So kommt die neue AC/DC-Scheibe nicht an ihre über
acht Millionen Mal verkaufte Vorgängerin “Black Ice” heran. An die davor erschienene, „Stiff Upper Lipp“, schon zweimal nicht. Denn während Erstere mit
machtvoller, Fäuste gen Himmel zwingender Pomp Rock- Atmosphäre an die
kommerzielle Hochphase der Band in den frühen 80er Jahren erinnerte, war
Letztere ein Lehrstück in bluesigem Minimalismus und muss somit als das wahre
Altersmeisterwerk von „Acca Dacca“
gelten.
Das größte Manko von „Rock Or Bust“ ist sicherlich das
Fehlen von Malcolm Young. Der Bandgründer und unumstrittene Chef hatte im
Frühjahr nach 41 Jahren seine Karriere wegen einer schweren Demenzerkrankung
beenden müssen. Den Part des Rhythmusgitarristen hat bei den Aufnahmen Neffe
Stevie Young übernommen. Der hatte seinen Onkel Ende der 80er schon mal während eines
alkoholentzugsbedingten Sabbaticals vertreten.
Vermutlich kann man das sich auch einreden, aber schon das
Eröffnungsriff des an vorderster Position stehenden Titels „Rock Or Bust“ klingt irgendwie verwaschen. Man höre sich dagegen nur den
Einstieg des Titeltracks von AC/DCs
Megaseller „Back in Black“, dem meistverkauften Album der
Rockgeschichte, an: „Srgg, srgg, srgg, srgg, srgg, srgg, DAGG, DAGGEDAGG,
DAGGEDAGG“, knallt es es einem aus dem Bauch von Malcolms Gretsch-Gitarre
entgegen. So steinhart und knochentrocken wie der von der Sonne gebrannte Lehm
in einer ausgedörrten Rindertränke im australischen Outback. Spätestens dann
wird einem klar: Diesem Mann sollten sie in seiner Heimatstadt Sidney ein
überlebensgroßes Denkmal errichten – oder wenigstens seinem rechten Handgelenk.
Vor diesem
Hintergrund wirkt der Albumtitel „Rock Or Bust“ weniger wie eine Kampfansage,
als wie eine Beschwörung des eigenen
Kampfgeistes. Und als wäre das nicht genug Voodoo, um das Schicksal in Schach
zu halten, tragen obendrein noch fünf der elf Songs das Wort „Rock“ im Titel.
Genutzt hat die Selbsthypnose nur bedingt: Auf der Habenseite zu nennen wäre die leicht debile, aber
Stadiontaugliche Mitsingnummer „Rock The
Blues Away“, das flotte “Babtism by
Fire” und auch das zeppelinesque “Rock The House”, öhm, rockt ordentlich. Der
Rest boogiet so dahin ohne wirklich zu zünden. Leadgitarrist Angus Young gelingt
kein wirklich memorables Solo (außer vielleicht beim düsteren "Dogs Of War"). Ohne Malcolm Youngs Faust im Nacken,
entwickelt nicht einmal die weltbeste Rhythmusgruppe Phil Rudd und Cliff
Williams den gewohnt swingenden Schub und pluckert stattdessen im unteren Drehzahlbereich. Einzig Frontmann Brian Johnson setzt ein
Ausrufezeichen, indem er mehr singt als Schreit, was ihm sehr gut gelingt.
Unterm Strich ist „Rock Or Bust“ ein gutes Hardrock
Album, aber eine höchstens durchschnittliche AC/DC Platte. Schade, dieser großen alten Band und
ihrem Gründer hätte man einen grandioseren Abgang gewünscht.
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