Freitag, 6. November 2009

Dem Grab entrinnt man nicht: Amorphis im Substage

„Stillstand ist Rückschritt und der erste Schritt zum Grab“, sagte einst der Unternehmer Reinhold Würth. Nun ist es sicherlich etwas unorthodox Konzertbesprechungen mit Industiellensprüchen einzuleiten, doch sofern der Künzelsauer „Schraubenkönig“ Recht hat, ist Esa Holopainen, Gitarrist und Annführer von Amorphis, das ewige Leben vergönnt. Denn Amorphis sind eine eigenartige Band. Im wahrsten Sinne des Wortes in gewisser Hinsicht amorph, ja unfassbar. Mit ihrem eigentümlichen, epischen, irgendwie progressiven Gothik-Folk sind die Finnen, ähnlich wie Paradise Lost oder den aufgelösten Sentenced, ihren Death Metal Ursprüngen zwar seit langem entwachsen, so richtig Wurzeln geschlagen haben sie aber seither nicht mehr: Mittels dieser Musik könnten sich auch Nichtvulkanier - und das ohne zu Hilfenahme eines Cannabis-Vaporizers - in andere Dimensionen beamen. Mit ihrem neuesten Burner, Skyforger, haben Amorphis diese Transporttechnik, die sie auf den beiden Vorgängern Eclipse und Silent Waters erprobten, noch perfektioniert.
Folgerichtig bestand am Mittwoch im Substage die Setlist, inklusive fünf ganz neuer Songs, zu zwei Dritteln aus Material von den letzten drei Alben, von denen bisher zwei Goldstatus erreichten. Doch zeigt sich der goldene Erfolgspfad für Amorphis nicht ohne Brüche: Zwar gehörte der Eröffnungsdoppelschlag „Silver Bride“ und „Sampo“ vom aktuellen Werk neben der Hymne „Silent Waters“ zu den herausragenden Momenten, doch kam beim durchweg wohlmeinenden Publikum die ganz große Stimmung erst bei "Black Winter Day“ und “Sign From The North Side” von den seitens der damaligen Kritik als nicht sonderlich inspirierte Todesblei-Scheibletten geschmähten Frühwerken Tales Of The Thousand Lakes und The Karelian Isthmus auf. Nicht ohne Ironie auch, dass Pasi Koskinnen, dessen melodischer Gesang mit der Abkehr vom anfänglichen Sound immer mehr in den Fordergrund gerückt war, seine Stellung 2004 kündigte, um sich einem Death Metal Projekt zu widmen. Jetzt bekam der ehemalige Sinisthra-Fronter Tomi Joutsen das Mikro in die Hand, der wieder verstärkt growlt. Die eigene Herkunft lässt sich eben nicht verleugnen. Bei einer Death Metal Band ist das nun einmal das Grab.

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