auch
Karlsruhes scheidender Oberbürgermeister Heinz Fenrich zugunsten des
CDU-Kandidaten Ingo Wellenreuther ein. Auf dem Internetportal
„linksunten.indymedia.org“ wird er mit
den Worten zitiert: "Wir haben unsere Ziele voll erkannt und wollen uns
nun der Durchsetzung dieser widmen. Dass dies nun mit weiteren Kosten verbunden
sein wird, muss toleriert werden. Unsere Jugend ist Gold wert und alleine ihr
muss Zukunft geschaffen werden." Außerdem verwies Fenrich unter lautem
Beifall aller Anwesenden darauf, dass die Stadt das Projekt Chaostage von vorneherein
bedingungslos unterstützt und sich daher im Zuge der U-Strab-Bauarbeiten gleich
selbst in Schutt und Asche gelegt habe.
Vertreter der Punk-Szene vor Ort zeigten sich
von so viel Entgegenkommen begeistert und stellten den gerührten Stadtvätern eine
Neuauflage des so erfolgreichen Treffens 2013 in Aussicht – unabhängig vom
Wahlausgang. „Wir kommen wieder, keine Frage, auch nächstes Jahr sind
Chaostage“, versicherte Punk-Sprecher Gülle Grünkopf dem sichtlich erfreuten Fenrich.
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