Zylinder, verspiegelte Ray-Ban, blaues Schnupftuch in der Gesäßtasche; das Bild, welches sich die Öffentlichkeit von Saul Hudson, aka Slash, gemacht hat, könnte ein Denkmal sein. Oder aber ein bizarrer Fantasiecharakter, wie der Kater mit Hut im kindlichen Kosmos des Dr. Seuss. In jedem Falle hat die breitbeinige nach oben verlängerte Silhouette des Ex-Gunners-Gitarristen längst ihren Platz in der Rockikonographie eingenommen. Nicht nur bei den Endvierzigern, die noch immer dem originären Line-up der selbsternannten gefährlichsten aller LA-Bands nachtrauern. Auch bei ganz jungen Fans, für die schon Velvet-Revolver Dinosaurier waren. Schulter an Schulter drängen sie sich am vorvergangenen Donnerstag im Kölner E-Werk, dem einzigen Deutschen Halt auf Slashs Europatour: Medienfuzzies mit Spencer und Pünktchen-Schal, Indie-Mädchen im Ringelpulli und Langhaarige mit Lederweste und Röhren-Deckel auf dem Kopf.
Dann, nachdem Ginger und die Wildhearts mit melodischen Punk´n´Roll schonmal ordentlich Alarm ausgelöst haben, nehmen Slash feat. Myles Kennedy & The Conspirators die Bühne in Besitz. Der “Nighttrain” beginnt die Fahrt und nach wenigen Takten ist klar: feuilletonistisches Kultur-Herumphilosophieren ist eine Sache, Rock´n´Roll eine ganz andere. Hut, Brille, Krusselhaare im Gesicht sind keine Imagespielchen sondern die Maskerade eines Puppenspielers, der völlig hinter seinem Spiel zurücktritt und nur mittels der Fäden (oder besser Saiten) in seinen Händen kommuniziert.
Slash animiert sein Publikum nicht, er spricht oder blickt es nichteinmal an. In den besten Phasen der knapp zwei Stunden erzeugt der passionierte Schlangezüchter Momente magischer Nähe zum Hörer. Mit rasanten Läufen massiert er dann das Rocker-Herz, nur um es im nächsten Augenblick mit einem gequälten Bending schmerzhaft zusammenzudrücken. Das sind die seltenen Augenblicke, wegen denen man Konzerte besucht.
Auch wenn Slash post Guns N' Roses Einiges auf die Beine gestellt hat, und das aktuelle Album „Apocalyptic Love“ mit seinen tiefsitzenden Rockern und Großformatigen Hymnen keine Wünsche offen lässt, ragen die Titel seiner Ur-Band aus dem Programm heraus, wie die Alpen über den Schwarzwald. Nach langer Abstinenz wird einem plötzlich wieder klar, was für fantastische Songs Axel, Izzy und Co damals wie am Fließband rausgehauen haben: „Civil War“, „Rocket Queen“, „Sweet Child O' Mine” und – mit Abstrichen –, das unvermeindliche „Paradise City“. Unter normalen Umsatänden, würden im Übrigen auch jüngere Großtaten wie „Not for Me”, eine Abrechnung mit dem exzessiven Hollywood-Lifestyle, oder der epische Stadionrocker „Anastasia” Bestnoten erzielen.
Unbestreitbarer Höhepunkt ist dann auch das aus der Miles-Kennedy-Ära stammende „Starlight“. Eine Power-Ballade, bei welcher der hauptamtliche Alter-Bridge Sänger seinen ungefähr 27-Oktaven umspannenden Stimmumfang ungehemmt ausspielen kann, Hammer.
Unterm Strich bleibt die wiedergewonnene Erkenntnis, dass Slash trotz der vielen Höhen und Tiefen seines Phasenweise mehr als extremen Lebens, nicht nur ein grandioser Gitarrist sondern auch er selbst geblieben ist. Was nicht alle seine ehemaligen Bandkollegen von sich behaupten können.
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