Eines vorweg: Trotz aller Bemühungen wollten sich Höllenfürsten jedweder Natur beim The Devil´s Blood Konzert gestern in der Rockfabrik nicht zeigen – auf Teufel komm raus nicht. Stattdessen manifestierte sich allerdings King Diamond höchstselbst. Der diabolische Däne offenbarte sich in seiner Inkarnation als Meister Cagliostro (benannt nach einem italienischen Alchemisten), seines Zeichens Stimm(ungs)kanone bei Attic. Das theatralisch geschminkte Gesicht des jungen mit Patronen und Nieten reich begüterten, beziehungsweise begurteten, Ruhrpott-Fünfers begeisterte nicht nur mit bockstarkem Gesang, sondern demonstrierte en passant auch noch eindrucksvoll wie viele Mercyful Fate-Aufnäher auf einer einzigen Lederjacke Platz finden. Obendrein hat der Meister auch noch ein Händchen für eingängige Melodien, die von der so abwechslungsreichen wie wohltemperierten Gitarrenarbeit von Rob und Katte sowie der teilweise charmant rumpelnden Rhythmus-Sektion absolut stilsicher untermalt wurden. In ihren epischeren Momenten erinnern Attic an absolute Helden der Breitwand-Fraktion wie Solitude Aeternus oder Candlemass („Evlyn“, „Join the Coven“, „The Headless Rider“), in den übrigen habe ich selten eine Band erlebt, die sich so nach Mercyful Fate anhört – außer vielleicht, erm, Mercyful Fate selbst. Außerdem sind mir Menschen mit Saint Vitus-Tattoos sowieso von grundauf sympathisch. Freunden genannter Bands sei das soeben erschienene Attic-Debüt, „The Invocation“ (VÖ: 7.12., Ván Records), also wärmstens ans Herz gelegt.
Nach einer ausgedehnten Umbaupause, die sich vor allem durch die mit äußerster Akkuratesse ausgeführten Arbeiten des Altar-Roadies (Utensilien und Zierrat drapieren, Räucherwerk abbrennen, Kerzchen anzünden) in die Länge zog, begannen The Devil´s Blood mit reichlich Schweineblut im Haar und gar grauslichen Dämpfen und Gerüchen in der Nase endlich ihr mephistophelisches Werk. "Während wir unsere Musik spielen, sind wir von Satan besessen", sagt TDB-Gemeindereferent und Gitarrist Selim Lemouchi gerne. Nun ja, ein gewisses Fanatischer-Hillbilly-Prediger-Charisma kann man Lemouchi, der sich mit eingefallenem Gesicht, Jesus-Bart, verklebten Locken und verdrehten Augen auf der Bühne geriert, nicht absprechen – das hat Neil Fallon von Clutch aber auch. Seine Schwester und Sängerin Farida Lemouchi, aka "The Mouth Of Satan", hingegen, interpretiert ihre Rolle als Frontfrau äußerst statisch, womit nicht nur bewegungsarm gemeint ist. Das erweist sich während das „Ritual“, wie TDB ihre Konzerte bezeichnen, seinen Fortgang nimmt auch zunehmend als Hemmschuh. Während Lemouchi, Ron und der dritte Mann an der Axt (sieht ein wenig aus, wie der junge Roky Erickson) eine wahrhaft wuchtige und dennoch fein verwobene und dynamische Dreifach-Gitarren-Dröhnung liefern, wird man des unentwegt auf einer Intensitätsstufe verweilenden uhuhaften mit Hall überladenen Gesangs von „The Mouth“ irgendwann überdrüssig – zumindest in der Live-Situation. Diese andauernde Reizlosigkeit macht die ausufernden meandernden Jam-Parts mangels melodiösen Halts und Kontrasts dann auch nicht leichter verdaulich. Und das ist schade, denn wenn Satan, wie Lemouchi mitunter andeutet, ihm Texte und Musik einflüstert, dann hat er sich als großer Fan von Bands wie May Blitz, Spooky Tooth und Peter Green´s Fleetwood Mac geoutet. Allesamt Bands, die ich sehr gerne höre. Aber ganz ehrlich, ich glaube wenn der Herr der Finsternis PR-mäßig was reißen wollte, wendete er sich wahrscheinlich an jemand mit dem Sex- und Massen-Appeal von Lady Gaga oder Madonna. Statt an einen Haufen struppiger blutbesudelter 70er-Psychedelic-Rockfans und eine Frau in mittleren Jahren, die mehr an eine Eurythmie-Lehrerein an der Waldorfschule erinnert, als an Astarte.
Unterm Strich bleibt somit die Erkenntnis: TDB sind eine gute bis sehr gute klassische Rockband, aber bislang bleiben Candlemass erhabener, Dio anrührender und Slayer beängstigender.
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