Charmant angeranzt: Marco Michael Fitzthum 2015 mit Wanda auf der Bühne. Foto: Pistenwolf |
Denn während die einen die Österreicher für die „vielleicht
letzte wichtige Rock’n’Roll-Band unserer Generation“ (Musikexpress) halten,
stellt sie für die anderen wenig mehr dar als die Austro-Variante überspannten
Befindlichkeits-Pops Hamburger Schule. „Scharlatane oder echte Rocker?“ lautet
daher die heutige Frage an das Wiener Quintett um Sänger Marco Michael Fitzthum.
Die Frage ist relativ schnell relativ eindeutig beantwortet:
„Mein Glied unterwirft sich der Diktatur deines Mundes, Baby“, singt Fitzthum
in „Luzia“, dem ersten Song des Sets. Solche Zeilen würden Studi-WG-Bands wie Kettcar
oder Tomte nie über die Lippen kommen. Sie sind weder politisch korrekt noch
jugendfrei. „Ich will zum Himmel fahren, so schnell und bequem wie es geht“,
heißt es im zweiten Song „Schick mir die Post“ (ins Spital). Dabei weiß doch
jeder, der einmal Grimms Märchen gelesen hat, dass ins Himmelreich nur
steinige, unzugängliche Wege führen. Während breite komfortable Straßen direkt
vor dem Höllentor enden. Aber ist Himmel nicht Ansichtssache? „Hell ain´t a bad place to be“, sang Bon Scott.
Und der 1980 gestorbene AC/DC-Frontmann muss es schließlich wissen.
Und wer hat
eigentlich wann das Dogma in die Welt gesetzt, der Rock´n´Roll als Sprössling der
Verbindung zwischen den ursprünglich lyrisch recht unzweideutigen Musikstilen Blues
und Country wäre das Ergebnis einer unbefleckten Empfängnis gewesen? Warum also
nicht endlich mal wieder ungeniert von Mädels und Schnaps singen? Und natürlich
den seelischen und gesundheitlichen Problemen, die beide mit sich bringen? Lange
Zeit gehörte es zum guten Pop-Ton, die von niederen Instinkten beherrschten
Aspekte der Selbstverwirklichung in Selbstironie zu verpacken. So konnte man
von der Binnen-I-Fraktion schon nicht an den Gender-Pranger gestellt werden. Das
Verdienst von Wanda ist es, diese lustfeindliche Ära auch außerhalb von
Randgruppen-Genres für Abgehängte wie Gangster-Rap beendet zu haben.
Auch musikalisch rau-rumpeln Wanda eher brüsk-borstig
zwischen The Clash und den Rolling Stones als dass sie im NDW-Fahrwasser
dümpeln. Das zeigt sich beim countryesquen Schrammel-Shuffle von "Schickt mir die Post" genauso wie
beim großtuerisch im Midtempo stolzierenden „Bussi Baby“.
Frontmann Marco
Michael Fitzthum alias Marco Michael Wanda schließlich hat nicht nur eine
ziemlich gut durchgequälte Bluesstimme, sondern gibt auch dazu passend den charmant
angeranzten Stenz im weißen Anzug, dem das krause Haar über der Stirn lichter
wird, aber auf der bleichen Hühnerbrust dafür umso dichter sprießt. Die
Klaviatur der großen Rockstar-Gesten spielt Fitzthun gekonnt, indem er die Pose
mit einer wohl dosierten Mischung aus Arroganz und Verletzlichkeit
unterfüttert. Ob er sich nun lässig an
die Schulter seines Gitarristen anlehnt, vom Gram gebeugt zu Boden sinkt oder
sich vom begeisterten Publikum auf Händen tragen lässt.
Okay, richtig derbe Rockschweine, die sich in ihrer Freizeit
gegenseitig leere Whiskeyflaschen auf die Ömme hauen, werden Wanda in diesem
Leben zwar nicht mehr. Aber dafür haben die Wiener mit „1,2,3,4“, „Luzie“,
„Schick mir die Post“ oder „Meine beiden Schwestern“ ziemlich viele Ohrwürmer
am Start. Und auch wenn sich in die Setlist zwischendurch noch der ein oder
andere Langweiler einschleicht, ist das mehr,
als manche Band mit gerademal zwei Alben im Gürtel von sich behaupten
kann. Wirklich bemängeln lässt sich am
Ende allenfalls, dass Wanda als Zugabe "A
Hard Day's Night" von den Beatles anstimmen. Wo „Little Red Rooster“ von
den Stones irgendwie passender gewesen wäre. Doch wer ist schon perfekt.
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