Whip/Marcel Gein, So, 19.5., Jubez, Karlsruhe
Abseits seiner Hauptband Timesbold widmet sich, Sänger und Gitarrist Jason Merritt, alias Whip, dem Spannungsfeld zwischen Singer/Songwriter-Musik, Folk und Country. Am Sonntag ließ Merritt im Jubez am Kronenplatz weniger die Polit-Peitschen knallen (Im angelsächsischen Raum bezeichnet man den Parlamentarischen Geschäftsführer oder „Einpeitscher“ einer Fraktion, der für ein einheitliches Abstimmungsverhalten der Fraktionsmitglieder sorgen soll, als Whip) als Bäche von Tränen fließen. Das Vorprogramm bestritt Marcel Gein, Leadsänger der letztjährigen „New.Bands.Festival“-Siegerband Perry O’Parson. Solo gab sich der Windener weniger als Power-Folk-Maniac, denn als Generationengrenzen überwin-dender - allerdings mit etwas sperrigem Songmaterial ausgestatteter - Pontifex zwi-schen Donovan und Adam Green.
Nach längerer Umbaupause, welche der Hauptattraktion des Abends hauptsächlich dazu diente vor dem Club ein halbes dutzend Selbstgedrehter zu konsumieren, be-quemt sich Merritt im arbeiterbewegten Folkie-Revoluzzer-Look mit Schwarzer Filzja-cke, braunen Hosen und grobem Schuhwerk, schließlich doch noch zu seinem Ar-beitsplatz, um sogleich ein Klagelied an eine verflossene Liebe anzustimmen, schön. Doch wo Merritts melancholischer Pathos bei seiner Hauptband Timesbold in den multiinstrumentellen Klanglandschaften seiner Mitspieler ein Gegengewicht erhält, trifft dieser den Hörer bei seinen Solokonzerten mit voller weinerlicher Wucht. Auf Dauer ist das etwas Mühsam. Merritt scheint das auch selbst zu ahnen und orchest-riert seine Lieder mit allerlei Samples und Effekten, singt in zwei Micros, eines ohne Hall und eines mit sehr viel davon. „Ich mag die Geschichten“, so hat der große Ray Charles einmal seine Liebe zur Country-Musik begründet, aber richtige Geschichten gibt es bei Merritt eigentlich kaum, dafür viel Hall und Rauch und Beben in der Stim-me, die Knöchel affektiert leidend nach innen gekrümmt. So etwas wie Country- oder Folk-Gemütlichkeit kommt zu keiner Zeit auf und schlimm wäre das nicht weiter - denn so was gab es bei Johnny Cash oder Nick Drake auch nicht – erschöpfte sich Merritts Poesie nicht in Betroffenheitslyrik. Doch wo Drake mit tiefgründigen Texten wahrhaft berührte, und Cash wie kein Zweiter in wenige Worte ganze Tragödien klei-den konnte, klischiert der Timesbold-Kopf im Künstlerhut mit irgendwie gesucht wir-kenden, teils Bizarren, Gefühls-Symphonien für vierzigjährige Esoterikinteressierte, den süß-schweren Duft später Blüten im Herbst und vertrockneter Rosen inklusive. Dann doch lieber eine gute Geschichte.
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