Montag, 15. Oktober 2012

Kalrsruher Chaostage - wie sie hätten sein können - gehen zu Ende, Punks versprechen erfreuten Stadtvätern Neuauflage des Treffens



Die Feierlichkeiten zum 30-Jährigen Jubiläum des traditionsreichen Punker-Treffens „Chaostage“ sind am Sonntag in Karlsruhe friedlich zu Ende gegangen. Gut 600 Angehörige der Punk-Szene bauten ihr Zeltdorf im Schlosspark, wo sie seit Mittwoch kampiert hatten, ab. Knapp eine halbe Tonne Papier und Plastikmüll (hauptsächlich Flugblätter mit linken Parolen und Getränkebecher) wurden gemeinsam zusammengerecht und mit Hilfe der Parkverwaltung abtransportiert, etwa zehntausend Bierflaschen wartenden Pfand-Sammlern gespendet.
Vier Tage lang hatten etwa tausend Punks aus dem gesamten Bundesgebiet und den Nachbarländern das Straßenbild der Einkaufs- und Erlebnisstadt Karlsruhe bereichert. Zahlreiche kreative Programmpunkte machten die Chaostage zu einem Besuchermagnet - auch für Nichtpunker.
Actionreiche Hochspannung für alle Altersgruppen gab es am Donnerstag beim vom Punk Autoclub Karlsruhe (PACK) ausgerichteten Bobby-Car-Rennen auf der Zoobrücke. Als unerwartetes Highlight erwies sich die Siegerehrung, als Fahrer und Zuschauer das als Siegprämie ausgelobte ältere Fahrzeug einer süddeutschen Luxusmarke kurzentschlossen gemeinsam abfackelten – aus Nostalgiegründen.
Zu einem kleineren Zwischenfall kam es am Freitag, als einige Fußballpunks in der Innenstadt während des dort stattfindenden internationalen Maskottchen-Treffens mittels Grillanzünder den Krokodilsschwanz des VfB-Stuttgart-Talismans Fritzle in Brand setzten. Ein Maschinenbaustudent aus der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt erlitt einen leichten Schock, konnte nach kurzer Behandlung aber wieder aus der Obhut der Ärzte entlassen werden.
Am Freitagabend gab die Bellheimer Punk-Band Bier-Brigade 77 ein Überraschungskonzert auf dem Europaplatz, dem etwa zweihundert begeisterte Zuhörer auf ihren mitgebrachten Ghetto-Blastern lauschten. Schlau: Die Musiker selbst hatten auf den Einsatz von Boxen verzichtet. Stattdessen speisten sie ihren Sound direkt in einen Transmitter, der das Konzert auf Frequenz 82.11 im Umkreis von fünfhundert Metern übertrug. Da die Konzertbesucher lediglich in Kleingruppen um ihre moderat aufgedrehten Radios hopsten und von der Band kaum mehr zu hören war als von einem gewöhnlichenStraßenmusikanten, sah die Polizei trotz der Beschwerden einiger weniger Passanten keinen Anlass das bunte Treiben zu beenden.
Sogar richtig beliebt bei den Karlsruhern machten sich die Punks am Samstagvormittag durch in der Fußgänger Zohne aufgebaute Guerilla-Cocktailstände. Bei Bloody Marys und Mojitos chillten Hausfrauen auf von den Autonomen bereitgestellten Liegestühlen, während ihre bei Samstagseinkäufen sonst quengeligen Kinder fröhlich mit den Punk-Hunden spielten.  Einige vom Grasshopper beseelte Damen ließen sich von hilfsbereiten Punketten gar die Haare minzgrün färben. Gesetzte Herren rissen spontan die Ärmel von ihren Jacketts und feierten mit den Punks bis in die Abendstunden.
Bei Einbruch der Dunkelheit wurde am Samstagabend auf dem Marktplatz vor dem Rathaus ein gemütliches Lagerfeuer entzündet. Die SPD-Fraktion im Stadtrat gesellte sich unter Absingen von Arbeiterliedern spontan hinzu. OB-Kandidat Frank Mentrup nutzte die Zusammenkunft mit Hinblick auf den näherrückenden Wahltermin am 2. Dezember für eine kleine Ansprache. Unter dem Motto „Kein Kind darf zurückbleiben“ versprach der SPD-Mann den vielen jugendlichen und jung gebliebenen Punks, Bildungsgutscheine sowie ein staatliches Beschäftigungsprogramm  („Steinbruch statt Steinwurf“). Außerdem warb er für Kinderbetreuung ab der dritten Lebenswoche.
Um dem politischen Gegner das linksradikale Wählerpotential nicht kampflos zu überlassen, schaltete sich nun auch Karlsruhes scheidender Oberbürgermeister Heinz Fenrich zugunsten des CDU-Kandidaten Ingo Wellenreuther ein. Auf dem Internetportal „linksunten.indymedia.org“ wird  er mit den Worten zitiert: "Wir haben unsere Ziele voll erkannt und wollen uns nun der Durchsetzung dieser widmen. Dass dies nun mit weiteren Kosten verbunden sein wird, muss toleriert werden. Unsere Jugend ist Gold wert und alleine ihr muss Zukunft geschaffen werden." Außerdem verwies Fenrich unter lautem Beifall aller Anwesenden darauf, dass die Stadt das Projekt Chaostage von vorneherein bedingungslos unterstützt und sich daher im Zuge der U-Strab-Bauarbeiten gleich selbst in Schutt und Asche gelegt habe.
Vertreter der Punk-Szene vor Ort zeigten sich von so viel Entgegenkommen begeistert und stellten den gerührten Stadtvätern eine Neuauflage des so erfolgreichen Treffens 2013 in Aussicht – unabhängig vom Wahlausgang. „Wir kommen wieder, keine Frage, auch nächstes Jahr sind Chaostage“, versicherte Punk-Sprecher Gülle Grünkopf dem sichtlich erfreuten Fenrich.

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