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Mittwoch, 26. August 2015

Veganes Gemetzel - Das New Noise Festival feiert im Karlsruher Schlachthof den Hardcore

 Würdiger Headliner beim NNF: The Story So Far  Foto: Veranstalter
Endlich war mal was los, im sogenannten Kreativpark! Am Samstag ging auf dem alten Schlachthofgelände zum ersten Mal  das New Noise Festival (NNF) über die Bühne. Gut 900 Fans Hardcore-Punk beeinflusster Musik bevölkerten laut Veranstalter das Areal. So dass in und zwischen den verschiedenen Venues reger Besucherverkehr war. Sonst herrscht zwischen den  schönen alten Sandsteingebäuden ja vorwiegend Tristesse. Von kulturellem Leben, sofern es denn stattfindet, bekommt der Besucher zu beliebiger Tag oder Nachtzeit eher wenig mit: Er hört keinen Musiker spielen und keinen Künstler hämmern.

Unlängst war ja sogar das Vorhaben, Proberäume für Bands einzurichten, gescheitert – wegen des Lärms! Alles, was der Besucher beim Blick durchs eine oder andere Fenster gewöhnlich erblickt, sind junge Menschen, die auf Computermonitore starren. Krasser könnte der Unterschied zu vergleichbaren Einrichtungen wie etwa dem RAW-Tempel in Berlin nicht sein. Wo täglich Bands  spielen, DJs auflegen und Künstler in offenen Ateliers ihre Werke präsentieren. Hipster, Besucher aus aller Welt und Nutzer sich über allerneueste Kulturtrends austauschen.

Ansiedelungen wie die des US-Softwareunternehmens Citrix, Rechtsanwaltskanzleien oder gehobenen Weinbars auf dem Schlachthofgelände dürften kaum Abhilfe von dieser Misere schaffen. Veranstaltungen wie das NNF hingegen schon. Am Samstag hämmerte es also ganz gewaltig: In der Fleischmarkthalle feierten die Metzel-Metaller Benighted ein zünftiges musikalisches Schlachtfest, das der Historie des Ortes voll entsprach. Der streckenweise rasend schnelle, aber stets deftig groovende Grindcore des französischen Quartetts bohrt sich in die Gehörgänge wie ein glühender Fleischerhaken – eine nicht unbedingt angenehme Art, die Gehörgänge durch zu putzen, aber ungemein effektiv.

Gegen diese Schlächterei nahm sich der eher traditionelle Hardcore New Yorker Schule (Gang Shouts und Alles), den  Empowerment Alten Hackerei auftischten, fast wie Kuschelrock aus. Obwohl die Stuttgarter reichlich ruppigen Eisenkeller-Charme versprühten. Zurück in der Fleischmarkthalle konnten die Fans bei Break Even ein wenig verschnaufen. Spielte sich der leicht angefunkte Hardcore der Australier eher im Midtempo-Bereich ab.

Im Substage enterten derweil Lionheart die Bühne. Mit den Kaliforniern ging es auf Zeitreise in die frühen 90er: Feinripp-Crossover mit Hip-Hop-Einschlag, der dazu einlädt, die Schildkappe nach hinten zu drehen und mit dem Skateboard über eine Sphalanx brennender Mülltonnen zu hüpfen.  

Wer sich im Circle-Pit zu sehr verausgabt hatte, konnte sich etwa ein veganes Steak in den tätowierten Hals schieben oder sich die Zeit an den zahlreichen Verkaufsständen mit Bandmerch ausstatten.
Zu sehen gab es bei einem Eintrittspreis von 33 Euro gut dreißig Bands. Trotz dieses fairen Preises wurden laut Veranstalter 25 Tickets mit gestohlenen Bankdaten gekauft. Eine Person, die offenbar in den Betrug vermittelt war, konnte auf dem Festivalgelände festgenommen werden.

Sonntag, 27. April 2014

Wahnsinns Spaß im Labyrinth - Dyse und Astrokraut

"Sag Hans zu mir!" André Dietrich geht die Dyse.  Foto: Promo/Marlen Mieth

Dyse, klingt seltsam, ist es auch. Die beiden gebürtigen Ostdeutschen Jari Rebelein (Schlagzeug, Gesang) und André Dietrich (Gitarre, Gesang) bastardieren Grindcore mit Hip Hop, Stoner Rock mit Jazz und Pop mit Punk. Am Samstag, 19. April, spielten sie in der nicht ganz ausverkauften Alten Hackerei – Ein glücklicher Umstand, hatte Betreiber Plüschi doch nach Aussage der Band in Aussicht gestellt, sich im Falle einer Vollbesetzung gemeinsam mit den Musikern Iggy Pop-Style nackt vor dem Club zu wälzen. Ein außergewöhnlicher Abend wurde es gleichwohl.
Aufsehen erregend schon die Vorband. Astrokraut; einen treffenderen Namen hätten die zauseligen Murgtäler für ihre musikalische Unternehmung kaum wählen können. Die vier sehen aus, als wären sie vom Quicksilver Messenger Service mit dem Jefferson Airplane direkt vom Monterey Pop Festival eingeflogen worden. Soundmäßig umwabern weitläufige,  knasterumnebelte Instrumental-Jams  hoch aufragende, himmelbeleidigende Black-Sabbath-Riff-Menhire, an denen immer wieder vorwitzige Licks emporzüngeln. Zusätzlich durchbrochen wird die psychedelische Monotonie durch pfiffige Breaks und wohldosierte, nonkonformistische Gesangseinlagen. Zugegeben, auf dem Papier sind das alles nicht gerade die frischesten Zutaten, doch durch die unbändige Kraft der Jugend gerät Astrokraut der Muff aus tausend Rockjahren zum Bouquet.
Wo ihr junges Vorauskommando frischen Wind verbreitete, entfachen Dyse einen Sturm. Vor gut zehn Jahren haben sich Rebelein und Dietrich in Amsterdam in einer Absteige Namens  Dysecatmotel kennen. Vom Bier berauscht, beschlossen sie noch in der Hotelbar, eine Band zu gründen. So geht die Legende. Dass sich die beiden Ostdeutschen vermutlich nicht im niederländischen Kiffer-Mekka aufhielten, um das Van Gogh-Museum zu besuchen, ist vom ersten Takt an offenhörlich. Obwohl: dass das Duo auf musikalischem Terrain dem Künstler an Intensität, Unmittelbarkeit und Irrsinn durchaus nahesteht, lässt sich nicht verneinen.
Dyse klingen, als jagten Stahlzahn-bewährte Riffmonster eine Horde Narren durch ein polyrhythmisches minoisches Labyrinth. Dietrichs urgewaltige Gitarrenbiester stürmen von Rebeleins dionysischen Tausendfüßler-Trommeln gehetzt um die rasiermesserscharfen Ecken und Kanten. Stets Gefahr laufend, von sich plötzlich im Boden auftuenden Schlünden verschlungen zu werden, in deren Tiefen nichts als kreischend kichernder Wahnsinn lauert. Dazu intonieren die beiden Akteure Dada-, beziehungsweise Gaga-Texte, die mit Titeln wie „Schildkrötenthomas“ oder „Waldbart“ überschrieben sind (Nie klang die an sich harmlose Aufforderung, „sag Hans zu mir“, bedrohlicher, böser, schreckenerregender).
Als Vergleiche kommen da lediglich die superjazzigen Cartoon-Rocker Primus oder der avantgardistische Lärm von Fantomas in Frage. Bei all diesem ikarischen Übermut ist es schon erstaunlich, dass Dyse nie den musikalischen Ariadne-Faden verlieren. Das kostet ja selbst den Zuhörer schon einige Mühe – doch die lohnt sich.