Leider bleibt der beschriebene kleine philosophiegeschichtliche Widerspruch nicht das einzige Problem von „God Is Dead?“. Vom Feeling und Aufbau her gemahnt der Song ein wenig an „Wheels of Confusion“ vom 1972er Album „Vol. 4“, mit dem es auch Tempo und Länge (über acht Minuten) gemein hat. So gesehen knüpfen die drei älteren Herren hier an Zeiten an, die viele als ihre besten bezeichnen würden.
Ironischerweise erwartet man nach wenigen Takten, nicht Ozzy Osbourne, sondern sein nicht unumstrittener Nachfolger Ronnie James Dio werde gleich mit seinem Gesang einsetzen. Warum das? Toni Iommys hinterhältiger Sound ist zwar wie immer Gänse häutend, aber irgendwie bleibt der alte Riffmeister hinter den Erwartungen zurück. Seinen gewohnt archaischen Tonfolgen fehlt diesmal jegliche Verspieltheit. Vermisst werden jene tausend kleinen Licks und Schlenker, die wie Funken um diese sich heranwälzenden Lavaströme übermäßiger Quarten stoben und sie immer noch bedrohlicher erscheinen ließen.
Daran ändert auch der gelungene Tempowechsel nach etwa drei Song-Vierteln wenig. Der ist nämlich derart klassisch Black Sabbath, dass Iommy wohl dachte, da könne man gleich ein schon gebrauchtes Riff recyceln und kurzerhand bei sich selbst klaute („Hole In The Sky“).
Einen solchen Mangel an Raffinesse hätte ein (auch im technischen Sinne) Weltklassesänger wie Dio, dessen Ära sich ohnehin durch eine gradlinigere musikalische Gangart auszeichnete, vielleicht noch ausgleichen können. Ein Mann wie Ozzy, der nur sein Timbre (wenn auch ein einzigartiges) in die Waagschale werfen kann, wirkt hier dagegen etwas verloren.
Auch Rage Against The Machine-Drummer Brad Wilk, der den aus welchen finanziellen Gründen auch immer abwesenden Bill Ward vertritt, müht sich redlich, kann aber – vielleicht aus Schüchternheit – weder mit der gnadenlosen Heavyness eines Vinnie Appice, noch dem nonkonformistischen Spiel Wards selbst konkurrieren. Was letzterer durch seinen antiautoritären Ansatz selbst aus mediokrem Material noch herauszuholen in der Lage war, höre man bei Gelegenheit anhand des während der Spätneunziger-Reunion als Gemeinschaftswerk der vier Urmitglieder entstandenen Songs „Scary Dreams“ nach.
Das einzig wirklich nachhaltig beeindruckende an „God Is Dead?“ ist somit der nahezu masturbatorische Eifer, mit dem Geezer Butler seinen Bass bedient. Was der Veteran hier bietet, ist eine Lehrstunde in alternierendem Bassspiel. Ganz so, als habe er, anders als Toni Iommy, dem an seiner linken Hand zwei Fingerkuppen fehlen, drei Finger zum Spielen mehr an seiner rechten.
Fazit: „God Is Dead?“ ist zwar kein kompletter Griff ins Klo. Aber wenn Black Sabbath die Latte, die sie 2009 in der Dio-Inkarnation mit „The Devil You Know“ verdammt hoch gehängt haben, mit dem für Juni angekündigten Album „13“ nicht reißen wollen, müssen sie noch ´ne Schippe schwarzer Kohle draufpacken, um die angekündigte Höllenglut zu entfachen. Denn wenn Gott noch lebt, bangt er sich gerade zu „Bible Black“ und nicht dem aktuellen Track das Hirn raus.
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