Billy Bragg beim Konzert in der Queen Elizabeth Hall, South Bank, am 16. September 2012. Foto: Pete Dunwell |
Am Nachmittag habe er gar Blut ins Waschbecken gespuckt, erzählte
Bragg mit belegter Stimme weiter. So sei es Joe Stummer auch oft gegangen, habe
ihm Schlagzeuger Luke Bullen, der mit dem The Clash-Sänger gespielt habe, bei
dieser Gelegenheit berichtet. „Für mich als alten Punk war das folglich ein
großer Augenblick.“ Ganz so schlimm kam es dann gottlob nicht. Zwischen den
Songs putzte sich der Sänger, der mit ergrautem Dreitagebart und Westernhemd daherkam
wie ein ländlicher Richard Gere, zwar geräuschvoll die Nase, trank organischen
„Throat Coat“-Tee und riet dem Publikum in der ersten Reihe, besser ein wenig
„Gesundheitsabstand“ zu halten, da er auf keinen Fall auf seine teure Gitarre
niesen werde, sondern nach vorne. Aber trotz seiner angeschlagenen Gesundheit
scheute er sich nicht, seine vorzügliche Band – besonders CJ Hillman spielte
sich mit tollen Slides in den
Vordergrund – für eine ganze Weile von der Bühne zu schicken und alleine zu
performen.
Zwischendurch gab es immer wieder Anekdoten aus einem schon
dreißig Jahre währenden Musikerleben – und natürlich politische Agitation.
Bragg hat schon die erbitterten britischen Bergarbeiterstreiks in den 80ern
unterstützt, sich seitdem immer wieder für linke Belange eingesetzt und einen
ganzen Fundus sozialistischer Kampflieder („The Red Flag“) aufgenommen. Das geniale
an Bragg ist, dass ihm dabei die Sauertöpfigkeit und Blasiertheit vieler Linker
völlig abgeht. Die Kunst sei kein Hammer, mit der man die Gesellschaft formen
könne, so wie Brecht es sah, verkündet er. „Die Kunst ist ein kleines Tüchlein,
mit der man die Feuchtigkeit von beschlagenen Scheiben wischt, damit die Leute
klarer sehen.“ Der Mann könnte glatt als Rock´n´Roll-Ausgabe von Gregor Gysi
durchgehen!
Immer wieder spielte Bragg Lieder von Folk-Legende Woodie
Guthrie. Etwa eine hinreißende Rhythm and Blues-Version von Woodies altem
Antifa-Gassenhauer „All You Fascists (Are Bound To Loose)“. Wie aktuell die
Lieder des Vaters aller Protestsänger noch immer sind, erläuterte Bragg am
Beispiel von „I Ain't Got No Home In This World Anymore“. „Menschen müssen auf
der Suche nach Arbeit ihre Heimat verlassen, Familien werden
auseinandergerissen und werden aus ihren Häusern vertrieben. Alles nur, damit
sich die Bosse immer größere Profite einstecken können.“
Guthrie schrieb den Song vor 75 Jahren. Es ist im Grunde erschreckend,
das Billy Bragg ihn noch immer singen muss. Aber es ist gut, dass er es tut –
auch mit einem Frosch im Hals.
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