Der Meister der Quietschgitarre: Tommy Victor Foto:Prongmusic |
Der Abstieg sticht ins Auge, wie der ikonische Dreizack im Bandlogo: Vor 20 Jahren waren Prong noch eine der Hauptgruppen beim legendären Dynamo Open Air – für die Nachgeborenen: das war das Wacken der 80er und 90er Jahre –, an diesem Sonntagabend, 6. April, haben sich gerade mal 300 Leutchen ins Substage verirrt, um den Industrial und Groove Metal-Pionieren die Ehre zu erweisen. Vormann Tommy Victor lässt sich davon nicht verdrießen. Ebenso wenig von seinem Gitarrensound, der dank der rigiden Lautstärkerestriktionen im Club lediglich die Durchschlagskraft einer an einem Butterbrotpapier schnüffelnden Mäuseschnauze entwickelt.
Das ist ein echtes Ärgernis, denn die Hymnen der
metallischen Arbeiterbewegung, die Prong mit einer wegweisenden Alben Trilogie
("Beg to differ", "Prove you wrong" und "Cleansing")
zwischen 1990 und 94 etablieren halfen, entfalten üblicherweise die
Wucht einer hydraulischen
Schwenkarmstanze – aber das eben nur bei maximaler Membran-Vibration. Und nein,
liebe Gutmenschen und Ohrschützer, Power ist keine Frage des Mixes. Schließlich
käme doch auch niemand auf die Idee, einen Schaufelradbagger mit einem
Mofa-Motor antreiben zu wollen. Obwohl, angesichts der Tatsache, dass heute
unhinterfragt tausende Windräder in einer windarmen Niederung wie dem Rheintal
errichtet werden, ist auch das vermutlich nicht ausgeschlossen.
Von diesen Widrigkeiten abgesehen, verrichten Victor,
Meister der Überton-Quietschgitarre, und
seine zwei Zuarbeiter an Bass und Schlagzeug ihr präzis ausgefeiltes
Zerstörungswerk mit der zu Gebote stehenden Heftigkeit und dem Charme eines
mattschwarzen, fleischfressenden Plymouth Fury: Klassiker wie „Broken Peace“,
„Whose fist is this anyway“ oder „Beg to differ“ lassen die vorderen Reihen
dabei genau so steil gehen wie neuere Nackenzwirbler der Marke „Power oft he damager“ und „Carved
into stone“. Beim Über-Hit “Snap your fingers, snap your neck“ gibt es
natürlich sowieso kein Halten mehr. Einer der älteren Semester hüpft sogar mit
Pulsuhr (!), wohl damit der Blutdruck nicht durch die Decke geht.
Zugegeben, als Leitfigur für die bis ins letzte durchgestylte
Hardcore-Jugend taugt Tommy Victor mit seinem fusseligen Ziegenbart und
verblassenden Tattoos leicht bekleideter Damen sicher nicht mehr. Eine
Nostalgienummer sind Prong deshalb noch lange nicht. Und das wird auch so
bleiben, denn bis auf weiteres ist Victor offensichtlich in der Lage, die jüngere
Konkurrenz zwischen zwei seiner Schwerindustrie-Riffs zu zerquetschen – mit
einem Fingerschnippen.
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