Fueled by Fire, der Name ist Programm. Denn gleich meterhoch loderte das Feuer aus den Ärschen der Kalifornier und wärmte die Herzen der Thrash-Fans, die an diesem so eisigen wie verregneten Samstagabend den glatten Weg ins Stuttgarter LKA gefunden hatten. Besonders Klasse: Die Gitarrenarbeit des Quartetts, die häufig an die frühen Metallica erinnerte.
Wäre Indiana-Jones Death-Metal-Fan, zu seinen Faves gehörten ohne Zweifel Nile. Aus seiner Todesblei-Bundeslade zaubert Hobby-Ägyptologe und Seth-Jünger Karl Sanders seit fast zwanzig Jahren monolithische Sound-Pyramiden. Für die ausgesucht dunkle Atmosphäre sorgen neben dem wie aus grausigen Grüften grollenden Gesang und den mystischen Doppelgitarren – beide Pflichten teilt sich Sanders mit Dallas Toler-Wade, der, vom etwas unägyptischen D.R.I-Shirt abgesehen, Arnold Vosloo als Imhotep in „Die Mumie“ nicht unähnlich sieht – vor allem die Samples vorgeblich altägyptischer Musiken. Dazu kommt sphinxhaft-vertracktes Songwriting, dem George Kollias, von dem man ständig fürchtet, er werde gleich ohnmächtig von seinem Schlagzeughocker fallen, eine zusätzliche Dimension an Komplexität verleiht.
Wer mithin meinte, mit Nile sei, was die Erbarmungslosigkeit angeht, an diesem Abend die Spitze des Obelisken erreicht, wiegte sich zu früh in Sicherheit. Zum Auftritt von Morbid Angel verhielt sich die Darbietung von Sanders und Co in etwa wie ein Scharmützel zwischen Demonstranten und Polizei auf dem Kairoher Tahir-Platz zum Einfall der Mongolen in den Kaukasus: David Vincent stapft in einer Art Leder-Rüstung, ausgestattet mit Baphomet- und Fell-Applikationen, auf die Bühne. Mit seinen schwarzen Koteletten und dicken Armen sieht er darin aus wie ein Hybrid aus einem höllischem Hunnen und einem etwas größer gewachsenem Glen Danzig. Flankiert wird der wild grimassierende Frontmann dabei vom heftig sein Griffbrett strangulierenden Trey Azagthoth. Der bleibt dabei so cool, dass man ohne weiteres geneigt ist, dem Gerücht, er reise stets in einem beständig auf sechs Grad temperierten Tour-Bus, Glauben zu schenken.
Ruinöse Klassiker wie “Immortal Rites”, „Chapel of Ghouls“, „Pain Divine“, „Where the Slime Lives“, oder „Rapture“ strotzen nur so vor boshaftem Gitarrenspiel, handgelenkbrecherischem Drumming und frevlerischen Vocals. Und sind somit auch noch mehr als zwei Dekaden nach ihrer Entstehung geeignet, ganze Armeen nordischer Black-Metal-Emporkömmlinge das Fürchten zu lehren. Dem stehen auch neue Werke wie das rasend schnelle „Existo Vulgore“ oder „Nevermore“ vom jüngsten umstrittenen Album „Illud Divinum Insanus“ in nichts nach. Morbid Angel sind wieder eine Macht.
Doch nun zu etwas völlig Anderem, der besten Thrash-Band Europas: Kreator. Auf Mille und Konsorten ist live stets Verlass,von daher sind zu viele der Worte gar nicht zu verlieren. Highlights in der Setlist sind neben alten immer wieder gerne vorgezeigten Schmuckstücken wie “Extreme Aggression”, “Phobia”, “Pleasure To Kill” oder “Endless Pain” auch neue Thrash-Pretiosen wie „Phantom Antichrist“, „Death to the World“ oder “Civilisation Collapse”.
Mille versprüht Gift und Galle wie eh und je – doch auf besonders einnehmende Art und Weise. Während der fast 45-Jährige in seinem Sendungsbewusstsein während früherer Zeiten manchmal doch etwas überspannt rüberkam, wandelt er heute leichtfüßig auf dem schmalen Grad zwischen pathetischem Zeremonienmeister, angepisstem Berufsjugendlichen und leicht selbstironischem elder thrashman. Ich meine, sich mit Ansagen wie „beim nächsten Song erwarte ich mehr Brutalität und Gewalt im Moshpit“ oder „seid ihr bereit, euch alle Umzubringen (vor „Pleasure to Kill“)“ nicht der Lächerlichkeit preiszugeben, ist schon eine Kunst. Doch strahlen Kreator 2012 tatsächlich so etwas wie idiosynkratische Lebensfreude aus, die selbst Trey Azagthoth in seinem fahrenden Leichenschauhaus nicht kalt lassen dürfte. Kein Wunder also, dass die Metal-Gemeinde umgehend in nahezu pfingstliche Verzückung gerät. Da hätte man die „Flag of hate“ zu guter Letzt garnicht mehr hissen müssen.
Unterm Strich eine Demonstration massivsten Metals, bei der zuvörderst die Essener auftrumpften. Beachtlich, nach sechs Wochen Tour mit dem Vernehmen nach lediglich zwei Hotelübernachtungen. Respekt!
Sonntag, 16. Dezember 2012
Dienstag, 11. Dezember 2012
Doro in Concert - Albern oder ehrlich?
Jetzt mal ehrlich Leute: Wenn man so unter
Metal-Adepten in gemütlicher Runde bei ein zwei Trinkhörnern goldbraunen
Gerstensaftes zusammensitzt, wird zwar gerne und kontrovers über die Relevanz
des Post-Seasons In The Abyss-Slayer-Backkatalogs diskutiert oder darüber, ob
jetzt Max Duhamel oder Derek Roddy die krasseren Blastbeats spielt. Der Satz,
„Ey, hat eigentlich schon jemand die neue Doro gehört“, fällt hingegen relativ
selten – im Grunde nie. Andererseits sind die Konzerte der deutschen
„Metal-Queen” stets gut besucht, so auch am vergangenen Freitag im fast
ausverkauften Substage. Und das trotz – um es mit der zu Unrecht vergessenen
schweizer Band Messiah zu sagen – „Extreme Cold Weather“ und dem Umstand, dass
die Düsseldorferin erst vor wenigen Tagen im nahen Stuttgart gespielt hatte. Wie ist dieses
Missverhältnis zwischen minderer künstlerischer Bedeutsamkeit und
Publikumszuspruch zu verstehen?
Sicherlich nicht mit dem Kopf, denn der ist vom
Beginn mit den Warlock-Klassikern „Burning Witches“ und „Fight For Rock“ an mit
Wackeln beschäftigt. Eher schon mit dem Herzen, denn Blut aus dem ihren
vergießt die zierliche Metal-Jeanne d’Arc gleich fassweise. Klar, Doro´s
klassischer von Accept und Priest beeinflusster Metal, bei dem sich bei jedem
zweiten Song auf jede dritte Achtel trefflich „Hey“ rufen lässt, ist vom
Nieveau eher Stoppelackerrennen als Raumfahrttechnik, aber die 48-Jährige geht
ihrem Beruf, ja ihrer Berufung, mit so entwaffnendem Freimut und
offensichtlicher Einsatzfreude nach, dass es schwerfiele, wollte man sich ihrem
schlichten Charme entziehen. Neigte die Sängerin nicht mitunter zu schwülstigen
Pokahontas-Balladen wie „Herzblut“ oder „Engel“, die in ihrer Larmoyanz bis zur
Grenze des erträglichen vordringen – von der anderen Seite winkt schon Andrea
Berg –, ein solches Vorhaben wäre völlig aussichtslos.
Sicher, auch an den selbstreferentiellen Texten
ließe sich herumkritteln. Ständig werden verbal die Fäuste in die Luft gereckt,
die Köpfe gebangt und wird der wahre Stahl beschworen. Allein, man nimmt
Dorothee Pesch zum eigenen erstaunen ab, dass sie jedes Wort, dass sie sagt
oder singt wirklich ernst meint, dass sie jedes Klischee aus vollster innerer
Überzeugung erfüllt. Dann prangert Doro noch pflichtschuldig das leidige
“Lautstärkeverbot” bei hiesigen Metal-Konzerten an (“alles was man tun kann,
ist noch lauter Brüllen”), widmet einen Song dem verstorbenen Ronnie James Dio
(„Hero“) und einen ihrer besten Freundin Regina Hallmich („Metal Racer“). Die
vierköpfige Backing-Band rockt solide. Und wer so Evergreens wie „All We Are“
oder „Für Immer“ im Gepäck hat und obendrein noch neue Speed-Granaten wie,
ähem, „Raise Your Fist in the Air“ fabriziert, kann sich ohnehin nur ganz
schwer unbeliebt machen.
Man kann Doros kompromisslos ausgelebte
Mental-Romantik albern finden, andererseits ist sie auch anrührend. Und darum
geht es schließlich bei Musik.
Donnerstag, 6. Dezember 2012
Auf Teufel komm raus - The Devil´s Blood und Attic in der Rofa
Eines vorweg: Trotz aller Bemühungen wollten sich Höllenfürsten jedweder Natur beim The Devil´s Blood Konzert gestern in der Rockfabrik nicht zeigen – auf Teufel komm raus nicht. Stattdessen manifestierte sich allerdings King Diamond höchstselbst. Der diabolische Däne offenbarte sich in seiner Inkarnation als Meister Cagliostro (benannt nach einem italienischen Alchemisten), seines Zeichens Stimm(ungs)kanone bei Attic. Das theatralisch geschminkte Gesicht des jungen mit Patronen und Nieten reich begüterten, beziehungsweise begurteten, Ruhrpott-Fünfers begeisterte nicht nur mit bockstarkem Gesang, sondern demonstrierte en passant auch noch eindrucksvoll wie viele Mercyful Fate-Aufnäher auf einer einzigen Lederjacke Platz finden. Obendrein hat der Meister auch noch ein Händchen für eingängige Melodien, die von der so abwechslungsreichen wie wohltemperierten Gitarrenarbeit von Rob und Katte sowie der teilweise charmant rumpelnden Rhythmus-Sektion absolut stilsicher untermalt wurden. In ihren epischeren Momenten erinnern Attic an absolute Helden der Breitwand-Fraktion wie Solitude Aeternus oder Candlemass („Evlyn“, „Join the Coven“, „The Headless Rider“), in den übrigen habe ich selten eine Band erlebt, die sich so nach Mercyful Fate anhört – außer vielleicht, erm, Mercyful Fate selbst. Außerdem sind mir Menschen mit Saint Vitus-Tattoos sowieso von grundauf sympathisch. Freunden genannter Bands sei das soeben erschienene Attic-Debüt, „The Invocation“ (VÖ: 7.12., Ván Records), also wärmstens ans Herz gelegt.
Nach einer ausgedehnten Umbaupause, die sich vor allem durch die mit äußerster Akkuratesse ausgeführten Arbeiten des Altar-Roadies (Utensilien und Zierrat drapieren, Räucherwerk abbrennen, Kerzchen anzünden) in die Länge zog, begannen The Devil´s Blood mit reichlich Schweineblut im Haar und gar grauslichen Dämpfen und Gerüchen in der Nase endlich ihr mephistophelisches Werk. "Während wir unsere Musik spielen, sind wir von Satan besessen", sagt TDB-Gemeindereferent und Gitarrist Selim Lemouchi gerne. Nun ja, ein gewisses Fanatischer-Hillbilly-Prediger-Charisma kann man Lemouchi, der sich mit eingefallenem Gesicht, Jesus-Bart, verklebten Locken und verdrehten Augen auf der Bühne geriert, nicht absprechen – das hat Neil Fallon von Clutch aber auch. Seine Schwester und Sängerin Farida Lemouchi, aka "The Mouth Of Satan", hingegen, interpretiert ihre Rolle als Frontfrau äußerst statisch, womit nicht nur bewegungsarm gemeint ist. Das erweist sich während das „Ritual“, wie TDB ihre Konzerte bezeichnen, seinen Fortgang nimmt auch zunehmend als Hemmschuh. Während Lemouchi, Ron und der dritte Mann an der Axt (sieht ein wenig aus, wie der junge Roky Erickson) eine wahrhaft wuchtige und dennoch fein verwobene und dynamische Dreifach-Gitarren-Dröhnung liefern, wird man des unentwegt auf einer Intensitätsstufe verweilenden uhuhaften mit Hall überladenen Gesangs von „The Mouth“ irgendwann überdrüssig – zumindest in der Live-Situation. Diese andauernde Reizlosigkeit macht die ausufernden meandernden Jam-Parts mangels melodiösen Halts und Kontrasts dann auch nicht leichter verdaulich. Und das ist schade, denn wenn Satan, wie Lemouchi mitunter andeutet, ihm Texte und Musik einflüstert, dann hat er sich als großer Fan von Bands wie May Blitz, Spooky Tooth und Peter Green´s Fleetwood Mac geoutet. Allesamt Bands, die ich sehr gerne höre. Aber ganz ehrlich, ich glaube wenn der Herr der Finsternis PR-mäßig was reißen wollte, wendete er sich wahrscheinlich an jemand mit dem Sex- und Massen-Appeal von Lady Gaga oder Madonna. Statt an einen Haufen struppiger blutbesudelter 70er-Psychedelic-Rockfans und eine Frau in mittleren Jahren, die mehr an eine Eurythmie-Lehrerein an der Waldorfschule erinnert, als an Astarte.
Unterm Strich bleibt somit die Erkenntnis: TDB sind eine gute bis sehr gute klassische Rockband, aber bislang bleiben Candlemass erhabener, Dio anrührender und Slayer beängstigender.
Mittwoch, 5. Dezember 2012
Die Königin des Rock´n´Roll wird 80
"If Elvis is the King
of Rock and Roll, then I'm the queen." Dieser
Satz sagt eigentlich schon alles über Little Richard, der heute 80 Jahre alt
wird. Trotzdem will ich über Richard Wayne Penniman, geboren am 5. Dezember
1932 in Macon, Georgia, noch ein paar Worte verlieren: Zunächst einmal ist es
bemerkenswert, dass ein schwuler schwarzer Rock´n´Roll-Sänger mit
Pompadour-Frisur im Umfeld des amerikanischen Südens, das Billie Holyday etwas
mehr als eine Dekade vorher noch in ihrem Lied „Strange Fruit“ – der Körper
eines gelynchten Schwarzen, der an einem Baum hängt – so eindrucksvoll besungen
hatte und in das Little Richard 1955 mit einem gellenden "A-wop bop-a
loo-mop, a-lop bam-boom!“ lautstark hereinplatzte, überhaupt seinen 30.
Geburtstag erlebte.
„Er ist in Macon, Georgia, mit diesem
schmalen Menjou-Bärtchen und einem verdammten roten Kleid aufgetreten. Alle
haben sich dummes Ding genannt und (mit nasaler Stimme) ‚Uuh‘ und ‚Aah‘
gemacht. Sie haben ihre Homosexualität nicht nur im Verborgenen ausgelebt. Das
war unerhört“, befand Motörheads Lemmy neulich mir gegenüber im Interview.
Wie unerhört Little Richards Auftreten
damals für seine Zeitgenossen war, ist für uns
Nachgeborene nur schwer vorstellbar. Einen wagen Eindruck vermittelte
mir ein Gespräch, das ich unlängst in einer Schwulenbar in New Orleans mit
einem greisen Gast führte, während wir ein paar amerikanische Dünnbier kippten
und uns ein Spiel der Saints anschauten. Die Repressionen (Polizeigewalt,
Diskriminierung) , denen Homosexuelle in den Südstaaten damals ausgesetzt
waren, standen jenen, unter denen die Schwarzen zu leiden hatten, in nichts
nach. So betrachtet dürfte allenfalls der kleinwüchsige schwarze einäugige Jude
Sammy Davis Junior noch schlechtere Startbedingungen für eine erfolgreiche
Karriere im Showbiz gehabt haben, als Richard Penniman.
Doch all das nur am Rande, denn die
Herzen der Jugend flogen Little Richard sicher mehr wegen seiner schrillen
Unangepasstheit, als wegen seiner fragwürdigen sexuellen Orientierung zu.
Nochmal Lemmy: „Davor hatten wir zwar Bill Haley. Aber er war ein kleiner
dicker Mann, der schreckliche karrierte Tartan-Jacketts trug. Haley hat schon
gute Musik gemacht, aber irgendwie war es nicht das Wahre. Dann kam Elvis – so
wolltest du aussehen. Und Little Richard – so wolltest du singen.“ Oder wie es Jimi Hendrix einmal ausdrückte: "I
want to do with my guitar what Little Richard does with his voice."
Und tatsächlich: Vergleicht man Elvis’
Covers von “Rip It Up”, “Long Tall Sally” oder “Ready Teddy” mit den ursprünglichen
Versionen, stellt sich schon die Frage, wer hier eigentlich König oder Königin
ist. Mit der obligatorischen Prise Irrsinn rockt Little Richard immerhin sogar
eine Schmonzette wie "Goodnight,
Irene".
Wie viele der alten Rock´n´Roller fühlte sich allerdings auch Little Richard
aufgrund seines christlichen Glaubens extrem schuldig. Jerry Lee Lewis sagte,“
ich spiele die Musik des Teufels und dafür werde ich zur Hölle fahren“. Der
Killer versuchte sich später als Prediger, Richard begab sich ins Priesterseminar.
„Auf Tour in Australien hat er eines Tages seine Ringe ins Meer geworfen und
verkündet, er wolle sein unstetes Leben beenden und Priester werden. Beim
Seminar ist er dann freilich immer im gelben Cadillac vorgefahren. So hatten es
sich seine Lehrer vermutlich nicht vorgestellt“, amüsiert sich Lemmy.
Meine Lieblingsanekdote über Little
Richard stammt allerdings von Randy Bachmann. Der werkelte eines Tages im
Studio an einem Song und fand, ein hämmerndes Rock´n´Roll-Piano sei genau das
fehlende gewisse Etwas. Da die Bachman-Turner Overdrive damals extrem
erfolgreich waren, Randy also das nötige Kleingeld hatte und sich einen
Jugendtraum erfüllen wollte, lud er Little Richard ins Studio ein. Das Problem:
Richard, zwar gewiss kein Faulenzer am Klavier, konnte nur in G, C, oder D,
nicht aber in A spielen, der Tonart von Bachmanns Song. Also ließen sie das
Band langsamer laufen, so dass Richard den Track in G einspielen konnte,
hinterher beschleunigten sie es wieder. Als Little Richard das Ergebnis hörte,
rastete er völlig aus, da er dachte, man habe ihn ersetzt. Auf die Versicherung
hin, dass es nach wie vor er sei, kommentierte er nur, er habe garnicht
gewusst, dass er auch in A spielen könne.
Das nenne ich gesundes
Selbstbewusstsein. Also wenn ich diesen Post mit der Aussage schließe, „Little
Richard ist einfach der Größte“, wird er dem sicher zustimmen.
Freitag, 30. November 2012
Lass krachen Opa – Motörhead in der Offenbacher Stadthalle
Motörhead sind wie Weihnachten: Man trifft sich jedes Jahr zur selben Zeit mit denselben Leuten, singt dieselben Lieder und macht sich mit demselben unnütze n Zeug im Gepäck wieder auf den Heimweg – trotzdem geht man immer und immer wieder hin (so wie ich am vergangenen Montag). Warum? Weil es immer schon so war, weil man nicht wüsste, was man stattdessen tun sollte, weil Opa vielleicht das letzte mal dabei ist und weil es natürlich trotz allem Spaß macht – irgendwie.
Natürlich finden sich im Weihnachtspunsch auch immer ein paar Wehrmutstropfen: Sei es die bucklige Verwandtschaft , die viel zu laut und dazu noch falsch singt (Diaries of a Hero), oder die Tatsache, dass die Ellenbogen- und Beinfreiheit am Esstisch gleich null ist, weil Muttern mal wieder viel zu viele Leute eingeladen hat (die Offenbacher Stadthalle war so gnadenlos überfüllt, wie ein Gänsezuchtbetrieb in der Vorweihnachtszeit. Echt übel).
Wenn dann allerdings die ersten Glühwein gekippt sind und die alten Tanten (Anthrax) anfangen, die besten Schoten aus ihrer Jugend rauszuhauen („Caught in a Mosh“, „Antisocial“ „Indians“), wie „jaja, damals mit dem Onkel Ian auf dem Heuboden, das war ganz ein wilder und der fuhr soooo ein Brett, hihihi, und der gute Belladoncamillo, wenn der mal zu viel am Messwein genippt hatte, das war auch kein Heiliger“, wird´s ja meistens doch ganz kurzweilig. So auch heuer.
Der unbestrittene Höhepunkt ist natürlich, wenn Opa schließlich die Weihnachtsgeschichte vorliest. Opa kann erzählen. Denn er hat viel erlebt und schafft es deshalb, selbst die abgedroschenste Geschichte so zu erzählen, dass man ihm gerne zuhört. Manchmal baut Opa sogar ein paar unvorhergesehene Schlenker in die ewig gleiche Story ein („You Better Run“, „Rock It“, „Are You Ready“). Ob er das macht, weil er die Geschichte etwas interessanter gestalten will oder er langsam ein wenig huschig wird und die festgeschriebene Abfolge einfach nur vergessen hat, bleibt dabei im unklaren. Egal, wir freuen uns einfach, dass wir ihn noch haben, unseren Opa. Denn wenn er mal nicht mehr da sein sollte, dann werden das verdammt trostlose Weihnachten. Mach´s gut Opa, ich hab´ dich lieb. Nächstes Jahr sehen wir uns wieder. Du kommst doch, ja?
Natürlich finden sich im Weihnachtspunsch auch immer ein paar Wehrmutstropfen: Sei es die bucklige Verwandtschaft , die viel zu laut und dazu noch falsch singt (Diaries of a Hero), oder die Tatsache, dass die Ellenbogen- und Beinfreiheit am Esstisch gleich null ist, weil Muttern mal wieder viel zu viele Leute eingeladen hat (die Offenbacher Stadthalle war so gnadenlos überfüllt, wie ein Gänsezuchtbetrieb in der Vorweihnachtszeit. Echt übel).
Wenn dann allerdings die ersten Glühwein gekippt sind und die alten Tanten (Anthrax) anfangen, die besten Schoten aus ihrer Jugend rauszuhauen („Caught in a Mosh“, „Antisocial“ „Indians“), wie „jaja, damals mit dem Onkel Ian auf dem Heuboden, das war ganz ein wilder und der fuhr soooo ein Brett, hihihi, und der gute Belladoncamillo, wenn der mal zu viel am Messwein genippt hatte, das war auch kein Heiliger“, wird´s ja meistens doch ganz kurzweilig. So auch heuer.
Der unbestrittene Höhepunkt ist natürlich, wenn Opa schließlich die Weihnachtsgeschichte vorliest. Opa kann erzählen. Denn er hat viel erlebt und schafft es deshalb, selbst die abgedroschenste Geschichte so zu erzählen, dass man ihm gerne zuhört. Manchmal baut Opa sogar ein paar unvorhergesehene Schlenker in die ewig gleiche Story ein („You Better Run“, „Rock It“, „Are You Ready“). Ob er das macht, weil er die Geschichte etwas interessanter gestalten will oder er langsam ein wenig huschig wird und die festgeschriebene Abfolge einfach nur vergessen hat, bleibt dabei im unklaren. Egal, wir freuen uns einfach, dass wir ihn noch haben, unseren Opa. Denn wenn er mal nicht mehr da sein sollte, dann werden das verdammt trostlose Weihnachten. Mach´s gut Opa, ich hab´ dich lieb. Nächstes Jahr sehen wir uns wieder. Du kommst doch, ja?
Donnerstag, 29. November 2012
Teenage Death Explosion - Eine Jugend für das Todesblei
Tahtahtata, düdeldidüüüh, sanfte Key-Board-Klänge umschmeicheln die Hörmuschel. Doch die Prelude ist nur ein kurzes Ablenkungsmanöver. Ab Sekunde 53 von „The Fire Temples“ bestürmen Teenage Deathexplosion den arglosen Musikkonsumenten mit nicht mehr nachlassendem Furor und Ingrimm: Magen-verdrehende Blast-Beat-Attacken (selten unter 210 bpm), Hardcore-lastige, fett groovende Gitarren (erinnern an frühe Obituary oder Unleashed) und Vocals wider jede natürliche Kehlkopfanatomie. Das sind die hervorstechendesten Stilmerkmale der Karlsruher All-Star(oder sollte ich sagen Alt-Star?)-Combo, bestehend aus verdienten Underground-Kämpen, die ihre Jugend lokalen Kult-Kapellen wie Fertilizer, Mortifer oder The Starfuckers geopfert haben. Technisch umgesetzt ist das erbarmungslose Schlachten durchweg auf höchstem Niveau. Besondere Erwähnung verdient die „Gesangsleistung“ von Dennis Winter: Wie ein infernalischer Ein-Mann-Zombie-Chor schreit, growlt, rülpst und keift sich der Ex-Mortifer-Shouter durch die zehn Hassklumpen, dass schon vom Zuhören der Hals weh tut. Dafür würden sich andere Bands zwei oder drei Vocalisten leisten. Beeindruckend, wie ich finde. Runterladen könnt ihr euch das Teil hier.
Mittwoch, 28. November 2012
Tod, aber erstaunlich frisch – Jimi Hendrix zum 70ten Geburtstag
Viele, viele Zeitungsspalten wurden in den letzten
66 Jahren gefüllt mit Artikeln über Leben und Werk von Jimi Hendrix. Seit der
damals 23-jährige US-Gitarrist an einem frühen – wahrscheinlich nebeligen –
Septembermorgen 1966 mit seinem Manager, Ex-Animal-Basser Chas Chandler, im
Swinging-London ankam, um mit der bluesversessenen britischen Rock-Aristokratie
um Beck und Clapton zuallererst den Boden aufzuwischen und dann seinen
weltweiten Siegeszug als einer der stilbildendsten Gitarristen den 20.
Jahrhunderts anzutreten. Hendrix´ musikalischer Werdegang bis zu seinem frühen
von zahlreichen Verschwörungslegenden umrankten Tod, am 18. September 1970 in
einem Londonder Hotelzimmer, wurde somit schon hinreichend seziert. Und wie
Lemmy Kilmister mir neulich im Interview gesagt hat: „Es
ist nur ein Geburtstag, ein zeitlicher Zufall, das bedeutet überhaupt nichts.
Ich glaube auch nicht, dass Hendrix seinem Geburtstag ihrgendeine Bedeutung
beigemessen hat. Wahrscheinlich hat er sich die meiste Zeit an seinen eigenen
verdammten Geburtstag sowieso nicht erinnert. Wir waren die ganze Zeit verstrahlt.“
Wie begeht
man also diesen 70. Geburtstag, den James Marshall Hendrix am gestrigen
Dienstag, 27. November, gefeiert hätte? Man legt einfach mal wieder seine
Platten auf; möglichst unbefangen. Zumindest jene, die er zu Lebzeiten nach
eigenem Willen veröffentlicht hat.
„Purple Haze“, der Eröffnungssong auf „Are You Experienced?“, dem 1967
erschienen Debüt der Jimi Hendrix Experience, wirkt mit seinem pumpenden Beat,
ikonischem Gitarrenlick und Hendrix´ genial phrasiertem Gesang auch anno 2012
so frisch, als käme er gerade aus dem Presswerk. Lediglich die psychedelischen
Zwischenspiele klingen für heutige Ohren leicht antiquiert. „Manic Depression“,
ein im dreivierteltakt einherpolterndes Groove-Monster mit endcoolen Breaks,
würde auch aus dem Repertoire aktueller Stoner-Rock-Helden wie Red-Fang oder
Queens of the Stone Age positiv herausstechen. Extrem lässiges Riffing, legere
Licks, Vintage-Uhh-Uhh-Chöre und ein so lakonischer wie einprägsamer Refrain:
Die „Billy“ Roberts-Nummer „Hey Joe“ hätte, vielleicht nicht jetzt, aber in den
90ern allemal, zum Monsterhit getaugt. Ein nettes Liebesliedchen im
Rumba-Rhythmus ist „May This Be Love“; nicht mehr, nicht weniger. „I Don't Live
Today“ bleibt in überbordenden
Jam-Wucherungen hängen, trotz apart phrasiertem Chorus. Pure Liebesmagie
versprüht hingegen „The Wind Cries Mary“. Und „Fire“ versengt einem kraft des
minimalistischen Riffs, funkigen Rhythmus und Mitch Mitchells Oktopus-Drummings
noch immer die Haare im Ohr – Garagenrock vom feinsten. Dagegen kann „Third Stone From The Sun“,
dessen abstruse Stimmeffekte nach
Darth-Vader mit verstopfter Nase klingen, heute nur noch als skurriles
Zeitdokument gelten. „Foxy Lady“ hingegen ließe noch heute in jedem
Strip-Club die geilen Straßenköter
hecheln. Und einen perfekteren
Rausschmeisser für eine durchzechte Nacht im Indie-Club, als „Are You
Experienced“, kann man suchen. „Are You Experienced“ ist roh, brachial,
unverfälscht gefühlvoll und daher zeitlos.
Nach dem Hendrix mit dieser Scheibe, und
Auftritten, bei denen er mit seinem Mund Soli spielte, die andere nicht mit den
Händen gemeistert hätten, den Blues bereits in die Stratosphäre befördert hatte, hob er ein halbes Jahr später mit
„Axis: Bold as Love” erst so richtig ab. Mit Fliegenden-Untertassen-Rock
entführt uns Captain Hendrix in bislang unerhörte Weiten seines
Klanguniversums. Wobei er mit seiner schwerelosen Überschall-Gitarre allerlei
waghalsige Manöver vollführt. Er lässt sie trudeln, flattern, schlingern,
Loopings vollführen oder wie einen Stuka aufheulen – und zeigt der Welt en
passant, wie man ein wahrhaft melodisches Gitarrensolo spielt.
Leider haben viele der hinzugefügten –
damals bahnbrechenden – Sound- und Effekt-Spielereien über die Jahrzehnte
Faszination eingebüßt: Nach dem albernen Ufo-Intro und der nervigen
Feedbackorgie „EXP“ kann man daher auch beim beschwingt swingenden „Up from the
Skies“ getrost die Skip-Taste drücken. Das erste Highlight ist „Spanish Castle Magic”, dessen
witziger Text (“It´s very far away, it takes a bottle every day to get there”),
scharfes Riff und schreiendes, leider ausfadendes, Solo bezaubern. “Ain't
No Telling“ erfreut als brillanter funkiger Garagenrock. „Little Wing“, sicher
eine der anrührendsten und vor liebevoller Details strotzendsten Ballade der
Rock-Geschichte, strapaziert heutige Ohren allerdings mit seinen wabernden
Klangeffekten. Nicht so der markerschütternde Proto-Metal-Stampfer „If 6 Was
9“. “You’ve Got Me Floating” geht als wüster Urahn von Lenny Kravitz´ “Are You
gonna go my way” durch. “Castles Made Of Sand” wartet einmal mehr mit
begeisternden Gesangsphrasierungen auf. „One Rainy Wish“ wiederum hat einigen
wirr flitternden Gitarreneffekt-Schabernack zu bieten, verliert sich ansonsten
aber in recht belanglosem Hippie-Gedudel. „Little Miss Lover“ verführt mit
funkigem Groove und einigen coolen Licks, der mit allerlei Klang-Tand
überladene Gesang allerdings lässt die Romanze recht schnell abkühlen.
In seiner Zeit war „Axis“ sicher ein
soundtechnisch wegweisendes Werk, dessen eigentlich mehrheitlich sehr gelungene
Kompositionen aber an einem Übermaß an Effekten krankten. Kein Wunder, dass
Chas Chandler den Produzentenjob nach der Hälfte der Aufnahmen frustriert von
Hendrix Spieltrieb an den Nagel hängte. Insgesamt zu viel Schnickschnack.
Hendrix Pionierleistung, mit einer Fender Strat Dinge zu tun, für die sie
sicher nicht konstruiert worden war, bleibt davon freilich unberührt.
„Electric Ladyland“, der von Hendrix
selbst produzierte Schwanengesang der Experience, erschien 1968 Doppel-LP. Nach
einigem Geplänkel (“...And The Gods Made Love”, “Have You Ever Been”) bohrt
sich “Crosstown Traffic“ wie ein glühender Draht in den Hörnerv. Ein fiebriger Groove-Rocker,
Du kannst die Luft in der drückenden Sommerhitze über dem Asphalt der Straßen
von New York, wo die Aufnahme entstand, förmlich flimmern sehen. Der absolut
fesselnde, satanische Sumpf-Blues-Jam „Voodoo Chile“, veredelt von Steve
Winwoods kreischender Orgel und Mitch Mitchells einmal mehr tollkühnem
Getrommel kann als Sternstunde des Genres gelten. Einen krassen, wenn auch
nicht gänzlich misslungenen Gegensatz bildet da Bass-Mann Noel Reddings
Bubble-Gum-Power-Pop Nummer „Little Miss Strange“. „Long Hot Summer Night“
kommt dann wieder äußerst entspannt daher. Super relaxt, wie ein süßlich
riechender knisternd abbrennender Riesen-Yogi an einem lauen
Frühsommernachmittag. Fffffhhhh-pfffuuhhhh, aahhhhhhh. Nicht unverzichtbar,
aber immerhin flott ist „Come On“. Earl Kings von der Experience etwas
aufgepimpter Rhythm and Blues-Hupfer. Das Gitarren-Lick von „Burning Of The
Midnight Lamp“ klingt ein wenig nach 80er Jahre-Fernsehserien-Titelmelodie, was
einen feinen Gegensatz zu den schwankend schwebenden psychedelischen Chören
ergibt. Leicht abgehoben ist auch „Rainy
Day, Dream Away“, ein verhuschter Pillen-Swing mit sprechender Gitarre. Jetzt, „1983... (A Merman I Should Turn To Be.
Hendrix´ ureigene Glücksbärchi-Apokalypse. Ein
fast vierzehnminütiges Mammut von einem Werk. Ein Mammut allerdings, das rosa
Seifenblasen aus seinem flauschig behaarten Rüssel bläst (die Haare sind Lila),
die sich am Himmel in freundlich winkende Lachmöwen verwandeln, um dann von
zischenden insektoiden Kampffliegern hinweggefegt zu werden. Genial, sollte
zwischendurch bei den Treffen des Koalitionsausschusses von CDU und FDP
gespielt werden. Infernalisch auch der forsche Feuerwehr-Tango „House Burning
Down“, eine vergessene Perle zweifellos. Den krönenden Abschluss bildet Dylans
„All Along The Watchtower“. Die glitzernden und schillernden von Hendrix in
endlosen Stunden wie in einem himmelsstürmenden Kaleidoskop turmhoch
aufeinandergeschichteten Gitarrenspuren
repräsentieren das vielleicht schönste und seelenvollstes Spiel, zu dem
dieser Mann fähig war. Dem steht „Voodoo Child (Slight Return)“ nur in Nuancen
nach. Das glorreiche, leicht verschleppte Riffing, und der aufreizende
Sprechgesang machten den Song zur Hendrix-Nationalhymne, hätte er sich später
nicht kurzerhand die amerikanische zu Eigen gemacht.
„Ladyland“ ist insgesamt vielleicht
nicht ganz so unverblümt wie das Erstlingswerk, aber direkter als „Axis“ und
mit reichlich Song-Perlen bestückt.
Bleibt „Band of Gypsys“, das von Hendrix
1970 mit der gleichnamigen Post-Experience-Formation herausgebrachte
Live-Album. Wie behauptet wird, ein unterbewertetes Stück Vinyl. Nun,
Hendrix´Army-Kumpel Billy Cox erweist sich am Bass als vitaler, Jimis
springflutartige Gitarrenkaskaden raffiniert aber unaufdringlich
kanalisierender Gegenspieler, der so einfallslose wie wichtigtuerische Billy
Cox am Schlagzeug hingegen als bloßer Passant. Die energetische
Garagen-Rock-Attacke der frühen Jahre fehlt hier fast völlig. Die endlosen
Jams, von Jimis äußerst sparsam eingesetztem Gesangstalent nur sporadisch
aufgelockert, kurieren auf Dauer jede Insomnia. Nichtsdestotrotz enthält „Band
of Gypsys“ mit dem beängstigenden Blutnebel-Blues „Machine Gun“ einen letzten
Höhepunkt in Hendrix Schaffen. Unterm Strich mehr ein Album für Musiker –
Gitarristen insbesondere, versteht sich.
Am Ende dieses Abhörmarathons steht die
Erkenntnis, dass dem Musiker Hendrix vom nagenden Zahn der Zeit weit weniger
Gefahr droht, als von seinem eigenen den Horizont verdunkelnden Mythos. Der
verstellt nämlich allzu leicht den Blick aufs Wesentliche: die wunderschönen
Songs und das von Hendrix´ selbst verleugnete Gesangsgenie. Wiederentdecken
lohnt sich. Alles Gute zum Geburtstag Jimi, hope you´re still floating!
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