Ist im Flow: Roger Glover auf der Bühne mit Deep Purple 2013 in Spanien. Foto: Carlos Delgado |
Obwohl Roger Glover 50 Prozent einer der besten Rhythmussektionen der Rockgeschichte bildet, hat der Bassist neben all den Egomanen und Virtuosen in Deep Purple immer eher ein Schattendasein geführt. Dass ist nicht nur wegen seines einfachen, ja minimalistischen, aber umso kraftvolleren, flüssigen und präzisen Spiels ungerecht (man höre sich nur die atemberaubenden Bassläufe auf „Highway Star“an), auch außerhalb von DP hat Roger Glover, der am heutigen Montag, 30. November, 70 Jahre alt wird, eine erfolgreiche Karriere als Musikproduzent hingelegt. In den 70ern und 80ern verhalf der Waliser nicht nur Acts wie Nazareth oder Judas Priest zu Charterfolgen, sondern vor allem auch Rainbow, der neuen Band seines ehemaligen Bandkollegen Ritchie Blackmore. Und das obwohl dieser ein paar Jahre zuvor noch Glovers Rausschmiss aus Deep Pruple auf deren Karrierehöhepunkt veranlasst hatte.
Bis heute
sind Deep Purple nicht nur eine der größten, sondern zweifelsohne auch eine der
am fleißigsten tourenden Bands. Obendrein beschränken sich die Rockgroßväter
nicht darauf, als wandelnde Oldie-Show durch die Lande zu tingeln. Mit ihrem
jüngsten Output "NOW What?!" gelang es dieser großen alten Band auch
einmal mehr zu beweisen, dass sie auch fast ein halbes Jahrhundert nach ihrer
Gründung noch relevant ist. Nun lassen Deep Purple ihrem Erfolgsalbum gleich
zwei Liveaufnahmen folgen (VÖ, 28. August, Edel): "From The Setting Sun...
(In Wacken)" entstand vor der Kulisse eines Sonnenuntergangs auf dem
Wacken Open Air 2013, "...To The Rising Sun (In Tokyo)" im April 2014
im berühmten Nippon Budokan in Tokyo. Dem gleichen Ort, wo 1972 das legendäre
Live-Album Made in Japan entstand..
BRB: Wie man auf der DVD sehen kann – und bei der
Wacken-Show habe ich es auch selbst erlebt – sind Deep Purple noch immer
relevant für junge Leute. Erstaunt dich das?
RG:
Das ist sicherlich sehr bemerkenswert und wir sind darüber sehr glücklich. Denn
das bedeutet unser Publikum wächst. Früher haben wir für Teenager gespielt,
dann für Eltern und jetzt treten wir vor Großeltern, Eltern und Teenagern auf.
Vielleicht liegt das an der Wahrhaftigkeit unserer Musik. Oder daran, dass es
etwas aus den 70ern ist. Das scheint für die Leute attraktiver zu sein als
Musik, die von Maschinen erzeugt wird.
Hättest Du dir als junger Kerl in den 60ern denn ein
paar alte Typen angeschaut, die Rock´n´Roll spielen?
RG:
Wahrscheinlich nicht. Schließlich hat Rock´n´Roll hat ja auch erst 1955/56
angefangen mit Chuck Berry und Elvis. Aber wir liebten und spielten den Blues.
Also gingen wir auf die Suche nach den Wurzeln des Rock´n´Roll und des Blues.
Folglich haben wir uns schon Leute angehört die über 50 oder 60 waren.
Du warst auch an der Produktion der beiden Livealben
beteiligt. Schon in den 70ern hast Du neben deinem Hauptjob bei Deep Purple
auch jede Menge Bands produziert. Dazu gehörten große Namen wie Judas Priest, Nazareth, Elf, Status Quo oder die Ian Gillan Band.
War das ein Karrieresprung den du geplant oder war das eher Zufall?
RG:
(lacht) Das weitsichtigste, was ich an irgendeinem Tag meiner Karriere habe
planen können, war das Frühstück. Es war
eine Verkettung glücklicher Umstände. Deep Purple haben in den frühen Jahren
wirklich sehr hart gearbeitet. Eine der Bands, mit denen wir arbeiteten hieß
Nazareth. 1972 rief mich deren Management an und fragte, willst Du Nazareth
produzieren. Ich hatte bis dahin noch überhaupt nichts wirklich produziert,
aber ich habe mit ihnen ein Album aufgenommen. Anschließend ging ich wieder mit
Deep Purple auf Tour. Aber Mitte 1973 habe ich Deep Purple verlassen – unter
nicht allzu rühmlichen Umständen, denn eigentlich hatte ich Deep Purple nicht
verlassen wollen –, aus politischen Gründen. Also kam ich ziemlich deprimiert
aus Japan zurück. Und wenn ich sage deprimiert, meine ich: Es war ein wirklich
herber Schlag. 1973 waren Deep Purple die größte Band der Welt und
rausgeschmissen zu werden, war eine ganz bittere Pille. Ich fühlte mich, als
habe man mich einfach in den Mülleimer geworfen. Dann schlug ich die Zeitung
auf und las, dass „Razamanaz“ auf Platz vier der Albumcharts stand. Ganz
plötzlich war ich also ein Erfolgsproduzent. Geplant war das also sicher nicht.
Deep Purple haben damals nicht mit externen
Produzenten gearbeitet, sondern den Job selbst gemacht.
RG:
Deep Purple haben sich zwar selbst produziert, dass bedeutete aber lediglich,
dass einer auf den Aufnahmeknopf drückte und wir angefangen haben zu spielen.
Du hattest also keine wirklichen Vorbilder, von
denen Du dir etwas hättest abschauen können?
RG:
Ich erinnere mich noch an eine meiner ersten Produktionen. Ich kam ins Studio
und fragte die Techniker, wo sitzt denn der Produzent normalerweise? Sie haben
sich kaputtgelacht und gesagt, Du bist der Produzent, Du kannst sitzen, wo du
willst.
Was macht Deiner Ansicht nach einen guten
Produzenten aus?
RG:
Es gibt Produzenten, die kommen mehr aus der technischen Ecke und andere eher
aus der musikalischen. Ich gehöre zu den Letzteren. Ich denke, es ist die
Aufgabe eines Produzenten im Studio eine Atmosphäre zu schaffen, die den
Künstler dazu anregt, seine beste Leistung zu bringen. Aber ich wusste schon
genug über die Technik, um zu merken, wenn mich einer verarschen wollte.
Ein Meilenstein der Rockgeschichte, den du produziert
hast, ist „Sin After Sin“ von Judas Priest. Er markiert die Abkehr der Band vom
Rocksound der frühen Jahre, hin zum Heavy Metal, der ihr Markenzeichen werden
sollte. Welche Rolle hast Du dabei gespielt?
RG:
Wenn ich mir das Album heute anhöre, klingt es für mich nicht besonders
metallisch. Durch Umstände, die sich meiner Kontrolle entzogen, haben Priest
ihren damaligen Schlagzeuger (John Hinch, Anm. d. Verf.) und heuerten Simon
Phillips als Session Drummer an. Der ist zwar ganz bestimmt kein Metal
Schlagzeuger, aber er hat es echt drauf. Ich denke, „Sin After Sin“ ist kein
Metal Album, aber man kann schon hören, was Judas Priest einmal werden würden. Wie
dem auch sei, viele Leute sagen mir noch immer, es sei ihr
Lieblings-Priest-Album.
Tatsächlich? Meins ist es nämlich auch.
RG:
(lacht) Nun, Judas Priest sind eine klasse Band, sie hatten viel zu geben und
sie wussten, was sie wollten. Das macht es für den Produzenten natürlich
einfacher, als wenn er es mit Musikern zu tun hat, die man erstmal auf die
Schiene setzen muss.
Du bist also eher mit dem Strom mitgeschwommen?
RG:
Naja, was kann ein Produzent schon groß machen? Hier ein wenig bei den Texten oder
den Kompositionen helfen, dort die Arrangements etwas straffen, sich um das
Mixing kümmern. Das ist ein Tausendsassa-Job, wenn Sie so wollen.
Auf der anderen Seite saßt Du auch während der Joe
Lynn Turner-Ära bei Rainbow hinter den Reglern. Die war kommerziell sehr
erfolgreich, ist wegen der eher poppigen Ausrichtung vielen Rock Fans aber
verhasst.
RG:
Das Problem war… Also Ronnie James Dio habe ja eigentlich ich entdeckt. Ich hatte
drei Alben seiner früheren Band Elf produziert und wir waren ziemlich gute
Freunde geworden. So hat es mich ziemlich überrascht, als Ritchie Blackmore die
Band übernommen und daraus Rainbow gemacht hat. Als er mir dann aber
„Stargazer“ (vom zweiten Rainbow Album „Risings“, Verf.) vorspielte, hat mich
das schlicht umgehauen, ein wundervolles Kunstwerk, einfach brillant. Aber es
hat sich nicht gut genug verkauft, um die Band am Laufen zu halten. Wir hatten
beide dasselbe Management und die haben mich gefragt, wir verkaufen nicht genug
Platten, kannst Du uns helfen, das Ruder herum zu reißen? Das habe ich
geschafft, „Down To Earth“ (mit Graham Bonnet am Micro, da Ronnie James Dio den
Schwenk hin zu mehr Radiofreundlichkeit nicht hatte mitmachen wollen, Verf.)
hat sich verkauft wie geschnitten Brot. Andererseits mögen die Fans eben keine
Veränderung. Alles soll so bleiben, wie es immer gewesen ist.
Unglücklicherweise ändern sich die Dinge aber, Menschen verändern sich. In Deep
Purple hören wir das die ganze Zeit. Ritchie ist nicht mehr dabei, John ist
nicht mehr dabei, ach, das sind doch gar nicht mehr Deep Purple. Das muss man
akzeptieren. Aber wie gesagt, die Dinge ändern sich, und manchmal sogar Fans.
Gab es für Sie überhaupt viel zu produzieren?
Ritchie Blackmore hat den Ruf eines sehr zielstrebigen, um nicht zu sagen
gewissenlosen, Künstlers. Dann hatte er dich ein paar Jahre vorher bei Deep
Purple ausgebootet. Wie konnte die Zusammenarbeit überhaupt funktionieren?
RG:
Das musst Du Ritchie Blackmore fragen. Ich habe bis zum heutigen Tag nicht
kapiert, warum ich überhaupt bei Deep Purple rausgeflogen bin. Aber womöglich
hat der Umstand, dass ich mir eine erfolgreiche zweite Karriere aufgebaut
hatte, ihn dazu bewogen, seine Meinung über mich noch einmal zu überdenken. Und
die Zeit heilt viele Wunden. Ich für meinen Teil hegte ohnehin keinen Groll
gegen Ritchie. Er hatte mir gesagt, schau her, nimm es nicht persönlich, es
geht nur ums Geschäft. Er war also wenigstens ehrlich. Als er mir dann drei
Jahre später “Stargazer” vorgespielt hat, musste ich nicht lange überlegen. Es war eine gute
Karrierechance für mich. Als wir daran gingen „Down To Earth“ aufnahmen, sollte
ich ausschließlich als Produzent fungieren. Aber sie fanden weder eine
Bassisten, noch einen Sänger, der mit Ritchie Songs hätte schreiben können,
also habe ich auch diese Rollen übernommen. Aber erst als das Album fertig war,
sagten Cozy Powell und Don Airey, du solltest eigentlich auch in der Band sein.
Als dann ein paar Wochen später der Anruf kam, habe ich nicht gezögert, denn
ich hatte es sehr vermisst, in einer Band zu sein und auf Tour zu gehen. Sechs
Jahre hatte ich nur in Studios verbracht. Das hat zwar auch Spaß gemacht, aber
mir liegt das reisen im Blut. Sonst würde ich es nicht seit 50 Jahren machen.
Ich muss es also irgendwie mögen (lacht).
Womit hast Du bis zum Comeback der Band 1984 mehr Geld verdient, damit der Basser in Deep
Purple zu sein oder der Produzent von Rainbow?
RG:
Puh, das ist eine verdammt gute Frage. Ich weiß, das klingt jetzt
unglaubwürdig, aber ich habe mich nie groß ums Geld geschert. Mir ging es immer
um die Musik. Die Musik war für mich der Antrieb. Solange ich meine Miete
bezahlen konnte, war mir mein Verdienst egal. Ich habe also wirklich keine
Ahnung, was mehr oder weniger war.