Dota on stage in München. Foto: Uwe Lischka |
Apropos Konsum- beziehungsweise Zivilisationskritik: Gleich zu beginn
macht Dota klar, dass sie beim Singen nicht gefilmt werden möchte, „denn das
gibt mir die Möglichkeit, mich so zu verhalten, wie wenn ich nicht gefilmt
werde.“ Das sollte nicht die letzte Kampfansage an Technikverliebtheit und
Fortschrittsglauben bleiben an diesem Abend. „Es geht nicht um ein Stück vom
Kuchen/ es geht um die ganze Bäckerei“, macht die Sängerin in „Utopie“ klar.
„Die Erde ist eine Scheibe/ und bis zu ihrem Rand – Erschlossenes Land“, heißt
es im gleichnamigen Song. Darin, komplexe Probleme in einfache und doch
poetische Worte zu fassen, ist die die Kleingeldprinzessin – der
Europawahlkampf macht es einmal mehr deutlich – der deutschen Politelite ein
gutes Stück voraus.
Neben reichlich Sozialkritik
und politischen Themen wird viel Nachdenkliches geboten: „Von nahem besehen ist
jedes Glück mühsam“, weiß Dota. Aber auch, dass wer ganz oben ist, bei regen
als erster nass wird. Und viele Menschen leider „viel zu viel Ärger und viel zu
wenig Mut“ haben. Das sind große Wahrheiten in kurze Sätze gepackt.
Fleißig beackert wird auch das Feld der Liebe, stets unpeinlich, weil völlig
kitschfrei, dafür oft vor krudem Humor sprühend, der gar nicht selten in
surrealistischen Traumsequenzen oder auch blankem Unsinn gipfelt. Etwa wenn die
Erzählerin ihre Blumen wegwirft und die Katze verschenkt, um mit diesem blonden
Typen und seinem roten Rennrad durchzubrennen.
Klar, ist das alles irgendwie Mädchenmusik. Aber ohne die blassrosa
sozialromantische Muschelketten-Ästhetik, die Wir sind Helden so unerträglich
machte. Mehr im Sinne von Funny van Dannen, wenn er im Lied „Mädchenmusik“ singt:
„Man konnte prima tanzen und auch gut
überlegen /Man konnte klasse
küssen und sich so komisch bewegen.“
Den stilistischen Rahmen dazu bilden
Bossa Nova, 70er Fahrstuhl-Jazz, Reggae und Folk. Allerdings werden die technisch versierten Musiker kaum
je von der Kette gelassen. Wie auch, macht Kehr doch eigentlich Literatur mit Hintergrundmusik.
Dennoch verstehen es Jan Rohrbach an der E-Gitarre, Janis Görlich am Schlagzeug
und Jonas Hauer an den Tasten, sich immer wieder mit kleinen Tricks in Szene zu
setzen. Etwa wenn Görlich in bester Jerry Lewis-Manier eine Schreibmaschine als
Percussions-Instrument benutzt.
Dota und Band liefern die musikalische Entsprechung von Slow Food: Authentisch,
bewusst, aber trotzdem nicht genussfeindlich oder gar sektiererisch. Klasse! Dota mag nur eine Kleingeldprinzessin sein, ihr Wortschatz ist unbezahlbar.
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