Dienstag, 19. Februar 2013

Hardcore volle Kelle - Stray from The Path, Deez Nuts und The Ghost Inside im Substage



Es schneit, vor dem Eingang des Substage steht dicht zusammengedrängt eine Horde Jungs. Viele tragen die Hosen kurz – trotz der Kälte –, dafür die mit bierdeckelgroßen Piercings gepfählten Ohren lang wie afrikanische Mursi. Grinsen, doch wer ist schon ohne (Mode)Sünde. Ende der 80er hatte die persönliche Kleiderordnung neben dem Bandshirt und der Spandexhose immerhin  noch eine Lederjacke umfasst – was sich allerdings an heißen Sommertagen als Nachteil erwies.
Sommerlich warm wird es im restlos ausverkauften Club recht schnell an diesem Freitagabend, 15.2. Auf der Bühne sind ein paar wütende junge Männer mit tätowierten Hälsen gerade damit beschäftigt, aus den Brettern, die die Welt bedeuten, einen traurigen Haufen Splitterholz zu machen: brutales Groove-Metal-Riffing, Kontinentalkrusten aufbrechender Bass, haarscharfes Drumming und an Panteras Phil Anselmo erinnerndes Brüllgekreisch. Stray FromThe Path vereinigen Präzision, Power und ungezähmte Wildheit. Das New Yorker Quartett schöpft mit vollen Kellen aus dem klassischen Hardcore-Kanon (Biohazard, Cro-Mags, Sick Of It All) ohne die eigene Souveränität in Frage zu stellen. Klasse Band, nicht leicht zu toppen!
Doch auch Deez Nuts wissen wo der (Metal)Hammer hängt: der Vierer aus Melbourne bricht mit dem Swagger einer Herde Gorillas in den Saal. Sänger und Rapper JJ Peters, ein bärtiger Schlacks mit der Helix eines Basketballspielers und dem Habitus eines Trailerparkbewohners, tigert, im zum eigenen gespielten Entsetzen die Nippel freilassenden Muscle-Schlabber-Shirt, unablässig „Wuahwuah“-Rufe ausstoßend, die Rampe auf und ab. Gitarrist  RealBad macht seinem Namen Ehre, und würgt mit seinen Rugbyspieler-Pranken einen fiesen Riffbrocken nach dem anderen aus seinem bemitleidenswerten Instrument heraus. Die Rhythmusgruppe wummert dazu bedrohlich.
Dabei geben sich Deez Nuts keineswegs übertrieben cool und unnahbar, im Gegenteil. Die Australier lockern ihre Rapcore-Lehrstunde immer wieder auf. Etwa mit der Erörterung der Frage, ob sich Circle-Pits aufgrund des Corioliseffektes  auf der Nordhalbkugel andersherum drehen als in ihrer der südlichen Hemisphäre angehörenden Heimat. Deez Nuts, das ist gewaltige und ehrliche Musik von der Straße, nicht unbedingt spektakulär, dafür aber brutal und nicht humorlos. Macht Spaß.
Vielleicht liegt es am hohen Niveau von Stray From The Path und auch Deez Nuts, aber an den Standard dieser Bands reicht der vermeintliche Hauptact, The Ghost Inside, heute überhaupt nicht heran. Das Publikum haben sie zwar vom ersten Moment an auf ihrer Seite, doch musikalisch verebbt die heranrauschende Aggressionswelle, auf der die Kalifornier heransurfen, ziemlich schnell zu reizlosem Hintergrundrauschen. Das Energielevel des ungestümen Geballers ist zweifellos hoch, doch die dudeligen Gitarren, die Chugga-Chugga-Breakdowns und Jonathan Vigils stumpfsinniges Gebrüll sind einfach viel zu schablonenhaft um dauerhaft zu begeistern. Vom Ende abgesehen, ein gelungener Abend im Ghetto.

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