Freitag, 15. November 2013

Chokebore vs. 999

Gramgebeugt: Chokebore beim Konzert in Tourcoing, Frankreich, 2011. Foto: Pauline Froidure.
Auf der Bühne des Jubez in Karlsruhe stehen an diesem Donnerstag, 7.11., Menschen in verwaschenen farbigen T-Shirts. In ungelenker bis grotesker Körperhaltung krümmen sie ihre schlaksigen Körper über die Instrumente, denen sie ein fortwährendes untertouriges Wummern entlocken. Darüber winden sich bizarr verschlungene Gesangslinien, vorgetragen in freudlosem Falsett. Nein, flotte Surfmusik bieten die Hawaiianer von Chokebore nicht. Unter kultivierten Trauerrock-Aficionados, hat der eigenwillige Stil dem Quartett, das einst Kurt Cobain zu seinen Bewunderern zählte, jedoch Kultstatus eingebracht. Ob diese am Asperger-Syndrom leidende Punk-Inkarnation von Saint Vitus allerdings die richtige Musiktherapie für labile Menschen ist? Die Geschichte des Nirvana-Sängers lässt Zweifel zu. Bekanntlich endete er mit einem Gewehrlauf im Mund. Als Antidepressivum hätte im Übrigen auch das Instrumental-Duo Lymbyc Systym nicht getaugt. Das komplette Vorprogramm bestritt das Brüderpaar aus Arizona dadurch, mit Schlagzeug und Keyboard das Thema von „A Whiter Shade Of Pale“ zu variieren. A bore indeed!
Charmebolzen: Nick Cash und Guy Days von 999. Foto:Promo.
Zapp, Ortswechsel: Die Bühne der Alten Hackerei hält eine Rotte stiernackiger, schweinsäugiger Typen mit rasierten Schädeln besetzt. Ihren Instrumenten entlocken 999 ein fortwährendes hochtouriges Wummern. Dazu mault Nick Cash, eine Hooligan-Version von Dirk Bach mit dem Charme eines Bordsteins, seine schnörkellosen Gesangslinien voller Lalalas und Ohohohs heraus. Spielen können die nicht, aber das richtig gut! Die Lieder heißen „Boys In The Gang“, „Hit Me“ und „Homicide“. Besungen werden Glanz und Gloria von Kneipenschlägereien und Straßengewalt. Nein, einen irgendwie intellektuellen Anspruch besitzt diese Fleisch gewordene Notrufnummer  mit dem Herzen eines Boxers nicht – von der Fähigkeit, „Asperger-Syndrom“ zu buchstabieren, ganz zu schweigen. Unter adipösen Oi-Punk-Aficionados mit roten Hosenträgern und fehlenden Schneidezähnen, genießen die charmant abgewrackten nicht mehr ganz so jungen London-Boys, deren 1-2-3-Punk nicht mit drei, nicht mit vier, sondern zwei Akkorden auszukommt, freilich Kultstatus. Sollte man ihnen all das ins Gesicht sagen? Besser nicht, wer will schon mit einem Gewehrlauf im Mund enden.




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