COJONES –
wer angesichts dieses Bandnamens testosterongeschwängerten Schwanzrock
erwartet, sieht sich getäuscht. Den statt mit Öl, Bier und Samenflüssigkeit
beschmierten Rock´n´Roll liefern die vier eher manierlich aussehenden Kroaten
auf „Resonate“ geschmackvollen Psychedelic Rock. Mal mit ordentlicher
Stonerschlagseite („Rocker“), mal mit fernöstlich die Hüfte schwingenden Weltmusikeinlagen
(„Pilgrimage“). Anders als viele Genrekollegen beschränken sich COJONES auf ihrem
dritten Longplayer nicht darauf, möglichst viel Hall auf die Kanäle zu
klatschen, sondern sind hörbar bemüht, das Psychedelicfeeling mittels
originellen wie stimmungsvollen Songwritings zu kreieren. Ein Ansatz der sich
besonders bei den Gesangslinien positiv auswirkt, die ausnahmsweise nicht schon
tausendmal gehört klingen. Hier können auch Rockfans gerne mal reinhören.
Donnerstag, 20. April 2017
Dienstag, 18. April 2017
Krötenlecker-Sound galore: Xixa
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Los Paraguayos auf Acid: Xixa. |
Bands, die
sich auf die drogenseligen Endsechziger- und Frühsiebziger Jahre berufen und
historischen Instrumenten sowie ebensolchem Equipment effektüberladene
Schwurbelsounds entwinden, sind mittlerweile so Zahlreich wie die Blütenstauden
an einer wohlgediehenen Hanfpflanze. Da ergeht es dem Hörer wie dem
LSD-Konsumenten: Bei zu häufigem Genuss lässt irgendwann die Wirkung nach. Da
sind Xixa genau das richtige Gegenmittel. Denn das Sextett aus dem
US-Wüstenstaat Arizona, das am Donnerstag, 13. April, im Jubez zum stimmungsvollen
Acid-Test lud, verbindet duster-psychedelische Krötenlecker-Klänge mit
schwitzigen Latin-Rhythmen. Und das macht – Spaß.
Die Aufgabe
des Anheizers übernahmen Tan LeRacoon um die Hamburger Szene-Figur Tanju Börü:
Tupfenhemdiger Pfiffelrock, meandernd zwischen 60s-Folk und Punk, Jefferson
Airplane und The Saints, inbrünstig vorgetragen, eifriges Zehentippen beim
Publikum.
Xixa sind
freilich eine ganz andere Nummer: Das Bandleader-Paar Brian Lopez und Gabriel
Sullivan sehen aus wie der junge Bob Dylan und eine mexikanische Version von
Vampirjäger van Helsing. Die Musik bleibt mehr oder weniger im Rahmen dieses
Bildes. Wer angesichts der Vokabel „Latin“ ohrenschmeichlerisches
Santana-Gezuppel oder fröhliches Salsa-Hoppe-Hoppe-Reiter erwartet hatte, wurde
enttäuscht. Xixa klingen vielmehr als hätten Los Paraguayos ihr Fable für
Horror-Surf-Punk, abgedrehten Spacerock und schrullige Elektro-Sounds entdeckt.
Zugegeben: Auf dem Papier ist das keine sonderlich stimmige Mischung. Aber Dank
schamanischer Percussion-Einlagen, höllisch eingängiger Twin-Gitarren-Licks und
der ein oder anderen pfiffigen Gesangsmelodie schmeckt diese Medizin keineswegs
bitter.
Hält man
sich vor Augen, dass auch Schock-Rock-Übervater Alice Cooper seine ersten
musikalischen Gehversuche in Phoenix, Arizona, unternahm, ergibt das ganze
Unterfangen von Xixa auch schon wieder mehr Sinn (Winston Watson am Schlagzeug
soll sogar mal für den Altmeister getrommelt haben). Und auch bei Lopez und
Sullivan war die Liebe für scharfkantige Gitarrensounds und Alt-Americana schon
da, als sie begannen, ihre Lateinamerikanischen Wurzeln zu ergraben und dabei
auf Chicha und Cumbia stießen.
Und: Ihre
Medizin wirkt. Im Gleichtackt mit der sechsköpfigen Band, die auf spitzen
Sohlen über die Bühne wippt, schunkeln die rund 60 Anwesenden selbstvergessen
dem Tanzverbot entgegen.
Montag, 17. April 2017
Besser als der späte King: Elvis - das Musical
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Ans Original kommt niemand heran - meistens: Elvis bei seiner 68er Comeback-Show auf NBC. |
Flashback: In der folgenden ersten Spielszene hat Elvis-Darsteller
Grahame Patrick den weißen Glitzer-Nudie-Suit gegen einen Mechaniker Blaumann
getauscht wie ihn der junge Lastwagenfahrer aus Tupelo, Mississippi,
tatsächlich getragen haben mag, als er an einem heißen August-Nachmittag nach
der Arbeit ins Sun Studio von Sam Phillips in Memphis stakste und für eine
Gebühr von vier Dollar seine erste Tonaufnahme anfertigen ließ.
Im weiteren Verlauf wird Elvis´ Karriere auf recht
lehrreiche Weise nachvollzogen anhand von Songs und nachgestellter berühmter
Bühnenszenen aus Fernsehshows oder Filmen, die sich immer wieder mit Schauspieleinlagen
abwechseln, wobei der Charakter des Colonel Parker (graue Eminenz und
skrupelloser Strippenzieher hinter dem King) als Erzähler fungiert. Stationen
sind etwa die erste Studiosession mit den Rockabilly-Legenden Gitarrist Scotty
Moore und Bassist Bill Black („That's All Right“). Oder Presleys US-weites
Fernseh-Debüt in der „Stage Show“ der Dorsey-Brüder, das im Januar 1956 wütende
Protestanrufe und empörte Briefe schockierter Zuschauer provozierte. Sowie
Filmausschnitte und denkwürdige Konzerte wie die1968 von NBC ausgestrahlte
Come-Back-Show oder das Engagement in Las Vegas.
Als größter Trumpf entpuppt sich die Band, die trotz größter
Routine (über 60 Aufführungen in knapp drei Monaten) ihren Job nicht nur
sauertöpfisch exekutiert, sondern sichtlich Freude an der Arbeit hat –
tatsächlich gibt es sicher Schlimmeres, als tagtäglich Leiber/Stoller-Perlen
wie „Hound Dog“, „Jailhouse Rock“ oder „King Creole“ zu spielen.
Und auch Elvis-Darsteller Grahame Patrick weiß Akzente zu
setzen. Zwar bekommt der etwas speckige Ire, der mehr als „Teddy Bear“ denn als
„Big Boss Man“ rüberkommt, vor allem in der vom Rock´n´Roll dominierten
Frühphase Abzüge in der Haltungsnote, begeistert aber immer wieder durch seine
Gesangsleistung. So reißt der Doppelgänger mit seiner Performanz ausgerechnet
bei den Gospels „He Knows Just What I Need“ und „He Touched Me“ die Leute von
den Sitzen.
Ein Manko indes bleibt während des gesamten Abends die
brutale Lautstärke. Hier empfiehlt sich vielleicht eine Umorientierung bei der
Zielgruppe, weg von den Elvis-Fanclubmitgliedern der ersten Stunde.
Macht froh auch ohne Katzeklo - Helge Schneider live
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Ist doch albern: Helge Scheinder 2009 in Uhingen. Foto: AngMoKio |
Wer in den 90er Jahren mit Popkultur sozialisiert wurde, der kam an Helge Schneider nicht vorbei: „Die singende Herrentrorte“ aus Mühlheim an der Ruhr bevölkerte mit Blödel-Hits wie „Katzeklo“, „Es gibt Reis, Baby“ oder „Telefonmann“ die Charts und WG-Partys. Doch irgendwann war man des „albernen Helge“ mit seinen Reinhold Messner-Parodien überdrüssig. Wie dieser seinem Superstar-Status übrigens auch. Man selbst wandte sich irgendwann wieder ernsteren Interpreten zu wie Johnny Cash oder Machine Head, Schneider schrieb Krimis. Der Wiederbegegnung nach 20 Jahren an einem Märzfreitag im Baden-Badener Festspielhaus ging folglich dasselbe Gefühl voraus, was man gemeinhin vor Klassentreffen hegt: Klar, man fand früher dieselben Bands gut und dieselben Lehrer doof, aber reicht das nach Jahrzehnten noch als Basis um wenigstens einen gemeinsamen Abend mit Anstand über die Bühne zu kriegen?
Doch dann schlurft Helge Schneider auf die Bühne und sagt:
„Mein Helge ist Name Schneider und ich bin hier, um Sie zum Lachen zu bringen.“
Und – man lacht. „Okay, dann kann ich ja wieder gehen“, fährt Helge Schneider
fort. Und alles ist wie früher.
Oder auch nicht: Denn Schneider ist weit davon entfernt den
Blödelbarden mit Plateausohlen zu geben. Statt Haarteil und bunte Anzüge trägt
Schneider heute Frack – okay, auf den Rücken ist mit Kreide das Wort „dof“
(sic!) gekritzelt. Sein Vorhaben, sich ans Piano zu setzen, zerdehnt er virtuos
ausufernd auf eine Viertelstunde. Dass er am Ende nicht das Klavier zum Stuhl
trägt wie einst Clown Grock ist eigentlich alles was fehlt, um dem Fass die
Krone ins Gesicht zu schlagen.
Überhaupt ist der Helge Schneider von 2017 mehr Musik Clown
als Komiker oder Entertainer: Ein erster Höhepunkt ist eine Nummer, in der er
sein Klavierspiel mit chargierenden, die Gefühlslage des Stückes total
übersteigernden Gesten begleitet (oder umgekehrt). Das ist so brüllend komisch
und gleichzeitig so locker dargeboten, dass schnell klar wird, warum der
61-Jährige als einer der versiertesten deutschen Musiker gilt. Seit seinem
fünften Lebensjahr spielt Scheider Klavier. Nachdem er ein
Sonderbegabten-Programm am Duisburger Konservatoriums abgebrochen hatte, wandte
er sich dem Jazz
zu. Einmal er vom Bundesverband Klavier als „Klavierspieler des Jahres“
ausgezeichnet.
Weiter geht es mit Gospel – Schneider singt drei Minuten
lang nur, „Oh, Lord“ –, Boogie („Käsebrot“) und Blues – Schneider singt zwei
Minuten lang, „I was born“ und dann eine Minute, „I woke up this morning“ und
dann, „then I pee“. Doch Schneider als verkanntes musikalisches Genie zu
interpretieren, das sich wegen Erfolglosigkeit irgendwann aufs Lustigsein
verlegt hat, würde ihm ebenso nicht gerecht.
Und das nicht, weil Schneider heute auch eine politische
Dimension seiner Kunst offenbart. Gleich Jimi Hendrix 1969 in Woodstock „Star
Sprangled Banner“ dekonstruiert er „Einigkeit und Recht und Freiheit“ auf dem
Cello. Seinem bekannten „chinesischen Schlaflied“ („Make, make Heia“) –
gespielt auf der spanischen Gitarre – fügt er die im bedrohlichen Bariton
vorgetragene Arie eines Nazi-Opas an, die darin gipfelt, dass der Alte droht,
mit den Hacken seiner Springerstiefel in die Wiege zu hüpfen. In seiner für ihn
typischen Akomik fügt Schneider an: „Das ist ja die Realität!“
Sein Programm bestreitet Schneider heute weitgehend allein –
im zweiten Teil trägt er Smoking; auf dem Rücken steht jetzt „intiligent“. Doch
ist er Menschenfreund und wohl inzwischen auch reich genug, seinen alten
Bandkumpels einige Kurzauftritte zu gewähren: Sergej Gleithmann (auch bekannt
als kaukasische Bartfrau Gisela Koch) begeistert mit dem Tanz des
Meisenmannes. Und mit „Superdrumming“ Pete York liefert sich Schneider einen
Schlagzeug-Battle wie einst das Tier mit Buddy Rich.
Vielleicht ist das neben aller musikalischen und
komödiantischen Brillanz das eigentliche Erfolgsgeheimnis von Helge Schneider;
ein Menschenfreund zu sein. In seiner Art des freien Assoziierens, bei der
immer wieder Momente der Überraschung entstehen, die für Schneider selbst
manchmal genauso unerwartet sind wie für das Publikum, ist er ja fast so etwas
wie ein Anti-Trump. Eine der finalen Zeilen im letzten Song lautet: „Bald ist
der Mensch abgeschafft und es gibt nur noch Schnösel.“
Freitag, 4. November 2016
Ruhe geben gibt´s nicht: Tattered Silence fallen beim New Bands vom Treppchen
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Evil: Tattered Silence.Foto: Band. |
Die Gewinner des New-Bands-Festivals heißen in diesem Jahr
Reaching 62f. Die Esotherik-Rocker aus Philippsburg verwiesen die
Classic-Rock-Formation Voodoo Kiss und den brasilianischen Solokünstler Cristiano Matos auf die Plätze. Knapp nicht
in die Jurywertung schafften es am Samstag in Jubez am Kronenplatz die
brachialen extrem Metaller Tattered Silence. Resistance aus Bruchsal erhielten
den Publikumspreis. Die nach einer mitreißenden Performance in der Vorrunde
ebenfalls hochgehandelten Deutsch-Punker Kaptain Kaizen mussten ihre Teilnahme am Wettbewerb wegen
der unvorhergesehenen Ankunft eines kleinen Nachwuchsmusikers in der Band
leider absagen. Die Sieger treten bei „Das Fest“ auf
Als erster musste der spätere Drittplatziere Cristiano Matos
ran: Der Sänger und Bassist kämpfte sich trotz schwerer Erkältung durch seinen
halbstündigen Set. Zog sich aber auch Dank seiner musikalisch ganz vorzüglichen
fünfköpfigen Backing-Band überaus achtbar aus der Affäre. Wenig Wiedererkennungswert hatten allerdings
die Songs, die trotz aller musikalischen Klasse scheinbar Ziellos durch die Gefilde von Latin, Fusion und Rock
meanderten.
Ein ums andere Mal auf dem Punkt landeten in kompositorisch
hingegen Voodoo Kiss. Dem modern angehauchten Rock der Karlsruher und
Pforzheimer Gemeinschaftsproduktion mit dem Nette-Jungs-Image, der irgendwo
zwischen Alter Bridge, Led Zeppelin und
ZZ Top verortet ist, fehlt vielleicht ein Gran Dreck unter den Fingernägeln,
aber ansonsten gibt es hier rein gar nichts zu kritteln: Sänger Sebastian
trifft jeden Ton und hat obendrein ein Händchen für einprägsame Melodien. Mit
Gitarrist Pascal, der sowohl mit knackigen Riffs als auch mit durchdachten Soli
begeistern konnten, hatten Vodoo Kiss den sicher komplettesten Musiker des
Abends in ihren Reihen. Und die Rhythmussektion erledigte ihren Job angemessen
solide. Wie schon angedeutet: Voodoo Kiss fehlen ein paar Ecken und Kanten,
aber Nickleback sind auch ohne solche reich geworden. Ein Video findet ihr hier.
Sehr viele Fans hatten Resistance mitgebracht, die ihre
Lieblinge ausgelassen feierten. Bei dem
Fünfer aus Bruchsal rumpelt es musikalisch zwar noch ganz schön und am
Songwriting wird die Band noch feilen müssen, aber der Enthusiasmus mit dem die
jungen Kerle zur Sache gehen, ist
schlicht ansteckend. Kann mit bisschen Arbeit noch was draus werden.
Einen guten Schritt weiter sind da schon Tattered Silence.
An dieser Band ist einfach alles extrem:
Das fängt schon bei der Optik des Trios an. Da wäre auf der einen Seite
Frontmann Michiel „Shadow III“ van Steenhoven, der mit seiner zierlichen Figur
und seinem psychotischen Stageacting stark an Chucky die Mörderpuppe erinnert.
Und auf der andere Seite der gewichtige Smiley Lochmüller, der mit seiner
Mohawk-Frisur und Nietengurt am Bass,
auch als einer der Kopfgeldjäder von Jabba dem Hutten durchgehen könnte.
Überaus Gegensätzlich sind die Musikbausteine aus denen
„Tattered“ ihre Musik zusammenbauen: Hier treffen ausgeflippte Rap-Parts auf
extremes Hochgeschwindigkeitsgesumme, funkige Einlagen auf donnernde Downbeats.
Während Steenhoven allerlei verrückte Sounds und Läufe aus seinem Griffbrett
zaubert, pflügt die Rhythmussektion gnadenlos straight durch die Botanik (Ein Video seht ihr hier).
Einziger, aber siegkostender Wehrmutstropfen: Während Steenhoven
alle Facetten des metallischen Extremgesangs (gutturales Grunzen, heiseres
Bellen, aggressives Fauchen, hysterisches Kreischen), hapert es beim
Klargesang. Sich für den Job noch einen Mann ins Boot zu holen, wäre kein
schlechter Schachzug.
Steil nach unten ging die Lärmkurve mit Reaching 62 F: Die
Mannschaft aus Philippsburg spielt instrumentale Regenrohr-Musik, die den Hörer
in extraterrestrische Welten beamen soll. Dem Weltraumkonzept hat sich das
Quartett komplett unterworfen: 62 F rekurriert auf den unlängst entdeckten
Planeten Kepler, der als potentieller Kandidat für lebensfreundliche
Bedingungen gilt. Dazu gibt es lustig fluoreszierende Spacekadetten-Hemden und
allerlei blubbernde, sirrende und rauschende Effekte.
Musikalisches Grundprinzip bei Reaching 62 F ist die
Repetition; eines Riffs, eines Rhythmusmusters oder eines Samples,
üblicherweise mit einer Leise-Laut-Steigerung, wodurch ein meditativer Effekt
eintritt. Diese Kunst beherrscht die Band ziemlich gut. Was allerdings etwas
nervt ist, dass Reaching 62 F im Wesentlichen auf zwei Rhythmische Figuren
zurückgreifen, die somit im Laufe des
Konzerts von Song zu Song mehr oder weniger abwechseln. Da wird aus Hypnose
ziemlich schnell Langeweile.
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