Sieht aus wie Barbie, rockt aber wie Big Jim: Doro Pesch. Fotos(3): Crazy Fink |
Tatsächlich aber ist diese Gleichmacherei in etwa so
fundiert, wie die Behauptung, alle Chinesen sähen gleich aus. Denn bei
genauerem Hinsehen entpuppt sich die nachtfarbene Metal-Uniform als zwar nach
bestimmten Regeln erstellter, aber höchst individuell gestalteter Ausweis der
eigenen musikalischen Präferenzen, ergo Persönlichkeit: Obligatorisch ist das
Band-Shirt mit dem Signet einer vom Träger geschätzten Gruppe. Diese sollte
entweder möglichst obskur sein, also breite Genrekenntnis signalisieren, oder,
im Falle populärer Bands wie Iron Maiden oder Metallica, möglichst verwaschen
sein, um langjährige Szenezugehörigkeit herauszustellen.
Darüber hinaus existiert eine ausgeklügelte anlassbezogene
Kleiderordnung, durch die geregelt ist, welche Hemden wann gezeigt werden
dürfen: Logos der auftretenden Band sind im Grunde tabu (es sei denn, das damit
bedruckte Textil ist ganz besonders ausgebleicht), solche wesensverwandter
Gruppen aber legitim. Folglich würde kein Metal-Fan bei Verstand im Leibchen einer
Softeis Metal-Truppe wie Nightwish eine Tech-Death Metal-Darbietung etwa von
Necrophagist besuchen. Davon, dass er das Shirt einer solchen Schlonz-Band gar
nicht besäße, einmal ganz abgesehen. Ausgenommen von der Norm sind Motörhead-Shirts,
die dürfen wegen des besonderen
Stellenwerts immer und überall getragen werden.
Ethnologisch interessant wäre noch eine der Untersuchung der
„Kutte“, einer Jeansweste, die ausgestattet mit einer Unzahl entsprechender
Aufnäher, noch differenzierter Auskunft über die musikalische Ausrichtung ihres
Besitzers gibt. Aber ein solches Vorhaben sprengte diesen Rahmen endgültig.
Wirft dieser Exkurs doch schon jetzt die Frage nach seine Sinnhaftigkeit auf.
Die lässt sich wie folgt beantworten: Ein übergroßer Anteil
der Knockout-Besucher gibt sich als Anhänger bestimmter Bands überhaupt nicht
zu erkennen. Es dominieren vielmehr Merchandise Produkte bestimmter
durchkommerzialisierter (Massen)Events, wie dem WOA oder Kreuzfahrten, auf
denen Rockbands statt Alleinunterhalter das Showprogramm bestreiten.
Metal-Fundamentalisten würden diese offensichtliche Abkehr
von der subkulturellen Individualisierung hin zur Sozialisierung als Symptom
der viel beklagten Ballermannisierung der Heavy-Szene interpretieren. Einer
quasi Überfremdung durch die sich Extrem-Musik Ultras in ihrem ureigenen Milieu
vom Mainstream-Publikum bedrängt fühlen. Ein nachvollziehbares Urteil, zumindest
für Menschen, die, um ein Beispiel aus einem anderen Popkulturellen Bereich
heranzuziehen, das Tragen von Calvin Klein-Unterhosen nicht als Kriterium für
Mode-Expertise gelten lassen.
Das musikalische Programm beim diesjährigen Knockout ist
zumindest streckenweise entsprechend: Lordi, eine martialisch kostümierte
Melange aus Kiss und Gwar, liefert den passenden Soundtrack zum
Hobbit-Kinostart. Das orchestrierte Ork-Gebrüll der Finnen gleicht der
Kampftechnik eines Höhlentrolls: nicht sonderlich filigran, aber effektiv. Denn
bei eingängigen Monster-Hymnen wie „Hardrock Halleluja“ oder „Sincerley with
love“, die wahrscheinlich auch die Ork-Kindergärtnerinnen den Ork-Kindern in
der Ork-Kita vorsingen, grölt die ganze Halle begeistert mit.
Die Mittelalter-Rocker Saltatio Mortis gehen kaum weniger
poppig und Klischee-behaftet ans Werk. Allerdings stehen sie damit anderen Vorreitern
des Genres wie Schandmaul oder In Extremo in nichts nach. Von den offenbar
zahlreich erschienenen Wochenend-Kriegern und Burgfräuleins werden sie entsprechend
abgefeiert. Nicht zu Unrecht, denn dass die Karlsruher mit Alea dem
Bescheidenen über einen dynamischen Frontmann verfügen und ihren Job so
einsatzfroh wie professionell erledigen, lässt sich nicht bestreiten. Ein
Extralob gibt es für einen pfiffigen Text mit aktuellem Bezug wie „Wachstum
über alles“ zur Melodie vom Deutschlandlied.
Dass nicht jeder Griff in die Stereotypenkiste in die
Peinlichkeit führt, beweist einmal mehr Doro Pesch. Die Düsseldorferin sieht
zwar aus wie Barbie in der Leder Corsage, rockt aber wie Big Jim. So kann die
deutsche Metal-Königin auch in ihrem dreißigsten Bühnenjahr noch überzeugen.
Hauptsächlich liegt das natürlich an unsterblichen Old School
Metal-Gassenhauern wie „Burning The Witches“ oder „All We Are“ – sogar ein
Schmachtfetzen wie „Für Immer“ ist aus dem Mund der zierlichen Blondine immer wieder
irgendwie anrührend – aber auch die jüngeren Songs fallen nicht groß ab.
(Hair)Metal-Queen für immer. |
Keinen Stimmungsabfall gab es auch bei den Rausschmeißern
Sabaton. Sänger Joakim Brodén hatte sein Publikum vom ersten Akkord an im Griff.
Für Anhänger der reinen Schule ist zwar auch der schnörkellose Power Metal der
runderneuerten Formation kein Leckerbissen (zu viel Keyboard-Puderzucker), das
Party-Publikum goutierte den Nachtisch aus Schweden aber umso mehr.
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