Mittwoch, 15. Oktober 2014

Metal sagt mehr als tausend Brüste - Juttas Brischt huldigen seit 30 Jahren dem Metalgod


Delivering the goods: Juttas Brischt bei ihrer Jubiläumsshow  Foto: Promo
Jetzt mal ernsthaft: Im Grunde sind Musiker, die ihr Talent darauf verwenden, den Sound einer anderen Band möglichst genau zu reproduzieren, doch der musische Antichrist. Sollte der Kreative nicht nach künstlerischer Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung streben? Was sind das nur für Menschen, die ihre Freizeit und Mühe darauf verwenden, wie Elvis zu singen oder Gitarre zu spielen wie Angus Young?  Ziemlich lustige, um ehrlich zu sein. Das gilt zumindest für die badischen  Judas Priest-Darsteller Juttas Brischt, die nun schon seit 30 Jahren im Namen des Metal-Gods unterwegs sind. Und überhaupt: Wenn andere Leute den Kölner Dom aus Streichhölzern nachbauen können, ohne gleich  für bekloppt erklärt zu werden, was soll dann verwerflich daran sein, Songs wie „Living After Midnight“ oder „The Ripper“ auf der Gitarre nachzuspielen?
„Brischt! Brischt! Brischt! Brischt!“, schallt es am Freitag über den Sportplatz im Dörfchen Münzesheim, in Anlehnung an den Schlachtruf, den Priest-Fans bei Konzerten der britischen Metal-Legende ausstoßen. Eine Legende sind Juttas Brischt inzwischen selbst – wenigstens im Kraichgau und sogar darüber hinaus.  500 Leute sind zu ihrem Jubiläumskonzert gekommen.  Angefangen hat das Quintett  vor dreißig Jahren als Kraut und Rüben-Coverband, wie Sänger  Oli „Tripper“ Mannherz berichtet. Der hochaufgeschossene heute  47-Jährige saß damals noch hinterm Schlagzeug. „Die andern sind auf der Bühne aber  immer nur herumgestanden“, berichtet er.  Auf die Anregung ihres Trommlers hin, „da muss mehr passieren“, hatten die Bandkollegen indes eine für diesen unerwartete Antwort parat: „Dann komm Du doch nach vorne und mach was.“
Zum Frontmann befördert merkte Mannherz schnell, dass ihm die Priest-Stücke im Programm wie „Grinder“ und „Breaking The Law“ besonders gut lagen. „Rob Halfords Tenor hatte ich ziemlich gut drauf, nur die hohen Lagen haben sich erst langsam entwickelt.“ Den Anstoß, sich voll auf britischen Stahl zu konzentrieren kam Anfang der 90er durch einen Auftritt mit der Deep Purple-Coverband „Bärbel in Rock“. „Das war damals eine der ersten Tribute Bands“, erzählt Mannherz. „Die waren ein Spin-Off der Rodgau Monotones und haben mich schwer beeindruckt. Das war die Geburtsstunde von Juttas Brischt.“
25 Jahre später stehen die Brischt immer noch. Eine lange Zeit für ein Spaßprojekt. „Wir nehmen uns selbst nicht allzu ernst“, erklärt Mannherz das Geheimnis der Langlebigkeit. Geprobt wird heutzutage nur noch wenig. „Wir sind in alle Himmelsrichtungen verstreut“. Bandmitglieder wohnen in Kaufbeuren und Saarbrücken. „Viele neue Stücke müssen wir zum Glück ja nicht mehr lernen“, sagt er. „Redeemer Of Souls“, die neue Platte seiner Idole gefällt ihm nicht besonders. „Halford wird eben alt“, bedauert er.
Von seiner Glatze – er hat sie mit seinem berühmten Kollegen gemein – steigt Dampf in den kühlen Nachthimmel über Münzesheim. Es ist anstrengend einen echten Metal-Gott zu personifizieren.  Nach zwei Stunden auf der Bühne hat Mannherz seine Lederkluft durchgeschwitzt. Obwohl er heute auf die eigentlich unverzichtbaren Halford-Accessoires Bikermütze und Reithandschuhe verzichtet hat. „Die habe ich nach dem letzten Konzert in der Tasche vergessen. Als ich sie ein halbes Jahr später hervorholen wollte, waren sie vom Salz zerfressen.“ Ersatz hat er noch nicht gefunden. „Es gibt immer nur so Faschingshüte, eine gute Lederkappe zu bekommen, ist schwierig.“ Auf einen Sado-Maso-Versandhandel will der Familienvater  lieber nicht zurückgreifen. „Du kannst mir ja mal was mitbestellen“, sagt er und lacht.
Ohnehin kommt es bei Juttas Brischt weniger auf die zu hundert Prozent korrekte Optik an. Zwar sehen die Gitarristen Axel „Axe“ Herrmann und Maze „Finderlohn“ Bienwald tatsächlich ein wenig aus wie ihre Vorblilder Glenn Tipton  K.K. Downing. Das sei wohl wie bei den Hundebesitzern, die ihren Vierbeinern ähnlich sehen, glaubt Mannherz, „bloß umgekehrt“. Aber viel wichtiger ist, dass die Band es schafft, beim Zuhörer das ganz eigene Judas Priest-Gefühl zu erzeugen: Bei aller Härte ein warmer Sound mit gelegentlich romantischen Melodien. „Das ist einfach schöne Musik“, sagt Mannherz. Und fügt abschließend hinzu: „Heavy Metal sagt einfach mehr als tausend Brüste.“


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